Allianz zwischen
Rechen und Islamisten:
Teufelspakt oder
Mogelpackung?
Die
eigentliche Gefahrenquelle einer Allianz zwischen Rechtsextremen und
Islamisten liegt weniger in möglichen Terroranschlägen, sondern in der
organisierten geistigen Brandstiftung im Nahen Osten
Von Jens Heibach
Irgendwann im Herbst 2002 gelangten die ersten Mutmaßungen über eine
neuartige Konstellation im gewaltbereiten bundesdeutschen Antisemitismus in
die mediale Berichterstattung. Ausgelöst durch die Anwesenheit der
NPD-Größen Udo Voigt und Horst Mahler bei einer Veranstaltung der
islamistischen Organisation Hisb ut Tahrir in der Mensa der TU Berlin
diskutierte man in Zeitungskommentaren bedrohliche Szenarien, die sich im
Kern um eine befürchtete Kooperation rechtsextremer und islamistischer
Kräfte in der Bundesrepublik drehten. Die Angst vor dem Zusammenwirken der
beiden radikalen Gruppen bei der Durchführung terroristischer
Anschlägen in Deutschland entfachte dann auch für kurze Zeit eine relativ
rege Debatte, Expertenmeinungen wurden bemüht, sogar die internationale
Presse berichtete.
Im Vergleich zur
damaligen Einschätzung der Lage wird dem Problem derzeit hingegen recht
wenig Aufmerksamkeit zuteil. Warnungen vor Bündnissen rechtsextremer und
islamistischer Aktivisten taugen – selbst im Rahmen der Meldungen zu den
Antisemitismus-Konferenzen der Vereinten Nationen und der OECD –
bestenfalls zu Randnotizen. Nun mag man argumentieren, dass dies an der
Beschaffenheit der heutigen Medienlandschaft liegt, die eher dazu zu neigen
scheint, Themen kurz und intensiv auszuschlachten, um sie, sobald ihr
Neuigkeitswert überlebt ist, stiefmütterlich abzutun. In diesem Falle greift
eine solche Erklärung jedoch zu kurz.
Sicherlich, radikaler
Islamismus und Rechtsextremismus bedienen sich desselben Pools abstruser
Argumentationsketten und überschneiden sich in ihrer ideologischen
Ausrichtung wie in praktischen Überlegungen. Nicht zuletzt aufgrund des
ähnlichen Charakters beider Ideologien prägte der amerikanische Publizist
Paul Berman vor kurzem den durchaus streitbaren Begriff des
"Islamofaschismus" und will im gegenwärtigen Islamismus eine Fortsetzung
totalitärer Bewegungen des 20. Jahrhunderts erkennen. Und dennoch, trotz
aller Gemeinsamkeiten hat sich der Verdacht der Zusammenarbeit beider
radikaler Kräfte bislang nicht erhärtet.
Der Hauptgrund hierfür
dürfte wohl in der Erklärungsnot zu finden sein, in welche die Scharfmacher
auf beiden Seiten bei der Propagierung eines solchen Zweckbündnisses
geraten. Denn wie gewinnt man einen religiösen Fanatiker für ein Bündnis mit
Ungläubigen? Oder wie überzeuge ich den xenophoben rechten Aktivisten, sich
vom verhassten Bild des Orientalen zu lösen, um von nun an brav Seite an
Seite mit ihm gemeinsame Sache zu machen?
So gesehen kann man kann die Verwunderung Shaker Assems, Chef
der Hisb ut Tahrir Deutschland, befragt nach der Anwesenheit Voigts und
Mahlers bei oben erwähnter Veranstaltung, nachvollziehen. Selbiger gab an,
die beiden prominenten Besucher gar nicht gekannt zu haben und erst im
nachhinein über deren Stellung aufgeklärt worden zu sein, er sehe im Übrigen
keinen Anlass für eine Zusammenarbeit seiner Organisation mit der
rechtsradikalen NPD. Dafür seien die jeweiligen Ansichten zu
unterschiedlich.
Überdies bleibt
fragwürdig, inwieweit ein Bündnis zwischen Rechtsextremisten und einer
hiesigen islamistischen Terrorzelle fortbestehen könnte, wären in
Deutschland erst einmal nicht-jüdische oder nicht-amerikanische
Einrichtungen von terroristischen Anschlägen islamistischer Gruppierungen
betroffen.
Export des westlichen
Revisionismus in den Nahen Osten
Die Frage, ob die
Einschätzung einiger Experten des Verfassungsschutzes, welche die
Wahrscheinlichkeit eines rechts-islamistischen Bündnisses in der
Bundesrepublik als eher gering einstufen, da die jeweiligen Ansichten zu
unterschiedlich seien, zutrifft, muss trotzdem gestellt werden.
Ein weitaus
alarmierenderes Bild ergibt sich nämlich in Hinblick auf den Export
revisionistischer Organisationsstrukturen in den Nahen Osten. Hinlänglich
bekannt ist, dass sich europäische antisemitische Stereotype dort in den
letzten Jahrzehnten zunehmender Beliebtheit erfreuen. Ein relativ neues
Phänomen allerdings ist das Aufgreifen der methodischen Holocaust-Leugnung
von ortsansässigen Protagonisten. Hilfestellung erhalten sie hierbei von
einschlägig bekannten europäischen Geschichtsfälschern, die den Nahen Osten
offenkundig als wichtige zukünftige Operationsbasis ausgemacht haben. Klar
ersichtlich wurde die Qualität dieser neuen Bedrohung erstmals im Vorfeld
der letztendlich gescheiterten Revisionistenkonferenz im Jahr 2001 in
Beirut. Jedoch hatte bereits vor jenem Zeitpunkt nahezu jeder namhafte
Revisionist in arabischen oder iranischen Medien die Möglichkeit erhalten,
seine pseudowissenschaftlich fundierten Hasstiraden frei zu äußern.
Wie salonfähig die
Holocaust-Leugnung als Totschlag-Argument gegen den Staat Israel in Nahost
geworden ist, kann man etwa an einer ebenfalls 2001 auf al Jazeera
ausgestrahlten Talkshow mit dem Thema "Is Zionism worse than Nazism?"
ersehen, in der sich eine Diskussionsteilnehmerin unverhohlen auf
revisionistische Quellen berief. In einer an die Sendung anknüpfenden
Internetbefragung schlossen sich 84,6 Prozent der Zuschauer dieser
Argumentationsweise indirekt an und bejahten die der Talkshow
zugrundeliegende Fragestellung.
Revisionistisches
Gedankengut erlebt gerade Hochkonjunktur im Nahen Osten, und es steht zu
befürchten, dass dessen Vertreter weiteren Zulauf erhalten werden. Ein
arabisches Pendant zu westlichen revisionistischen Einrichtungen, ein „Arab
Committee of Historical Revisionism“, ist bereits in Planung. Die Angst vor
der Kooperation zwischen islamistischen und rechtsextremen Kräften ist also
durchaus nicht falsch – nur erfolgt diese auf einer anderen Ebene und an
einem anderen Ort. Dies allerdings macht die Lage nicht weniger misslich.
hagalil.com
30-07-2004
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