Künstler fordern Distanzierung von der sog. "Judensau":
Die antisemitische Schweinerei am Regensburger Dom
Bischöfliches Ordinariat denunziert
Künstler bei der Polizei, bedauert nichts und findet Information
"kontraproduktiv"
Von Wolfram P. Kastner und Günter Wangerin
Institut für Kunst und Forschung, München
Im April 2003 schrieben wir an das Domkapitel und an das
bischöfliche Ordinariat in Regensburg und regten an, bei der
judenfeindlichen Skulptur am Regensburger Dom eine Informationstafel
anzubringen, die eine klare Distanzierung von dem menschenfeindlichen
Ungeist des katholischen Judenhasses enthält.
Sowohl vom Generalvikar des Bischofs, Dr. Wilhelm
Gegenfurtner, als auch vom Weihbischof Vinzenz Guggenberger erhielten wir
Antwortschreiben, in denen mit keiner Silbe das Bedauern und eine
Distanzierung erklärt wurden. Stattdessen wurden wir an das staatliche
Hochbauamt verwiesen. Weihbischof Guggenberger versuchte in seinem Schreiben
die katholische Kirche von jeder Schuld reinzuwaschen und verstieg sich
dabei zu dem Satz "Vertreter der Katholischen Kirche waren auch von den
Nazis verfolgt, wie die Angehörigen des jüdischen Volkes." Diese
Gleichsetzung widerspricht allen historischen Tatsachen. Es scheint ihm
nicht bewusst zu sein, dass – wenn es schon um Volkszugehörigkeit geht - die
verfolgten Juden Angehörige des deutschen Volkes waren. Ist diese verbale
Ausgrenzung nur ein lapsus linguae?
Das Staatliche Hochbauamt schwieg zunächst.
Erst als nach unserer Aktion bei der sog. "Judensau" in
Cadolzburg der bayerische Finanzminister dort eine Tafel anbringen ließ und
wir dies im Januar 2004 dem Hochbauamt mitteilten, erhielten wir ein
Schreiben. "Der Umgang mit der Darstellung der sog. 'Judensau' war bereits
in der Vergangenheit Gegenstand von Erörterungen" zwischen dem Freistaat und
dem Domkapitel. "Wir werden Ihr Schreiben zum Anlass nehmen, diese Thematik
neuerlich zu diskutieren." Vom Kultusministerium erhielten wir die
Auskunft "Die Angelegenheit wird in unserem Hause noch geprüft."
Es geht – angesichts eines offenbar zunehmenden
Antisemitismus – darum, sich endlich eindeutig zu erklären und zu handeln.
Für Erörterungen und Prüfungen in Ämtern und Ministerien war mehr Zeit als
genug. Herausgekommen ist bisher nichts dabei.
Um diese hinhaltende Drückebergerei zu beenden, begannen wir
am Sonntag, den 16. Mai 2004 um 11.00 Uhr eine Kunstaktion vor dem
Regensburger Dom. Bei unseren Interventionen an anderen Saustellen zeigte
sich, dass insbesondere junge Menschen das unfeine Schweigen der
Verantwortlichen unerträglich finden und entweder die Entfernung dieser
steinernen Hetzbilder verlangen oder zumindest eine distanzierende
Erklärung.
Davor fürchtet sich das bischöfliche Ordinariat und
versuchte, die Kunstaktion und die öffentliche Diskussion zu verhindern. Die
Polizei wurde alarmiert und mit falschen Informationen versehen. Wir würden
den Gottesdienst stören wollen, eine ungenehmigte Versammlung abhalten und
eine Tafel anbringen.
Nein das sollen nach unserer Auffassung die verantwortlichen
kirchlichen und staatlichen Stellen tun! Wir hängten uns Tafeln um mit der
Aufschrift "Judensau am Regensburger Dom", informierten Passanten, Touristen
und Kirchenbesucher in Gesprächen und mit einem Informationsblatt. Schon das
wollten die anwesenden staatskirchlichen Uniformträger verhindern.
Bei entsprechenden Aktionen in Köln, Nürnberg, Heilsbronn und
Cadolzburg hatten wir nie Probleme mit den Ordnungskräften. In Regensburg
aber scheint noch das Mittelalter zu herrschen.
Das bischöfliche Ordinariat denunzierte uns bei der Polizei –
ganz offenbar in der Absicht, uns zum Schweigen zu bringen. Ach hätten sie
doch noch die Möglichkeit, mit Folter und Scheiterhaufen für Ordnung zu
sorgen – sie täten's wohl.
Wir schwiegen nicht und fanden viel Interesse und Zustimmung
bei Jung und Alt.
An der Kirchenmauer hing ein Transparent "Kommt und seht!"
Als wir das schwer auszusprechende Wort aus der christlichen
Tradition der Hetze auf das Pflaster schreiben und einen Pfeil an der Mauer
nach oben ziehen wollten – damit zu sehen ist, was die katholischen Generäle
und Vikare nicht antasten wollen - sprang ein Polizist herbei und
beschlagnahmte nach dem ersten Buchstaben Pinsel und Farbe um sie dem
Staatsanwalt zu überbringen. Wegen Sachbeschädigung von Granitpflaster mit
wasserlöslicher Farbe. So steht also nur ein großes "J" auf dem
Kopfsteinpflaster.
Fotos: © Wolfram P. Kastner
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Laut Verfassung ist die Kunst auch in Bayern frei. In
Regensburg ist das vielleicht noch nicht allen geläufig. Kein Wunder bei so
viel mittelalterlichen Fassaden. Da kann es schon mal passieren, dass etwas
Mittelalter auch in dem einen oder anderen Kopf fort lebt. Auch der Herr
Generalvikar Gegenfurtner scheint noch nicht in der Gegenwart angekommen zu
sein. Der hat immer noch nicht verstanden, dass es – nach Auschwitz und bei
anwachsendem Antisemitismus - allmählich an der Zeit wäre, sich ganz
souverän und öffentlich in klaren Worten von der katholischen Hetze gegen
Juden zu distanzieren und öffentlich Bedauern auszudrücken über die
Mitverantwortung der Kirche für die Ermordung von Millionen europäischer
Juden.
Der Herr Generalvikar findet das "kontraproduktiv". Er
scheint produktiv gar nichts zu bedauern. Das ist mehr als bedauerlich.
Der Regensburger Dom wird aber auf unsere Kosten erhalten.
Also wird die bayerische Staatsregierung dafür sorgen müssen, dass die
kirchlichen Hetzbilder nicht unkommentiert bleiben. Selbst wenn das dem
Herrn Bischof und seinem General Gegenfurtner nicht passen sollte. Auch in
Cadolzburg wurde auf unsere Intervention hin vom Bayerischen Finanzminister
eine Information bei der dortigen Sauerei angebracht. Wir bieten unsere
Unterstützung bei der Formulierung des Textes für eine Tafel am Regensburger
Dom an.
Öffentliche Distanzierung von der "Judensau" in
Cadolzburg:
Staatliche Sau-Skulptur erhält
einen distanzierenden Kommentar
hagalil.com 21-05-2004 |