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In Kassel war viel Neues über Franz Rosenzweig zu hören:
Sternzeichen des Denkens

Von Thomas Meyer
Süddeutsche Zeitung, 08.04.2004

Franz Rosenzweig hatte sich 1921 in seinem dreiteiligen Hauptwerk "Der Stern der Erlösung" ganz der Zeit gemäß viel vorgenommen: Die "Philosophie von Ionien bis Jena" wollte er fundamentaler Fehlanalysen überführen und in der Folge die bisher angewandte "Methode des Denkens" durch eine "Methode des Sprechens" ersetzen. Dieses von Rosenzweig als "neues Denken" bezeichnete Programm nahm seinen Ausgangspunkt bei der Unmöglichkeit, dass Mensch, Welt und Gott in irgendeiner Weise gegenseitig herzuleiten oder zu verstehen seien.

Dieser Anspruch führte Rosenzweig nicht nur zur Totalrevision philosophischer Grundbegriffe, sondern auch zu der Frage, ob das "neue Denken" überhaupt noch Philosophie sei. Es war unter anderem dies Motiv, die Philosophie über ihre traditionellen Grenzen hinauszuführen, das Karl Löwith zu dem häretischen Satz verleitete, Martin Heidegger habe nur einen einzigen Zeitgenossen gehabt: Rosenzweig.

Daran wollte sich nach dem Zweiten Weltkrieg hierzulande niemand mehr erinnern. Die von 1976 bis 1984 erarbeitete Werkausgabe fand abgesehen von branchenüblichen Mäkeleien keine Beachtung. Erst mit der von Wolfdietrich Schmied-Kowarzik 1986 anlässlich des 100. Geburtstages in Kassel organisierten Tagung wurde Rosenzweig in Deutschland wieder wahrgenommen. Vergangene Woche lud Schmied-Kowarzik erneut in Rosenzweigs Geburtsort ein, um fünf Tage lang eine Bilanz der neuen Forschungen zu ziehen.

Nicht der Kulturkritiker Rosenzweig stand dabei im Mittelpunkt des Interesses, sondern der Philosoph und Interpret von Hermann Cohen und Martin Heidegger. Peter Gordon etwa legte in seiner luziden Lektüre die Gemeinsamkeiten und Differenzen mit Heidegger offen und wies nach, dass Strukturanalogien noch lange keine Verwandtschaftsverhältnisse begründen. Reiner Wiehl rekonstruierte Rosenzweigs "Stern" aus der Ambition, Philosophie mittels Destruktion, Reduktion und Konstruktion neu zu schaffen. Dass Wiehl Rosenzweigs theologische Reflexionen gezielt beiseite ließ, hatte durchaus Sinn: nimmt er doch im "Stern" eine Neubestimmung von Christentum, Heidentum und Judentum vor, die nur schwer als Folge der philosophischen Thesen verstanden werden kann. Auch der in Kassel unterbreitete Vorschlag, Rosenzweigs Theologie mit Gogarten und Barth zu lesen, führte nicht weiter.

Leora Batnitzky hingegen insistierte zu Recht darauf, dass die Frage nach der Stellung von Rosenzweigs "neuem Denken" zwischen Philosophie und Theologie nur dann zu entscheiden sei, wenn es gelinge; die eigentümliche Theoriemischung aus deutschem Idealismus, Cohenschem Neukantianismus und liturgischen Elementen genauer zu lokalisieren. Dieser Forderung schloss sich Norbert Samuelson an, ohne jedoch schon Batnitzkys Anspruch einlösen zu können. Klar scheint jedoch zu sein, dass bei Rosenzweig nicht mehr von einer "Existenzphilosophie" gesprochen werden kann, wie es noch Else-Rahel Freund in ihrer Pionierstudie von 1933 annahm.

Während Pierfrancesco Fiorato Rosenzweig in die zeitgenössischen hermeneutischen Debatten einordnete, überraschte Michael Zank mit der These seines fulminanten Vortrages: der Dichterphilosoph sei ein geschickter Mythenschöpfer gewesen. Rosenzweig leitete 1924 die "Jüdischen Schriften" Cohens ein, und nicht wenige halten den Text bis heute für die Darstellung des "wahren" Cohen. Zank konnte jedoch zeigen, dass hier der fromme Wunsch der Vater des Gedankens war. Rosenzweig habe sich seinen Cohen zurecht gelegt, damit er besser mit ihm umgehen konnte.

Wie hilfreich die Kontextualisierung Rosenzweigs sein kann, zeigte sich, als Ze'ev Levy ihn mit Emmanuel Lévinas in Beziehung setzte und Micha Brumlik die facettenreiche Lektüre von Leo Strauss darstellte. Besonders bei Brumlik wurden die Umwege des Denkens im 20. Jahrhundert in aller Schärfe erkennbar. Während Strauss nicht mit äußerst ambivalenten Bemerkungen zu Rosenzweig zu dessen Lebzeiten aufwartete, widmete er ihm in den sechziger Jahren die amerikanische Ausgabe seiner Spinoza-Studie. Auch wenn Brumlik die letzten Gründe dieser Neubesinnung nicht benennen konnte, überzeugte sein Vorschlag, die selten in einem Atemzug genannten Autoren miteinander zu konfrontieren.

Schließlich wurde auf dem anregenden Kongress eine Franz Rosenzweig-Gesellschaft gegründet. Es wäre wünschenswert, dass nach der Vermessung von Rosenzweigs Denklandschaft die Gesellschaft eine kritische Ausgabe der Werke in Angriff nimmt. Ein erster Anlauf, initiiert von der 1930 gegründeten Franz Rosenzweig-Gedächtnisstiftung und ihrem Ehrenpräsidium unter Ernst Cassirer, konnte nach der nationalsozialistischen Machtergreifung nicht mehr realisiert werden.

hagalil.com 09-04-2004

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