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Regionalwahlen in Frankreich:
Wirtschafts- und sozialpolitischer Protest bestimmte den Wahlausgang

Die extreme Rechte bleibt, ohne Zuwachs, auf hohem Niveau

Von Bernhard Schmid, Paris

Die wirtschafts- und sozialpolitischen Themen haben den Ausgang der französischen Regionalparlamentswahlen dominiert. Auf diesem Gebiet wurden besonders die Regierungsparteien, die konservative Sammlungsbewegung UMP und die christdemokratische UDF, von den Wählern abgestraft.

Regionalparlamentswahlen in Frankreich:
Neue Wahlerfolge der extremen Rechten in Sicht?

Reportage von der Abschlussveranstaltung des Front National im Pariser Wahlkampf

Über ein Drittel der französischen Wähler und Wählerinnen hat erklärtermaßen in letzter Minute darüber entschieden, wem ihre Stimme zukommen sollte. Letztendlich fiel die Tendenz zugunsten der etablierten Linksparteien aus - von den Sozialdemokraten über die Grünen bis zur Kommunistischen Partei. Sie erhielten zusammen im landesweiten Durchschnitt 40 Prozent der Stimmen, gegenüber knapp 34 Prozent für die bürgerliche Rechte.

Voraussichtlich wird die sozialdemokratisch geführte Linkskoalition bei der Stichwahl am kommenden Sonntag rund ein halbes Dutzend bisher konservativ geführter Regionen übernehmen. Bislang regierten Konservative und Liberale 14 französische Regionen und Sozialdemokraten die übrigen acht. Als zusätzliches Stimmenpotenzial können die etablierten Linksparteien auch auf einen Teil der knapp 5 Prozent hoffen, die für die marxistische radikale Linke abgegeben wurden.

Tröstlich ist dabei, dass voraussichtlich in der Stichwahl auch jene konservativen Regionalbarone dabei fallen werden, die sich nach der letzten Regionalparlamentswahl 1998, mit den Rechtsextremen verbünden hatten - um (koste es was es wolle) im Amt zu bleiben, auch gegen den Willen der eigenen Parteiführungen. Jacques Blanc in Montpellier und Jean-Pierre Soisson in Dijon werden derzeit nur geringe Chancen eingeräumt, am kommenden Sonntag eine Mehrheit zu erhalten, mit deren Hilfe sie vom Regionalparlament wieder gewählt werden könnten.

Der dritte Bündnispartner des FN nach dem März 1998, Charles Baur in Amiens, bewirbt sich ohnehin nicht um seine Wiederwahl. An seiner Stelle tritt als bürgerlicher Kandidat für die Regionalpräsidentschaft (der nordfranzösischen Picardie) Gilles de Robien an; dieser potenzielle Nachfolger war wenigstens 1998 klar gegen das Bündnis mit dem FN. Gilles de Robien, heute Transportminister in der konservativen Regierung Raffarin, hatte damals seine Mitgliedskarte bei der liberal-konservativen UDF öffentlich zerrissen, weil er die Bündnisse mehrerer UDF-Parteifreunde verurteilte. Und auch unter de Robien hat das bürgerlich-konservative Lager momentan, allem Anschein nach, in der Picardie nur sehr geringe Siegeschancen. Und der vierte Übeltäter im März 1998, Charles Millon in Lyon, wurde bereits im Januar 1999 vom Regionalparlament wieder gestürzt, nachdem sich ein Teil der Bürgerlichen (die bis dahin Millon unterstützt hatten) mit den Sozialisten zusammengetan hatte, um den anrüchigen Regionalpräsidenten los zu werden. Millon amtiert seit einem Jahr auf dem Posten eines französischen Botschafters bei der Welternährungsorganisation FAO.

Bei dem Votum vom Sonntag dürfte es sich weniger um eine ungetrübte Zustimmung zu den jetzt erfolgreichen Parteien handeln, denn diese waren vor zwei Jahren bei den Präsidentschaftswahlen für ihre damalige fünfjährige Regierungsbilanz unter Lionel Jospin sanktioniert worden. Wohl aber handelt es sich um ein Warnsignal an die jetzige Regierung, die den Abbau sozialer und rechtsstaatlicher Standards in derart beschleunigtem Tempo vorangetrieben hat, dass die Erinnerung an die Vorgängerregierung Jospin dadurch im Nachhinein in scheinbar rosiges Licht getaucht wird.

