Rezension:
Deutsche KommunistenDer Karl
Dietz Verlag Berlin brachte kürzlich ein Buch von Professor Hermann Weber
und Andreas Herbst unter dem Titel “Deutsche Kommunisten“ heraus. In dem
Handbuch finden sich die Biographien von 1400 führenden deutschen
Kommunisten in der Zeit zwischen 1918 bis 1945.
Mit dem Buch wurde eine historische Lücke geschlossen, denn bisher fehlte
ein spezielles Biographisches Handbuch über den deutschen Kommunismus. Das
Buch von Weber und Herbst ermöglicht, die Leitung der KPD über 25 Jahre, von
1918 bis 1945, nachzuweisen. Die Autoren beschreiben Herkunft und
Sozialisation, politische Aktivitäten und Karrieren der Führungspersonen
werden ebenso beschrieben, wie Opposition oder Anpassung an die jeweilige
Parteilinie, Einsatz für die KPD oder Bruch mit ihr sowie Verfolgung bis hin
zum häufig tragischen Lebensende.
Von Professor Hermann Weber stammt die Einleitung und von Andreas Herbst der
Anhang. Das fast tausend Seiten starke Buch ist eine Fleißarbeit und
verbindet die zeitgeschichtliche Forschung mit den aktiv handelnden
Personen. Diese Methodik hat in der Geschichtswissenschaft zugenommen, die
biographische Herangehensweise gibt den historischen Abläufen Fleisch und
Blut.
Der Wert des Buches
Das Buch bringt wichtige historische Fakten zutage. Von
den rund 300.000 Mitgliedern der KPD im Jahr 1932, befanden sich 150.000 in
der Zeit des Hitlerfaschismus für kürzere oder längere Zeit in Haftanstalten
oder Konzentrationslagern des Naziregimes. Die Nazis brachten 20.000
deutsche Kommunisten um. Die deutschen Kommunisten entrichteten damit von
allen deutschen politischen Richtungen den höchsten Blutzoll im Kampf gegen
den Hitlerfaschismus. Allein in den ersten beiden Jahren des Faschismus,
tötete die Nazidiktatur rund 2.000 Kommunisten.
Das “Biographische Handbuch“ legt Zeugnis ab, von den Versuchen der KPD
Führung in Deutschland aktiven Widerstand zu initiieren. Diese Versuche
hatten jedoch eine eigene Dramaturgie. Bekanntlich ging die KPD bis zum Jahr
1935 von einem “revolutionären Aufschwung“ in Deutschland aus. Der
Machtantritt der Nazis “könne an dieser Tendenz nichts ändern“ (Bericht
Fritz Heckert vor der Komintern am 1. April 1933).
Die KPD trug mit ihrer Politik, die Sozialdemokratie als “Sozialfaschisten“,
das Zentrum als “Zentrumsfaschisten“ und die Abweichler aus den eigenen
Reihen als “Trotzki“- oder “Brandlerfaschisten“ zu brandmarken, wesentlich
dazu bei, dass der Hitlerfaschismus lange Zeit unterschätzt wurde und eine
geschlossene Einheitsfront gegen den Faschismus nicht zustande kam. Das
Handbuch belegt, dass es gegen die ultralinke Politik der KPD ab 1928 sowohl
von ehemaligen Führungsleuten der KPD (meist ausgeschlossen) als auch
innerhalb der KPD Widerstand gab. Selbst in der KPD Führung gab es am Ende
der Weimarer Republik immer wieder Anflüge von Realismus.
Im Sommer 1932 rief die KPD Führung zum Generalstreik gegen den
Staatsstreich in Preußen auf, dabei unterbreitete sie der SPD- Führung ein
Einheitsfrontangebot. Die SPD lehnte ab und vertröstete die Arbeiter auf den
Staatsgerichtshof. Auch am 30. Januar 1933 propagierte die KPD den
Generalstreik gegen Hitler, die SPD lehnte neuerlich ab und wollte “legal“
handeln. Das löste seitens der KPD stets einen Rückfall im Kampf gegen den
“Sozialfaschismus der SPD“ aus. Für eine realistische Politik
(Arbeitereinheitsfront) gegen die NSDAP, traten gegen Ende der Weimarer
Republik der Leninbund unter Führung von Hugo Urbahns (aus der KPD 1927
ausgeschlossen, Urbahns galt als Linksabweichler) sowie die KPO von Heinrich
Brandler und August Thalheimer (Brandler war 1923 KPD Vorsitzender und
Thalheimer galt als Cheftheoretiker) ein. Daneben war die “Linke Opposition“
unter Anton Grylewicz und Oskar Seipold (Grylewicz war von 1925 bis 1927 im
ZK tätig, Seipold war bis 1932 im preußischen Landtag für die Linke
Opposition “Trotzkisten“) für einen radikalen Kurswechsel im Kampf gegen den
Nazismus. Auch Ruth Fischer und Arkadi Maslow (ehemalige Ultralinke
KP- Führung zwischen 1924 und 1925), standen plötzlich “Rechts“ was die
Taktik gegen die Nazis anging.
