Lehrbehelfe zur Politischen Bildung?
"Aus Politik und Zeitgeschichte"
Von Karl Pfeifer
„Aus Politik und Zeitgeschichte“, so der Titel der von der
„Bundeszentrale für politische Bildung“ in Bonn herausgegebenen
Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament“. Diese Beilagen beleuchten in der
Regel politische Fragen von verschiedenen Standpunkten aus. Deshalb las ich
mit Interesse die den israelisch-palästinensischen Problemen gewidmete
Beilage Nr. 20, vom 10. Mai 2004, ISSN 0479-611 X.
Einer der Redakteure dieser Reihe ist der
Nahostsachverständige Dr. Ludwig Watzal, der auch das Vorwort zu diesem Heft
geschrieben hat. Er qualifiziert den ersten Beitrag: „Einen
historisch-deskriptiven Überblick zum Nahostkonflikt gibt Dr. Elmar
Krautkrämer“. Dieser 1927 geborene Gymnasiallehrer und emeritierte Professor
für Neuere Geschichte an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg hat sich
einige Schnitzer erlaubt, die eine sorgfältige Redaktion hätte bemerken
müssen.
Dr. Krautkrämer behauptet (Seite 4): „Die Juden leisteten in der britischen
Armee Kriegsdienst, wenngleich sie erst ab 1944 an Operationen teilnehmen
konnten, und der Jischuw stellte seine technischen Einrichtungen zur
Verfügung.“ Der Autor unterstellt damit, Juden hätten vor der Bildung der
jüdischen Kampfbrigade im September 1944 nicht an Operationen teilgenommen.
Gudrun Krämer schrieb dazu in ihrer „Geschichte Palästinas“, (Beck 2002, 3.
Auflage, Seite 352) : „Von Kriegsbeginn an bemühten sich die Zionisten
darum, innerhalb der alliierten Streitkräfte jüdische Einheiten aufstellen
zu dürfen, die unter eigener weiß-blauer Flagge mit dem Davidstern gegen die
Achsenmächte kämpfen sollten. Das verweigerte die britische Heeresleitung.
Dennoch rief die Führung des Yishuv zur Generalmobilmachung auf und
appellierte an die wehrfähigen Männer, sich freiwillig für die britische
Armee zu melden. Mehrere Zehntausend Männer und Tausende von Frauen folgten
diesem Aufruf.“
Tatsächlich nahmen Juden aus Palästina bereits 1939/40 an Kampfhandlungen
teil. Mein Bruder Erwin Pfeifer, der sich bereits im September 1939 zur
britischen Armee gemeldet hatte, war mit dem britischen Expeditionskorps in
Griechenland 1939-40. Einige palästinensische Juden fielen damals in
deutsche Gefangenschaft, die meisten dieser überlebten den Krieg.
Tatsächlich waren die Briten Anfang des Krieges sehr besorgt: „Bei
Rekrutierungskampagnen für die britische Armee im Mandatsgebiet durften die
Werber keine Armbinden in blau-weiß – den jüdischen Farben – tragen. Die
Briten ordneten an, nur rot-weiße oder gar keine Binden zu tragen. Die
palästinensische Presse durfte die Tätigkeit von Juden für die britischen
Streitkräfte nicht erwähnen.“ (Nicholas Bethell: Das Palästinadreieck, Juden
und Araber im Kampf um das britische Mandat 1935 bis 1948,
Propyläen-Verlag, 1979, Seiten 112-113)
Dr. Krautkrämer gelingt es in ein paar knappen Sätzen seine Vorurteile mit
Faktenfehlern zu paaren. Zuerst einmal die Faktenfehler. Laut diesem
„Nahostfachmann“ fand das von Juden verübte Massaker in Deir Yassin am 8.
Mai 1948 statt und es forderte 250 Opfer (Seite 5)
Tatsache ist, dass dieses Ereignis am 9. April 1948 stattfand und es 100 bis
110 arabische Opfer gab. Der Autor nennt als seine Quelle das 1967
erschienene Buch von Christopher Sykes, „Kreuzwege nach Israel“. Die
Forschung ist jedoch seit 1967 weitergegangen, unter anderem hat der an der
arabischen Universität Birzeit lehrende Sharif Kanaana, im April 1998 einen
Vortrag darüber gehalten und die Zahl von rund einhundert Opfern in Deir
Yassin bestätigt, die auch von israelischen Forschern wie Benny Morris und
Avi Shlaim behauptet werden.
Mit keinem Wort erwähnt der Autor die Massaker, die damals von Arabern an
Juden begangen worden sind. Benny Morris zählt auch diese in seinem 1999
erschienenem Werk „Righteous Victims“ auf. Doch diese Fakten passen nicht in
das Konzept des Autors und wurden deshalb ausgeblendet.
Krautkrämer behauptet auch „Vielmehr ist belegt, dass die Araber durch
verschiedene Methoden zur Auswanderung getrieben wurden“ und nennt dazu als
Quelle den zwanghaften Abschreiber und antizionistischen Propagandisten
Norman G. Finkelstein. Der Fachmann aber für die Entstehung des Problems der
„palästinensischen Flüchtlinge“, dass noch heute Menschen, deren
Urgroßeltern oder Großeltern aus dem damaligen Mandatsgebiet flüchteten als
„Flüchtlinge“ anerkannt werden, Benny Morris, der zu einer gegenteiligen
Ansicht kommt, wird natürlich nicht zitiert. Krautkrämer erwähnt die
Vertreibungen in Ramlah und Lydda, verschweigt jedoch schamhaft, dass diese
während Kriegshandlungen geschahen und dass im jüdischen Staat an die
150.000 Araber bleiben konnten, während die Araber in den von ihnen
verwalteten Teilen des ehemaligen Mandatsgebietes keinen einzigen Juden,
auch keinen antizionistischen orthodoxen duldeten.
Krautkrämer behauptet auch „Die Zionisten nahmen die Ortschaften des ihnen
zugesprochenen Gebietes militärisch in Besitz, drängten aber über die von
UNSCOP vorgesehenen Grenzen hinaus.“ Hier verschweigt er eine „Kleinigkeit“,
dass ja die Feindseligkeiten nach der bewussten Teilungsentscheidung der
UNO-Generalversammlung am 29. November 1947 nicht von den Juden begonnen
wurden. Wenn aber die angegriffene Partei im Laufe eines ihr aufgezwungenen
Krieges mehr Territorium gewinnt, dann hat sie – das zeigen uns die
Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges in Europa – auch das Recht, die Grenzen
zu verändern.
Wie gesagt, über Unterlassungen und Voreingenommenheit von Dr. Elmar
Krautkrämer kann man verschiedener Meinung sein. Dem Redakteur Dr. Ludwig
Watzal sei es unbenommen, Krautkrämers Darstellung als
„historisch-deskriptiven Überblick“ zu preisen. Doch die hier aufgezeigten
Faktenfehler beweisen, Voreingenommenheit geht meistens auch mit einem
Schuss Scharlatanerie zusammen. Immerhin werden diese Hefte „Aus Politik und
Zeitgeschehen“ auch als Lehrbehelfe von Lehrern und Schülern in Deutschland
benützt und schon deswegen müssten wenigstens die Fakten hieb und
stichfest sein.
hagalil.com
27-08-2004 |