Der rechtsextreme Front National

Befürchtet wurde aber, dass die Terrorangst ­ unter anderem nach den Anschlägen von Madrid - der extremen Rechten zugute kommen könnte. Diese erhielt am Sonntag rund 17 Prozent der Stimmen. (Das amtliche Endergebnis weist einen Anteil von 16,26 Prozent aus, doch sind dabei neben den 22 Regionen des europäischen Frankreich auch die vier "Übersee-Territorien" berücksichtigt. Um ein besseres Bild zu erhalten, sollte man diese bei der Berechnung der rechtsextremen Stimmenanteile besser nicht mitrechnen.)

Davon entfallen 15 Prozent oder, nach dem amtlichen Endergebnis, 14,79 Prozent auf den Front National (FN) von Jean-Marie Le Pen und der Rest auf seine Abspaltung unter Bruno Mégret sowie auf rechtsextreme Regionalisten, die vor allem im Elsass gut abschnitten. Dort erhielt der FN 18,5 Prozent, während die Liste "Alsace d¹abord" (Elsass zuerst) des früheren FN-Funktionärs Robert Spieler weitere 9,5 Prozent erhielt. Damit bleibt die extreme Rechte im Elsass, mit global 27 Prozent der Stimmen, auf einem ihrer höchsten Pegelstände in ganz Frankreich.

Damit schnitt die extreme Rechte aber - global gesehen ­ nicht höher ab, als es seit Monaten erwartet war; vielmehr blieb sie sogar hinter den Vorhersagen mancher Beobachter leicht zurück. Der FN kann nunmehr in voraussichtlich 18 von insgesamt 22 französischen Regionen in die Stichwahl am nächsten Sonntag ziehen, als dritte Kraft neben der Koalition aus Sozialdemokraten, Grünen und KP sowie neben den Konservativ-Liberalen. Dabei hat er allerdings nirgendwo auch nur halbwegs realistische Chancen, künftig die Regionalregierung zu stellen.

Insgesamt hatte die extreme Rechte rund drei Millionen WählerInnen, und erhielt 285.000 Stimmen mehr als bei der vorherigen Regionalparlamentswahl (bei der sie 15,3 Prozent landesweit erzielte). Dabei ist allerdings auch die Wahlbeteiligung leicht gestiegen, von rund 58 Prozent beim letzten Mal auf über 61 Prozent bei diesem Mal.

In den Tagen vor der Wahl war bereits sehr viel von der extremen Rechten die Rede gewesen. Ein Artikel des konservativen Wochenmagazins Le Point (vom 18. März) hatte der Stimmabgabe für die extreme Rechte vorab eine Rationalisierung verliehen: Die Wähler des FN stimmten gar nicht so sehr für einen rassistischen und autoritären Kandidaten, sondern vor allem für den, der den etablierten Politikern den größten Schrecken einjagen. Das mag bei einem Teil der FN-Wählerschaft, die sich im zurückliegenden Jahrzehnt in eine Stammwählerschaft von knapp 10 Prozent und einen Anteil an Wechselwählern teilen lässt, zutreffen. Freilich wurde auf diesem Wege dieser pervetierte "Protest" von vornherein entschuldigt.

Dass die Ergebnisse des FN manche Befürchtungen eher leicht unterschritten haben, deutet darauf hin, dass es letztendlich vor allem die sozial- und wirtschaftspolitischen Protestmotive waren, welche die Wahl entschieden haben. Zwar versuchte auch die extreme Rechte, den sozialen Unmut auf diffuse Weise zu bedienen. Der FN machte teilweise Wahlkampf gegen die "soziale Unsicherheit". Das war ein geschickter Schachzug: Im Präsidentschaftswahlkampf 2001/02 hatten Linke und Antirassistischen den Tiraden des FN - aber auch denen vieler Kandidaten aus den etablierten Parteien ­ zur "Inneren Sicherheit" entgegen gehalten, die wahre Verunsicherung der Gesellschaft sei sozialer und wirtschaftlicher Natur; das wachsende subjektive "Sicherheitsbedürfnis" sei nur eine Verkleidung der objektiv gesellschaftlich begründeten Zukunftsangst. Der FN stellte jetzt diese Argumentation einfach auf den Kopf: Die "soziale Unsicherheit" sei einfach ein Aspekt des wachsenden "Niedergangs" und der Dekadenz des Vaterlands, und sei nur die Kehrseite der Medaille der "kriminellen Unsicherheit". Beide werden so in ein äußerst diffuses, aber wirksames Bedrohungsgefühl zusammengeführt.

