Ältester der Bundesversammlung:
Ausgerechnet Hans FilbingerPresseerklärung
Das Forum Justizgeschichte, ein Zusammenschluss von
rund 300 Juristinnen und Juristen, Historikerinnen und Historikern und
anderen Bürgern, kritisiert die Benennung des früheren Ministerpräsidenten
Hans Filbínger als Wahlmann zur Bundesversammlung für die
Bundespräsidentenwahl durch die baden-württembergische CDU.
In diesem Akt sieht das Forum Justizgeschichte den
erneuten Versuch, den früheren NS-Marinerichter Filbinger zu rehabilitieren
und ein gründliches Nachdenken über die Justizgeschichte zu verhindern.
Als besonders beschämend bezeichnet das Forum Justizgeschichte die Tatsache,
dass die Bundesversammlung von einem NS-Schreibtischtäter eröffnet wird und
nicht mehr von einem Opfer dieser Unrechtsjustiz. Die baden-württembergische
CDU verhindert mit der Benennung des 90-jährigen Filbingers, dass der
89-jährige Prof. Hans Lauter, der im Jahre 1936 vom Volksgerichtshof wegen
Widerstandes gegen das NS-Regime zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt worden
ist, diese Funktion übernimmt.
Filbinger hat als Marinerichter und -staatsanwalt an mindestens drei
Todesurteilen gegen Deserteure des Zweiten Weltkrieges mitgewirkt.
Am bekanntesten davon ist der Fall des Matrosen Walter Gröger: Gröger hatte
im Dezember 1943 in Oslo versucht, zu desertieren. Vor dem Kriegsgericht zog
sich der Fall lange hin. Eine zunächst verhängte Strafe von acht Jahren
Zuchthaus wurde von dem „Gerichtsherrn“ nicht akzeptiert. Als Filbinger in
das Verfahren eintrat, hatte sich an den grundlegenden Fakten nichts
geändert. Filbinger fügte sich aber der Forderung des „Gerichtsherrn“ und
erwirkte die Todesstrafe. Unter der Aufsicht von Filbinger wurde der
22-jährige Gröger am 16. März 1945 von dem Exekutionskommando erschossen.
Eine Benachrichtigung der Eltern hielt Filbinger nicht für nötig.
Auf die Forderung des „Gerichtsherrn“ nach der Verhängung der Todesstrafe
kann sich Filbinger nicht berufen. Mit etwas Zivilcourage hätte er gegenüber
dem „Gerichtsherrn“ Bedenken gegen die Weisung erheben können. Das hätte ihm
keine unzumutbaren Nachteile gebracht. Bis heute ist kein einziger Fall
bekannt, in dem ein Militärjurist wegen einer missliebigen Entscheidung
persönlich gemaßregelt worden wäre. Die Handlungsspielräume auch eines
Militärjuristen hat Filbinger ersichtlich nicht zu Gunsten Grögers genutzt.
Der militärische Dienstvorgesetzte hatte zuvor Gröger als „hoffnungslosen
Schwächling“ bezeichnet.
Noch am 29. Mai 1945 – drei Wochen nach Kriegsende – verurteilte
Filbinger den Matrosen Kurt Olaf Petzold zu sechs Monaten Gefängnis wegen
Erregung von Missvergnügen, Gehorsamsverweigerung und Widersetzung. Das
Vergehen des Matrosen: Er hatte nach Kriegsende demonstrativ das
Hoheitszeichen mit dem Hakenkreuz von seiner Kleidung entfernt, schlechte
Haltung beim Antreten im Glied gezeigt und einen Quartier-Umzugsbefehl mit
den Worten verweigert „Ihr habt jetzt ausgeschissen, ihr Nazihunde“.
Der Schriftsteller Rolf Hochhuth hat Filbinger mit Recht einen „Furchtbaren
Juristen“ genannt (Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 13. Juni 1978).
Es geht nicht nur darum, das Filbinger sich in die kriegsverlängernde
Mordmaschinerie der Wehrmachtsjustiz hat einspannen lassen. Disqualifiziert
hat er sich auch durch die Selbstgerechtigkeit, mit der er sich zu dieser
Mitwirkung stellte, und durch den Ausspruch „Was damals Recht war, kann
heute nicht Unrecht sein“. Uneinsichtig zeigte sich Filbinger auch sonst. Er
stilisierte sich zu einem heimlichen Widerstandskämpfer und stellte sich als
Opfer einer „gelenkten Rufmordkampagne“ hin.
Mit der formal korrekten Behauptung, es gebe kein einziges Urteil von ihm,
durch das ein Mensch sein Leben verloren habe, versuchte er darüber hinweg
zu täuschen, dass er die Todesurteile als Ankläger erwirkt hatte.
Wolfenbüttel, 20.05.2004
für das Forum Justizgeschichte e.V.
Dr. Helmut Kramer (Vorsitzender)
Hans-Ernst Böttcher
Dr. Volker Drecktrah
Klaus Eschen
hagalil.com
21-05-2004 |