Das Biographische Handbuch belegt, dass je nach Zeit und Umständen, die
Funktionäre und Mitglieder einmal “Links“ und ein anderes mal “Rechts“
standen. So galt Heinrich Brandler 1921 als Linker (er warb für die
Offensivtheorie), ab 1923 galt er als Rechter. Brandler bewertete die
Revolutionschancen in Deutschland im Oktober 1923 skeptisch. Innerhalb der
KPD stellte sich 1928 die Gruppe um Ernst Meyer und Arthur Ewert der
ultralinken Wende (Kurs auf eigene Gewerkschaften, Sozialfaschismustheorie,
revolutionärer Aufschwung) entgegen. Die letzte Opposition innerhalb der KPD
wurde vor 1931 von Heinz Neumann, Hermann Remmele, Willi Münzenberg, Leo
Flieg und Kurt Müller gebildet. Dieser Opposition war es nicht mehr möglich,
ihre Gedanken der Mitgliedschaft zu unterbreiten. Unter Behinderungen
konnten das bis 1927 noch die “Linksoppositionellen“ „(Urbahns, Weber,
Fischer, Scholem) und im Jahr 1928 die “Rechten“ (Brandler, Hausen,
Thalheimer, Galm) und im Jahr 1929 die “Versöhnler“ (Meyer, Ewert, Eberlein,
Schumann) tun. Im Handbuch von Weber und Andreas Herbst wird das alles nur
kurz angerissen, aber der Leser wird mit einer umfangreichen Literaturliste
versorgt. Klar wird auf alle Fälle, dass es in der KPD und in ihrem Umfeld
theoretischen und praktischen Streit über die Frage gab wie eine humane,
klassenlose und von Unterdrückung freie Gesellschaft zu erreichen sei.
Selbstverständlich nahm die Frage, wie der Faschismus zu bekämpfen ist,
einen besonderen Stellenwert ein.
In dem umfangreichen Werk von Weber und Herbst, haben sich fast
unvermeidlich einige Fehler und Oberflächlichkeiten eingeschlichen. Dem 1929
gewählten ZK- Mitglied Paul Merker wurden nicht einfach “ultralinke Sünden
angehängt“, wie die Autoren schreiben. Nein, der Leiter der
Gewerkschaftsabteilung Merker (bis 1930) war damals ein spezieller
Ultralinker, in seiner Agitation setzte er den SPD Arbeiter mit der
Konterrevolution gleich, wogegen Hermann Remmele eine umfangreiche Polemik
im Theorieorgan “Internationale“ schrieb.
Der Charakter der KPD Führung
Fast alle Biographien belegen, dass der KPD Funktionär
schon in der Weimarer Republik mit der Polizei und dem Gefängnis
Bekanntschaft machte. Die Justiz in der Weimarer Republik war auf dem
rechten Auge blind, Kommunisten wurden verfolgt und nazistische Verbrecher
geschont. Das Führungskorps der KPD war relativ jung, so waren von den 1.400
Personen nur 20 vor 1870 geboren. Demgegenüber waren 54 Parteiführer erst ab
1908 geboren, daher vier Prozent dieser KPD- Kader von 1918 bis 1945 waren
1928 jünger als 20 Jahre. In der Parteiführung gab es nur wenige Frauen, 129
Frauen standen 1.273 Männern gegenüber. Frühere Arbeiter, Angestellte und
Intellektuelle bildeten das Hauptkontingent, der von der Partei bezahlten
Spitzenfunktionäre. Die Älteren unter den Führern wurden durch längere
Wanderschaften geformt, wobei sie die Länder Europas kennen lernten und
ihren Horizont erweiterten. Sie erlebten materielle Not und entwickelten in
der Arbeiterbildungsbewegung Wissensdurst und Lernbereitschaft.
Die Masse der Kader war durch die Erfahrungen des 1. Weltkrieges geprägt und
radikalisiert, viele wurden an die Fronten des Krieges gepresst. Die
späteren KPD Funktionäre kamen aus der SPD, der USPD und dem Spartakusbund.
Die KPD war eine Arbeiterpartei mit starkem Einfluss bei den ungelernten
Arbeitern. Der klassische Facharbeiter blieb in seiner Mehrheit der
Sozialdemokratie verbunden. Gegen Ende der Weimarer Republik waren nur noch
9% der KPD Mitglieder in den Betrieben beschäftigt. Die Partei hatte
Masseneinfluß bei den Erwerbslosen und eine bestimmte Anziehungskraft unter
der fortschrittlichen Intelligenz. Im November 1932 erreichte die KPD
anlässlich der letzten freien Reichstagswahl mit 6 Millionen Stimmen ihr
bestes Ergebnis. In der KPD Führung war ab Mitte der zwanziger Jahre der
Apparatmensch ohne eigene Meinung auf dem Vormarsch. Viele Charaktere
versuchten der Generallinie aus Moskau zu entsprechen.
