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"UNSER CLAUS":
Der 20.Juli 1944 als Instrument deutscher "Erinnerungskultur"

Von Markus Ströhlein

Geschichte wird gemacht – zunächst natürlich von einer Gesamtheit in der Gegenwart handelnder Subjekte. Doch kaum ist dies geschehen, braucht es einen Namen, das Geschehene. Die Warte des Betrachters prägt die Worte und somit im Nachhinein auch die Vorstellung vom geschichtlichen Vorgang. "Drittes Reich", "NS-Zeit" oder "totalitäre Hitler-Diktatur"? Die historische Begriffsbildung ist ein heiß umkämpftes Gebiet.

Nicht anders verhält es sich bei den Aktivitäten, die schließlich im Anschlag auf Hitlers Leben am 20.Juli 1944 kulminierten: "Attentat", "Staatsstreich", "Aufstand des Gewissens" oder gar "das bessere Deutschland"? Zu den letzten beiden Optionen tendierten diejenigen, die alsbald in den Fünfziger Jahren das Projekt "Wir basteln uns einen bundesrepublikanischen Helden" ausriefen. Platz nehmen wollten vorerst nur wenige am Basteltischchen. Die Masse der dem Nationalsozialismus bis zuletzt ergebenen Endsieg-Soldaten nicht, für die das Attentat Verrat an Volk und Vaterland war. Die Masse der mit Schuldabwehr beschäftigten Deutschen nicht, verpuffte doch die Mär vom Nichtwissen und Nichts-Machen-Können angesichts der Existenz der verschiedenen Widerstandsgruppen.

So blieb es einem Kreis aus politischer Elite, Kulturschaffenden und Angehörigen überlassen, für Andenken zu sorgen. Im Berliner Bendlerblock, dem Ort der Erschießung Stauffenbergs und anderer Verschwörer, wurde bereits zum Attentats-Jahrestag 1952 der Grundstein für ein Ehrenmal gelegt, das 1953 enthüllt wurde.1955 taufte man die Bendlerstraße zu Attentäter-Ehren in Stauffenbergstraße um. (Zum Vergleich: 1953 wurde auf Drängen der Überlebendengruppe "Amicale Internationale" ein erstes Mahnmal außerhalb des Konzentrationslagers Neuengamme angebracht.) Der 1967 vom Berliner Senat gefasste Entschluss zur Einrichtung einer Bildungs- und Gedenkstätte führte 1968 zur Eröffnung einer ständigen Ausstellung zum Widerstand in der NS-Zeit. (Zum Vergleich: Den Verdrängungsrekord hält die Stadt Moringen, in der erst 1993 eine KZ-Gedenkstätte gegründet wurde.) Ein Doppelschlag filmischer Denkmalsetzung stand 1955 mit "Der 20. Juli" von Falk Harnack und "Aufstand gegen Hitler" von Georg Wilhelm Pabst ins Haus. 1971 nahm sich der Fernsehfilm "Operation Walküre" der Geschichte an, 2004 Jo Baiers ARD-Streifen "Stauffenberg". (Zum Vergleich: "Georg Elser – einer aus Deutschland", der erste Spielfilm über den gleichnamigen Hitler-Attentäter, entstand 1989.)

"Traditionsbildung", also das Anknüpfen an eine zum Mythos verklärte Geschichte, in der nach dem Vorjahresrummel um das "Wunder von Bern" nun Jubilar Stauffenberg zum Identifikationspunkt stilisiert wird, ist das Schlüsselwort. Die Formel vom "besseren Deutschland", das findet, wer nur tief genug in der braunen Barbarei wühlt, liest sich als gedenkrednerischer Widerhall wie folgt: "Die Frauen und Männer des Widerstandes sind zu geistigen Wegbereitern unserer Republik geworden" (Harald Wolf, Berliner Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen, 2003), oder "Sie taten dies, um…den Menschen in Deutschland ein freies, selbstbestimmtes und würdiges Leben zu ermöglichen" (Verteidigungsminister Peter Struck, 2003), bzw. "Der Widerstand hat Hitler nicht gestürzt, aber ein moralisches Fundament für den demokratischen Neubeginn nach Kriegsende gelegt" (Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit 2001). Die Rezivilisierung einer zwölf Jahre wütenden Nation wird nicht zum Verdienst der Alliierten, sondern zum eigenen Projekt erklärt. Und so glänzt die eingedeutschte Demokratie auf den Beinchen des Widerstands stehend nicht postnazistisch, sondern antinazistisch. Dass das beschworene freiheitliche Fundament ein großdeutsches, autoritäres und mit etlichen anderen Attributen eines Light-Faschismus ausgestattetes war, wie Dokumente aus dem Nachlass Stauffenbergs, Becks und Goerdelers zeigen, scheint nur wenig zu stören.

