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Vor 25 Jahren:
Unverjährbarkeit von Mord

Eine lange Debatte über NS Verbrechen fand ihren Abschluss

Von Max Brym

Am 3.7.1979 beschloss der Bundestag die Unverjährbarkeit von Mord: Mit 255 gegen 222 Stimmen wurde der Gesetzentwurf der damaligen SPD/FDP Koalition angenommen. Damit endete eine unsägliche Debatte über die "Verjährung von NS-Verbrechen". Das Gesetz stellte jedoch den NS- Massenmörder mit dem normalen zivilen Mörder gleich. Auf diese Kompromißformel konnte sich die bundesdeutsche Elite einigen.

Ignoriert wurde der Unterschied zwischen Mord und Mord der Unterschied zwischen "Gretchen" aus Goethes "Faust" und dem Mörder in Auschwitz. Bekanntlich vergibt Goethe im Faust einer Kindsmörderin. Dem großen deutschen Dichterfürsten war der Unterschied zwischen Mord und Mord klar. Aber immerhin: Die NS-Verbrechen konnten weiter verfolgt werden. Im Deutschland des Jahres 1979 war ein großer Teil der liberalen Öffentlichkeit mit dem Ergebnis der "Unverjährbarkeit des Mordes" zufrieden, teils aus Naivität, aber auch geprägt von der Diskussionserfahrung über die "Verjährung von Naziverbrechen" in den Jahren 1965, 1969 und 1979.

Debatte über nazistische Verbrechen

Mehr als zwanzig Jahre gab es massive Versuche im Bundestag die Verfolgung von Naziverbrechern zu beenden. Wer sich an die Justiz im Adenauer Staat erinnert, weiß, dass die Verfolgung von Naziverbrechern nur ein Randphänomen war. Kein Wunder, denn der bundesdeutsche Nachkriegsstaat wurde weitgehend mit Kadern aus der Zeit des Faschismus errichtet. Besonders im Justizwesen kam es fast zu einer hundertprozentigen Übernahme der braunen Blutrichter. Nach dem Verbot der KPD 1956 standen wesentlich mehr Kommunisten vor deutschen Gerichten als Naziverbrecher. In Wahrheit war ab Ende der vierziger Jahre eine bestimmte Nazivergangenheit geradezu das geeignete politische Führungszeugnis, um in der restaurativen Bundesrepublik etwas zu werden. Nur gegen einige besonders "schräge Vögel" mußte (meist auf Druck von außen) vorgegangen werden.

Es ist kein Zufall, dass sich der legendäre hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer in Sachen Eichmann an den Staat Israel wandte. Er hatte kein Vertrauen in die bundesdeutschen Organe. Es herrschte ein Klima, dass Franz Josef Strauß in einer seiner Bierzeltreden so bediente: "Ein Volk das diese wirtschaftlichen Leistungen vollbracht hat, hat ein Recht darauf, von Auschwitz nichts mehr zu hören." Im Bundestag saßen damals viele Hohmänner, die die Verfolgung von Naziverbrechen einstellen wollten. Es wurde in der Verjährungsdebatte 1965 darauf verwiesen, "dass es schon immer in der Geschichte Kriegsverbrechen gegeben hätte" oder "auch die anderen hätten Verbrechen begangen".

Wer das frisch erschienene Buch von Marc von Miquels (Ahnden oder amnestieren? Westdeutsche Justiz und Vergangenheitsbewältigung in den sechziger Jahren) ließt, findet Zitate, die mehr als deutlich sind. So warb Rainer Barzel, mit dem Satz "Hitler ist Tod und Ulbricht lebt", 1965 für die "Ehre der deutschen Soldaten". Der ehemalige "Nationalsozialistische Kraftfahrer" (Strauß war NSKK Mitglied) F.J. Strauß erklärte 1965: "Die Verlängerung oder Aufhebung der Verjährung bedeutet eine Erschütterung der Geschichte, weil man damit dokumentiert, als ob nur die Deutschen Kriegsverbrechen begangen hätten". Strauß stand auf der Seite der Nazis, er wollte sie amnestieren.

