Robert Satloff:
Keine arabischen Gerechten der Völker?
Von Karl Pfeifer
Mit Freude lese ich von Friedenstreffen zwischen Juden
und Arabern. Jedes Zeichen der Verständigung könnte zu einem Frieden
zwischen Israel und seinen Nachbarn beitragen. Es ist auch erfreulich, dass
ein israelisch-arabischer katholischer Priester eine gemeinsame Reise von
israelischen Arabern und Juden nach Auschwitz organisierte. Doch leider
bleiben solche Aktionen auf wenige gutwillige Menschen beschränkt.
Bei solchen Treffen kann man von arabischer Seite oft die
Behauptung hören, "mit dem Holocaust haben wir nichts zu tun". Wir alle
kennen die Geschichte des Jerusalemer Mufti Hadj Amin el Husseini, der eine
Rolle spielte, als er Muslime zur Waffen SS rekrutierte und an die
Sattelitenstaaten Briefe schrieb und diese bat, doch keine jüdische Kinder
nach Palästina (durch)fahren zu lassen. Konsequente Antizionisten sehen
darin ja auch gar nichts schlechtes, vielleicht hätten sie lieber gesehen,
wenn diese Kinder, so wie so viele andere jüdische Kinder ihr Leben in den
Vernichtungslagern gelassen hätten?
Wenig bekannt sind die antijüdischen Pogrome in
Nordafrika, die während des Zweiten Weltkrieges auch von Arabern begangen
wurden. Der tunesisch-jüdische-französische Schriftsteller Albert Memmi
veröffentlichte 1953 seinen ersten, stark autobiographischen Roman "Die
Salzsäule" in dem er diese Pogrome schildert. Aber er schreibt auch über
einen muslimischen Freund, der sich dafür schämte.
Nun hat Robert Satloff (1) in der Juli Ausgabe der
angesehenen amerikanischen Monatszeitschrift "Commentary" den spannenden
Artikel "In Search of "Righteous Arabs"" publiziert, der ein eigenartiges
Licht auf die arabischen Gesellschaften wirft.(2)
Er erwähnt einen arabischen Professor für englische
Literatur, der ein brillantes Essay verfasst hat für ein "virtuelles
Symposium" zum Thema arabische Ansichten über den Holocaust. (3) Weil aber
die Holocaustleugnung derartig stark in der arabischen Welt verbreitet ist,
sah sich der Autor gezwungen seinen Text anonym zu publizieren.
Satloff berichtet über arabische Täter, aber auch über
Araber, die Juden halfen, manchmal unter Gefährdung des eigenen Lebens und
er stellt fest, dass es unter den 19.000 von Yad Vashem anerkannten
Gerechten der Völker keinen einzigen Araber gibt, obwohl es eine Anzahl
Muslime unter diesen gibt (Türken, Bosnier, Albaner). Er erklärt warum das
so ist. Satloff wollte im Mai 2003 anlässlich des 60. Jahrestags der
Befreiung Tunesiens (das ein halbes Jahr von Deutschen besetzt war) ein
Treffen in Auschwitz arrangieren, weil einige tunesische Juden in Auschwitz
ermordet wurden und er beabsichtigte zu diesem Treffen die tunesischen
Behörden, Wissenschaftler, Journalisten, die Honoratioren der jüdischen
Gemeinde in Tunis und die tunesischen Juden im Ausland einzuladen. Seine
Idee starb, als er in Tunis in seinem ersten Interview einen prominenten
arabischen Historiker fragte, an welchen Tag sein Land von den Nazibesatzern
befreit wurde. Mit einem spöttischen Blick antwortete dieser: "Befreiung?
Über was sprechen Sie? Die Abreise der Deutschen bedeutete die Rückkehr der
Franzosen, die unendlich schlimmer waren!"
Später versuchte Satloff die Kinder eines tunesischen
Staatsmannes, der während des Krieges Juden geholfen hatte, zu überzeugen,
dass sie die Geschichte publik machen sollen. Sie waren sehr freundlich zu
ihm, aber sie wollten nichts davon wissen und es war ganz offensichtlich,
dass sie hofften ihn nie wieder zu sehen.
Oktober 2001 kontaktierte Satloff den prominenten
ägyptischen Denker Ahmed Kamal Abulmagd – der für einen der gemäßigtesten
und offenen muslimischen Theologen gehalten wird und sicher kein
Holocaustleugner ist, nach einem Vortrag an der amerikanischen Universität
in Kairo. Abdulmagd wandte sich an den Botschafter und sagte:
"Wir alle verurteilen die Politik von Hitler und den Holocaust, aber genug
ist genug. Da gibt es eine Zeit der Sättigung und lassen sie mich sehr
unverblümt sein, das Judentum der Welt ist in Gefahr wegen der sehr
unverantwortlichen Politik der israelischen Regierung, welche von einigen
nichtsahnenden Führern der jüdischen Gemeinschaft in den USA unterstützt
wird. Ich möchte nicht den Tag sehen, wenn es zum Ausbruch des schlafenden
generellen Antisemitismus insbesondere in Europa, und vielleicht in den
Vereinigten Staaten kommt. Aber wir Araber sind daran nicht beteiligt. Wir
haben uns nicht am Holocaust beteiligt. Wir haben Juden nie verfolgt".
Satloff wollte nicht Abdulmagd dazu bringen, diese
Bemerkung zurückzuziehen. Im Gegenteil. Er wollte seine Hilfe, um die Akten
der ägyptischen Konsulate in den späten dreißiger Jahren anschauen zu
können. In diesen Akten glaubt er den Beweis zu finden, dass es einen
"arabischen Wallenberg" gegeben hat, ein ägyptischer Diplomat, von dem
Satloff annimmt, er hätte Heirats- und Geburtsurkunden für deutsche und
österreichische Juden zur Verfügung gestellt, die es diesen ermöglichte nach
Kairo und von dort nach London zu fliehen.
Man möchte meinen, dass die ägyptische Regierung
interessiert wäre den Beweis für eine humanitäre Aktion eines ägyptischen
Diplomaten zu benützen, um das in den USA beschädigte Image zu reparieren.
Satloff wandte sich an wichtige ägyptische Politiker, manche an führenden
Stellen, die er seit fünfzehn Jahren kannte – doch er erhielt keine Antwort.
Deswegen schrieb er Abdulmagd zweimal und bemerkte, dass
es keinen einzigen Arber unter den nichtjüdischen Gerechten der Völker gab.
Er bat um seine Intervention: "Haben nicht einige Araber einige Juden
gerettet, beziehungsweise ihnen geholfen?" Satloff fragte: "Und wenn einige
Araber Juden retteten, ist das nicht eine positive, konstruktive Antwort auf
arabische Holocaustleugnung?"
Doch das Tabu irgendeine arabische Verbindung zum
Holocaust herzustellen – sogar um die heroischen Aktionen von heldenhaften
arabischen Gerechten zu ehren – ist zu stark. Satloff wartet noch immer auf
eine Antwort.
Anmerkungen:
1) Robert Satloff ist "director of policy and
strategic planning at the Washington Institute for Near East Policy".
2)
http://www.commentarymagazine.com/archive/digitalarchive.aspx?panes=1&aid=
11801032_1
3)
www.legacy-project.org/symposium/comments.html?Symposium_Paper=1&Show1D=1.
hagalil.com
05-08-2004 |