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Beispiel Weiden:
Integration von jüdischen Zuwanderern

Von Gabriele Brenner

Die jüdische Gemeinde Weiden in der Oberpfalz (ca. 42000 Einwohner) ist mit ihrer Größe, ihren Problemen und ihrer Geschichte typisch für die Klein- und Mittelgemeinden hier in Deutschland. An jüdische Gemeinden hierzulande besteht ein hoher Anspruch. Sie sollen die Zuwanderer in die Gemeinden integrieren und zudem auch noch in die Gesamtgesellschaft.

In Weiden waren Ende der 80-ziger Jahre nur noch 26 Mitglieder registriert – Tendenz weiter abnehmend. Mit dem Herbst 1994 trafen auch bei uns die ersten jüdischen Kontingentflüchtlinge ein, die uns das heutige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg zugewiesen hat. Sie wurden in einer ehemaligen US-Kaserne einquartiert.

• Seit 1994 hat Weiden bis dato ca. 1600 Kontingentflüchtlinge auf ihren ersten Wegen hier in Deutschland betreut. Die meisten sind nur in den ersten Monaten in Weiden, da es wenig qualifizierte Arbeitsplätze in dieser Region gibt.

• Die Mitgliederzahl der Gemeinde liegt mehr oder weniger konstant zwischen 300-350 Menschen mit ca. 150 nichtjüdischen Angehörigen, die anfangs genauso betreut werden.

Der Beginn der Zuwanderung hat von allen Beteiligten große Kreativität in der Problembewältigung erfordert, noch dazu, wenn die Vorstandschaft ehrenamtlich tätig ist.

Mittlerweilen gibt es ein eingespieltes Team aus zwei Sozialarbeiterinnen, einem Hausmeister, einer Rabbinerin, die Teilzeit arbeitet, und einem Vorstand, der sich seit letztem Herbst in der Mehrheit aus den Zuwanderern zusammensetzt.

Das Hauptaugenmerk der Anfangsarbeit war sehr stark auf den sozialen Bereich ausgerichtet, die religiöse Arbeit lief nebenher. Nachdem es in Deutschland so gut wie unmöglich ist, einen Rabbiner zu finden, fiel auch diese Arbeit in den kreativen Bereich.

Jüdische Kontingentflüchtlinge kommen aus einem atheistischen System und haben ihr Selbstverständnis des Jude-Seins zuvorderst "ex negationem" in der damaligen UdSSR erlebt, und auch heute sind die Nachwirkungen noch vorhanden. Dieses Nichtwissen um jüdische Religion, Tradition und Lebenswelt, macht es nicht unbedingt leicht, sich in den jüdischen Gemeinden einzufinden. Es ist also nicht verwunderlich, dass wir auch in der religiösen Erwachsenenbildung neue Wege gehen mussten.

Der Glücksfall kam dann mit Rabbinerin Gesa Ederberg, die wir 2001 in Teilzeit in die Gemeinde gewinnen konnten. Sie hatte die Idee, die religiöse Arbeit mit dem Spracherwerb zu verknüpfen.

Sprache – ihre sinnvolle Anwendung und das Erleben, nicht nur Brötchen kaufen zu können, sondern auch einen Film, ein Theaterstück in deutscher Sprache zu verstehen – ist für eine gelungene Integration unabdingbar.

Was aber noch für eine gelungene Sozialisation in die Gesellschaft beiträgt, ist die eigene Identitätsfindung. Die Formel ist einfach: Weiß ich, wer ich bin, wo meine Wurzeln liegen, so kann ich mich leichter meiner Umwelt und ihren Anforderungen stellen. Was lag also näher, als ein Experiment zu wagen.

Sprachkurse liefen in der Gemeinde fast schon seit Beginn der Zuwanderung immer nebenbei, häufig auch von den Zuwanderern selbst gehalten. Dabei auch für Gruppen, wie die Senioren, die aus der offiziellen Sprachförderung heraus gefallen sind.