Denn was zählt, ist die aus der Geschichte zu schlagende Moral. Schon bald wurden Stauffenberg und seine Clique nicht mehr als Kronzeugen für, sondern gegen die Schuld der Masse der Deutschen einsetzbar. Adolf Heusinger, am 20.Juli 1944 als Chef der Operationsabteilung im Führerhauptquartier vor Ort, nannte als Generalinspekteur der Bundeswehr die Attentäter 1959 die "vornehmsten Zeugen gegen die Kollektivschuld Deutschlands". Der Tenor ist Konsens, im militärischen wie im zivilen Lager. So gewährte Manfred Stolpe auf einer Gedenkveranstaltung 2000 mittels Stauffenberg Amnestie: "Die mutigen Aktionen der Widerstandskämpfer bewahrten die Deutschen zudem vor einer pauschalen Verurteilung als ein Volk von willen- und gewissenlosen Mitläufern, von Mittätern Hitlers. Der 20.Juli unterstrich, dass Moral und Rechtsbewusstsein in vielen Deutschen lebendig geblieben war."

Mit derlei Moral und dem Maskottchen "Stauffenberg" bewaffnet, entdecken dann auch Kriegsgegner den unverkrampften Umgang mit dem Militär. Zum Ritual ist es unter der rot-grünen Regierung geworden, am 20.Juli am Bendlerblock eine Rekrutenvereidigung der Bundeswehr zu vollziehen. Nukleus der öffentlichen Gelöbnisse – "Tag und Ort sind auch eine Mahnung für uns, Verantwortung zu übernehmen…auch Verantwortung nach außen" (Struck 2003) – bildet die Eroberung der Moralhoheit gerade aus dem Nationalsozialismus heraus, um "immer mehr Menschen immer mehr Frieden und Stabilität zu ermöglichen", oder wie auch immer die völkische Zerstückelung Jugoslawiens in Koalition mit Ustacha-Faschisten und Islamisten sich euphemisieren lässt.

Doch nicht nur "Staat" läßt sich mit Stauffenberg machen, sondern auch "Volk", wie Manfred Stolpe anlässlich des Datums "20. Juli" vorschwebt: "Durch das Nachdenken über ein eigentlich gemeinsames deutsches Datum eröffnet sich auch die Chance, dass sich die Deutschen in Ost und West näherkommen, der schwierige Prozess des Zusammenwachsens befördert wird." "Erinnerungskultur" offenbart sich nicht als Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus und im Fall des Attentats auf Hitler an die Tat einzelner Menschen. Gedenken ist Arbeit an deutscher Identität, in der historische Subjekte Handelnde für das Kollektiv und Taten Mythen werden. "Die Erinnerung an das Geschehene ist Teil unserer nationalen Identität" nennt es die Resolution "Antisemitismus bekämpfen" des Bundestags vom 11.12.2003 – Deutsch zu sein durch das "Wir" des Massenmords bildet den perversen Kern der "Erinnerungskultur".

Mit Stauffenberg und dem Attentat des 20. Juli erhält sie eine weitere Nuance, denn die Verschwörer "haben Deutschland und seinen Menschen eine Hoffnung auf Vergebung geschenkt" (Struck 2003) – geläutertes Eins-Sein im Deutschsein, der Mythos "Stauffenberg" macht es möglich.

hagalil.com 15-07-2004

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