Der Gesetzgeber hatte bereits 1960 die Verjährungsfrist für Totschlag verstreichen lassen, seitdem waren alle Verbrechen unterhalb von Mord oder Beihilfe zum Mord der Verfolgung entzogen. Das kam den braunen Mördern extrem entgegen, denn die bundesdeutsche Justiz ging in aller Regel nur von einzelnen Tätern aus, alle anderen Nazimörder galten als Gehilfen. Justiz, Bürokratie und Gesetzgeber haben lange Zeit zusammengewirkt um NS-Verbrecher auf kaltem Wege zu amnestieren. Mit dem Jahr 1965 sollte kein Nazimörder mehr belangt werden können. Dieser Versuch scheiterte vor allem an den Protesten aus dem Ausland. Auch im Jahr 1969 scheiterte die offene Reaktion damit, Naziverbrechen straffrei zu stellen. Die Verjährungsfristen wurden verlängert. In den siebziger Jahren erhitze sich die Debatte über den Umgang mit Naziverbrechern erneut. Der damalige bayerische Innenminister Alfred Seidl, forderte in dieser Zeit besonders intensiv die Freilassung seines ehemaligen Mandanten des "Hauptkriegsverbrechers" Rudolf Heß. Die "liberale" und "linksliberale" Öffentlichkeit reagierte empört auf solche Vorstöße.

Empört wurde im Jahr 1978 auch die Provokation des ehemaligen NS-Marinerichters Filbinger zurückgewiesen. Jener erklärte in seiner Funktion als Ministerpräsident von Baden-Württemberg: "Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein". Damit rechtfertigte Filbinger seine Todesurteile von Anfang Mai 1945. Der Rücktritt von Filbinger 1978 war ein Fortschritt. Dies kann auf das "Gesetz gegen die Verjährung von Mord" im Jahr 1979 keinesfalls übertragen werden. Denn der Bundestag konnte sich nicht dazu durchringen, explizit Naziverbrechen und Nazimorde von der Verjährung auszunehmen. Mit dem Bundestagsbeschluss wurden Naziverbrechen mit anderen Verbrechen beliebig austauschbar. Die Debatte im Bundestag 1979 war von der Formel Mord=Mord geprägt. Der Parlamentsbeschluss hatte allerdings den Vorteil, dass es für Nazimörder keine Amnestie gab. Die Gleichsetzung von Naziverbrechen mit anderen "Verbrechen" bedeutet jedoch eine Relativierung des nazistischen Genozides. Der Bundestagsbeschluss vom 3. Juli 1979 war ein weiterer Hosenknopf für einen neudeutschen Geschichtsrevisionismus und einem perfiden Opferkult.

"Wir alle sind Opfer"

Wenn jedes Verbrechen mit einem anderen Verbrechen bunt austauschbar ist, dann kann auch jeder "Opfer" sein. Natürlich wird mit der Parole "Wir alle sind Opfer oder Täter" konkretes beabsichtigt. Das Besondere am Hitlerfaschismus wird ausgeblendet. Tatsächlich wird im undifferenzierten "Täter Opfer Diskurs" verblieben, um beim spezifischen "deutschen Leid" anzugelangen. Das ist das Motto, unter dem das "Zentrum gegen Vertreibung" in Berlin gebaut werden soll. Unzählige Fernsehserien und Bücher behandeln den "Bombenterror" oder den Luftkrieg gegen Deutschland. Vor allem in den neuen Bundesländern entwickelt sich eine "Gedenkstättenkultur", die das DDR System mit dem Hitlerfaschismus gleichgesetzt wissen will. Die Erinnerungskultur verkommt zum esoterischen "Karma". Unterschiede zwischen Systemen werden ignoriert, Kriege werden mit Kriegen gleichgesetzt und historische Besonderheiten relativiert. Wenn alle Opfer und Täter zugleich sind, dann war Auschwitz nichts außergewöhnliches. Das kleinbürgerliche deutsche Gemüt erhält damit die Möglichkeit, sich im "eigenen Leid" zu aalen.

Historische Verantwortung und die Frage nach den Ursachen bestimmter Erscheinungen  (Bombenkrieg gegen Nazideutschland), verschwinden im Nebel des eigenen Opferstatutes. Der Bundestagsbeschluss von 1979, der keinen Mord mehr Verjähren ließ und damit dem Nazismus seinen besonderen Charakter nahm, war letztendlich ein wichtiger Baustein in dieser Entwicklung.

hagalil.com 05-07-2004

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