Im Cornelsen-Verlag haben wir einen Partner bei den Bildungsmedien gefunden, der sich mit uns auf dieses Experiment einließ und die fachliche Seite für Deutsch als Zweitsprache abdeckte.

Die bewährte Didaktik des Cornelsen-Verlages und unsere jüdischen Inhalte, die wir versuchen, den jeweiligen Kapiteln anzupassen, ergeben schließlich das Arbeitsheft Pluspunkt Deutsch für jüdische Einwanderer, das ergänzend zum Lehrwerk Pluspunkt Deutsch eingesetzt wird. Wie so etwas aussieht, wird an der vorliegenden Beispiellektion 5 deutlich: "Wir essen" im Lehrwerk "Pluspunkt Deutsch" und "Wir essen koscher" im Arbeitsheft.

Die Weidener VHS als lizenzierter Sprachkursanbieter hat den "säkularen" Teil übernommen und bei uns in den Gemeinderäumen fanden sich die Teilnehmer der ersten Pilotgruppe an zwei Nachmittagen ein, um den jüdischen Teil zu erlernen. Dabei haben wir auf Lernen mit allen Sinnen gesetzt und beim Mittagessen auch gleich Kostproben jüdischer koscherer Küche geben können. Zusätzlich konnten auch an Ort und Stelle z.B. im Betsaal angesprochene jüdische Gebetssymbole besichtigt werden. Das Ganze fördert dann auch immer den sprachlichen Austausch – man kommt ins Gespräch – auf deutsch.

Die Teilnehmer erfahren somit "ihre Gemeinde" mit allen Sinnen und sehen auch, wo sie gebraucht werden. Wir haben in diesem Jahr beim Purimfest das Erlebnis gehabt, dass die Sprachkursleute, das Purimspiel selbst als Musical gestaltet hatten und auch für Kulissen und Kostüme verantwortlich zeichneten. Für alle tut es auch gut zu sehen, sie werden gebraucht und sie beginnen zu verstehen, was wie in der Gemeinde abläuft. Zudem haben wir erst kürzlich bei einem bundesweit für jüdische Gemeinden veranstalteten Seminar zur Gottesdienstführung auch feststellen können, dass sich "unsere Neuen" weit sicherer in diesem Umfeld bewegen. Des Deutschen sicherer – können sie sich auch den fachlichen Inhalten besser zuwenden und zugleich die Hemmschwelle überwinden, sich sprachlich einzubringen.

Durch den Aufbau der Lektionen kann dieser Sprachkurs auch ohne weiteres als Einzelkurs in den Gemeinden stattfinden, z.B. für spezielle Gruppen, wie Senioren. Diese sind, unserer Erfahrung nach, sehr an einem Spracherwerb interessiert, wollen sie sich doch auch mit ihrer Umwelt austauschen und gleichzeitig aber auch über jüdische Religion lernen.

Das Ganze hätte aber nicht bewältigt werden können, hätte sich nicht der Zentralrat der Juden in Deutschland von der Sinnhaftigkeit des Unternehmens überzeugen lassen und die Kosten dafür mit getragen.

Beabsichtigt ist, dieses Lehrwerk den Gemeinden nach Fertigstellung vorzulegen, und damit für die in fast allen Gemeinden durchgeführten Sprachkurse sowohl neue didaktische als auch fachliche Grundlagen zu legen.

Gleichzeitig zeigt diese Maßnahme aber auch, wie man Zuwanderer ohne Sprachkenntnisse über betreuende Organisationen einbinden kann. Mit dem Kennenlernen der eigenen Identität lassen sie sich so erst in ihre community und dann darüber in die Gesellschaft eingliedern.

Gabriele Brenner ist 3. ehrenamtliche Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Weiden (1987-1995: 3. Vorsitzende, 1995-2003: 1. Vorsitzende)
http://www.gabriele-brenner.de

Eine rabbinische Perspektive:
Pluspunkt Deutsch für jüdische Einwanderer

Jüdische Gemeinde Weiden
Ringstraße 17
92637 Weiden
Tel: 0961-32794
Fax: 0961-3812541
 

hagalil.com 30-06-2004

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