NPD in Senden:
Der Rechtsradikale ist immer der Gärtner
Unter Führung eines 22-jährigen
Gartenmarktverkäufers hat sich die NPD in Senden bei Ulm verankert.
Sogar das Simon-Wiesenthal-Center aus Los Angeles warnt - und die
Stadt vermietet aus Angst vor den Rechten keine Halle mehr
Von Rüdiger Bässler
taz vom 17.05.2004
Die Drei- bis Sechsjährigen im städtischen
Kindergarten Senden-Ay waren aufgeregt. Während einer Bastelstunde
versammelten sich draußen auf der Straße plötzlich Männer mit kurz
geschorenen Haaren. "Todesstrafe für Kinderschänder", skandierten
die Fremden lautstark. Das war am 19. April vergangenen Jahres.
Knapp ein Jahr später hat die rechtsradikale Partei in Senden bei
Ulm, einer Stadt mit 22.000 Einwohnern, Fuß gefasst. Inzwischen
verzichtet die Stadt sogar darauf, ihre Hallen zu vermieten - um die
rechtsradikale Partei wieder loszuwerden.
Beigetragen zu diesem Aufstieg hat vor allem der
22-jährige Gartenmarktverkäufer Stefan Winkler, heute Vorsitzender
des NPD-Ortsverbandes Senden. Noch vor ein paar Jahren saß Winkler
am Lagerfeuer und wetterte mit seinen Kameraden gegen den
verweichlichten Staat. Später versuchte er zunächst erfolglos,
politische Veranstaltungen in der Region zu organisieren. Vor allem
in Neu-Ulm, wo bis vor kurzem die heutige bayerische
CSU-Justizministerin Beate Merk im Rathaus saß, gelang es der NPD
nicht, städtische Räume anzumieten. Mal ging überraschend die
Heizung kaputt, mal hatte eine dringende Veranstaltung der
Stadtverwaltung Vorrang.
Am 2. März vergangenen Jahres dann aber trauten sich
die Jungnationalen in Senden mit einem "Lichtermarsch gegen den
drohenden Irak-Krieg" auf die Straße. Diesmal ging die Sache glatt:
keine Gegendemonstranten, kein Eingreifen der Polizei. Mutig
geworden sammelten Winkler und die Seinen nur drei Wochen später
Müll an den Stadträndern auf. Motto: "Junge Nationaldemokraten
räumen in Deutschland auf". Die in Senden aufgewachsene
Bundestagsabgeordnete der Grünen, Ekin Deligöz, erinnert sich, wie
bei den in der Stadt lebenden Ausländern Angst aufkeimte. Fast ein
Drittel der Bevölkerung setzt sich aus Migranten zusammen, in der
Mehrzahl aus der Türkei.
Am 13. Juni 2003 schließlich gründete sich im
Sendener Bürgersaal der NPD-Ortsverband Senden. Es war die erste
Veranstaltung der jungen Extremen in einem öffentlichen Gebäude, die
problemlos genehmigt worden war. Ungestört konnte der Schweizer
Auschwitz-Leugner Bernhard Schaub ein fröhliches Grußwort sprechen.
Doch erst Anfang dieses Jahres, nach einem Auftritt des
rechtsradikalen "Barden" Frank Rennecke Ende Januar in der Turn- und
Festhalle, empörten sich demokratisch gesinnte Sendener Bürger.
Sendens parteiloser Bürgermeister Baiker Kurt Baiker hatte erneut
die Vermietung der Halle verantwortet. Es sei rechtlich nicht
möglich gewesen, der NPD die Nutzung der Halle zu verwehren, so
seine Argumentation. "So elastisch muss eine Demokratie sein",
findet er bis heute. Für "Taschenspieler-Tricks" wie "kaputte
Glühbirnen" sei er nicht zu haben. Die Grüne Deligöz attackierte
daraufhin Baiker. Dieser habe als Bürgermeister "nicht politisch
gehandelt und sich hinter Paragrafen versteckt"; Linke organisierten
eine Kundgebung.
Angesichts des drohenden Imageschadens wurde Baiker
doch noch aktiv. Er versuchte, den Auftritt des NPD-Sprachrohrs
Horst Mahler im städtischen Heinigsaal zu verhindern. Kurzfristig
wurde der Saal mit einer Kunstausstellung belegt - ohne Erfolg. Das
Verwaltungsgerichts Augsburg hob das Saalverbot für die Rechten auf.
Die Niederlage wiederholte sich Anfang April - damals sprach der
NPD-Chef Udo Voigt in der Ayer Festhalle. Voigts Musterschüler
Winkler rief Senden im Überschwang seines Glücks sogar zum neuen
"nationalen Zentrum" der Partei aus. Vorher hatte er im Saal alle
Gäste "aus der schönen Stadt Braunau" begrüßt.
Inzwischen distanziert sich der Bürgermeister von den
Umtrieben der Rechten, glaubt aber, das Mögliche getan zu haben.
"Das Gericht hat doch der NPD den Weg in unsere Hallen frei
gemacht", beklagt er. Am liebsten wäre ihm, wenn Winkler aus der
Stadt "wegziehen" würde. Dass Mitte März sogar das
Simon-Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles Ministerpräsident Stoiber
vor dem Treiben in Senden warnte, erwähnt Baiker nicht. Inzwischen
gibt es in Senden sogar einen Vermietungsstopp für alle städtischen
Hallen. Nach Fertigstellung eines neuen Bürgerhauses habe die
Verwaltung derzeit "zu wenig Hausmeister für öffentliche Gebäude",
begründet Baiker. Mit der NPD habe das nichts zu tun.
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