Nach dem Machtantritt des Faschismus gab es nur sehr wenige Funktionäre und
Oppositionelle, die auf die Seite der Nazis überliefen. Die Verräter können
an zwei Händen abgezählt werden. Dazu gehörten die Reichstagsabgeordnete
Maria Reese, der Reichstagsabgeordnete Wilhelm Hein, der technische Sekretär
des KPD Vorsitzenden Thälmann, Kattner oder der ehemalige Bezirksleiter von
Ostpreußen, Werner Kraus. Der KPD Vorsitzende Ernst Thälmann nahm lieber 11
Jahre Haft in Kauf, als auf das Angebot von Göring einzugehen, eine
“Reueerklärung“ zu unterschreiben. Im August 1944 wurde Thälmann im KZ-
Buchenwald ermordet.
Werner Scholem, Bruder des bekannten jüdischen Religionsphilosophen Gershom
Scholem kam 1933 in das KZ. Der ehemalige Ultralinke KPD Führer Scholem
wurde als Jude und Kommunist besonders schwer mißhandelt. Im August 1940
ermordete die SS Werner Scholem in Buchenwald. Im Widerstand gegen den
Nazismus brachte auch die KPD (Brandler Thalheimer Gruppe) hohe Opfer.
Eine besondere Tragödie
Mehr als 400 der in dem Buch dargestellten Leben fanden
ein vorzeitiges, gewaltsames Ende. 222 Funktionäre fielen dem Hitlerterror
zum Opfer. Dass aber 178 KPD Kader Opfer des Stalin-Terrors wurden,
erscheint unglaublich. Die Emigration in der Sowjetunion wurde für viele
KPD-Leiter zur Todesfalle. Mit Sicherheit sind sie schwerer gestorben, als
ihre Genossen in Hitlerdeutschland. Aus dem Politbüro von 1929 wurde ein
Kommunist von den Nazis ermordet (Ernst Thähmann), aber vier (Leo Flieg,
Heinz Neumann, Hermann Remmele, Fritz Schulte) fielen den Säuberungen in der
Sowjetunion zum Opfer. Von 59 ehemaligen Politbüro Mitgliedern (Polbüro)
wurden drei in den Kämpfen 1919 ermordet, sechs fielen dem Hitlerterror und
sieben (wahrscheinlich acht) dem Stalinterror zum Opfer. Besonders
bemerkenswert ist die Tatsache, dass die jüdischen Kommunisten und KPD
Funktionäre (Fritz David und Moses Lurje) in dem Prozeß gegen Sinowjew und
Kamenjew 1936 gestehen mussten, “Agenten der Gestapo und Trotzkis“ zu sein.
Die anderen KPD Funktionäre wurden meist still und heimlich um die Ecke
gebracht. Weder ein Hans Kippenberger (Leiter des Militär -Apparats der
KPD), noch ein Hermann Schubert (bis 1935 führend im Politbüro) wurden vor
ein öffentliches Gericht gestellt. Wäre Heinz Neumann 1934 von der
Schweiz an Hitlerdeutschland ausgeliefert worden, statt Asyl in der
Sowjetunion zu erhalten und von den Nazis umgebracht worden, hätte man nach
ihm in der DDR einige Schulen und Straßen benannt. Nachdem er aber einfach
in Rußland verschwand, wurde er zur Unperson erklärt, über die nicht
gesprochen wurde. In der offiziellen DDR Geschichte wurde ihm bestenfalls
die alleinige Verantwortung für die ultralinke Politik der KPD vor 1933
zugeschoben.
Ließt man die Biographien der in der Sowjetunion ermordeten deutschen
Kommunisten, dann fällt folgendes sofort auf, meist wurden in der
Sowjetunion Funktionäre ermordet, die ein eigenes Profil hatten und
demzufolge mit einer Portion Selbstbewusstsein ausgestattet waren. Entweder
handelte es sich um gute und bekannte Redner oder sie hatten sich in der
KPD- Geschichte irgendwann einmal oppositionell betätigt. Daneben gab es
auch einige stets linientreue Funktionäre, die in der damaligen Moskauer
Atmosphäre einfach denunziert wurden. Überlebt hat das Exil in Russland der
arbeitsame, mittelmäßig begabte Apparatschik, vom Typ Ulbricht oder das alte
Schlachtross Wilhelm Pieck, der zwar bis drei zählen konnte, dies aber oft
verbarg.
Fazit
Das Buch von Weber und Herbst ist empfehlenswert, um
offene Fragen in der Geschichte der Arbeiterbewegung zu diskutieren und auch
neu voranzukommen. Die Lebensläufe der deutschen Kommunisten können helfen,
in Zukunft Fehler und Tragödien zu vermeiden. Denn wer sich des Vergangenen
nicht erinnert ist häufig dazu verdammt, es in bestimmten Formen noch einmal
zu erleben.
Max Brym
hagalil.com
20-06-2004 |