Völlig ist diese Rechnung aber nicht aufgegangen. Der Front National wird in voraussichtlich 18 (von 22) Regionen in der Stichwahl präsent bleiben. Aber er hat keinerlei realistische Chancen, eine Regionalregierung zu übernehmen (oder sich an ihr zu beteiligen, mangels Bündnispartners).

Einzelergebnisse der extremen Rechten

In der südostfranzösischen Region PACA (Provence ­ Alpes ­ Côte d¹Azur) schnitt die extreme Rechte, den Erwartungen entsprechend, stark aber nicht übermäßig hoch ab. Das bedeutet, dass der Front National hier, wie seit langen Jahren in Südostfrankreich (wo bspw. besonders viele ehemalige Algerienfranzosen angesiedelt wurden) üblich, deutlich über dem Landesdurchschnitt liegt, aber dennoch keine Siegeschance hat. Damit wird auch die Entscheidung von Jean-Marie Le Pen, der letztendlich doch nicht wirklich Spitzenkandidat sein wollte, verständlicher...

Die FN-Ergebnisse in PACA liegen knapp oberhalb der Meinungsumfragen vor der Wahl, die im 22 Prozent im ersten Wahlgang vorhersagten. Die FN-Liste unter Guy Macary, der an Le Pens Stelle die Spitzenkandidatur übernommen hatte, erhielt 22,95 Prozent. Hinzuzurechnen sind 2,94 Prozent für den MNR, die Partei Bruno Mégrets. Damit liegt die extreme Rechte in einer Region, die als eine ihrer Hochburgen gilt, knapp unterhalb der 26 Prozent. Bei den vorigen Regionalparlamentswahlen, im März 1998, hatte der (noch nicht gespaltene) FN in der Region 26,5 Prozent erhalten. Damit blieben wenigstens Zuwächse aus.

Andere hohe Wahergebnisse des FN finden sich in der nordfranzösischen industrielle Krisenregion Nord-Pas de Calais, nahe der belgischen Grenze. Der FN-Generalsekretär Carl Lang (einer der Initiatoren der "sozialen Wende" von Mitte der Neunziger Jahre) hatte 1998 hier noch 15,3 Prozent erhalten. Dieses Mal erzielte er 18 Prozent (exakt sind es 17,95 Prozent), zuzüglich 1,2 Prozent für den MNR.

Eine weitere absteigende Industrieregion ist die benachbarte Picardie, ebenfalls in Nordfrankreich. Hier erzielte der Front National sogar 23 Prozent (genau 22,94 Prozent), ohne Konkurrenz durch den MNR. Es handelt sich um das zweithöchste FN-Ergebnis landesweit, nach Südostfrankreich. Der regionale Spitzenkandidat des FN, Michel Guiniot, war auf landesweiter Ebene völlig unbekannt und genoss weit weniger Publizität als etwa die FN-Liste in PACA, nach dem Medienspektakel um Jean-Marie Le Pens theatralen Rückzug als Spitzenkandidat. Daher ist anzunehmen, dass der französische Journalist (u.a. bei der jüdischen Wochenzeitung "Actualité juive") und Kenner der extremen Rechten Jean-Yves Camus Recht hat, wenn er am heutigen Montag erklärt: "Die Wähler des FN stimmen nicht mehr länger so stark für eine Person, sondern für ein Etikett." Man könnte das als Symptom für eine sich verstärkende Verankerung des FN, auch teilweise unabhängig von Jean-Marie Le Pen (jedenfalls solange dieser auf nationaler Ebene präsent bleibt), ansehen.

Dagegen schnitt die extreme Rechte mit der Hoffnungsträgerin Marine Le Pen in der Ile-de-France, also dem Großraum Paris, unterdurchschnittlich an. Der FN mit seiner Spitzenkandidatin erhielt 12,2 Prozent und der MNR 1,1 Prozent. Da der (noch ungespaltene) FN hier vor sechs Jahren noch 16,3 Prozent erhielt, kann ein Rückgang des rechtsextremen Stimmenanteils i in der Region um rund drei Prozent konstatiert werden.

Auch der Schwiegersohn und frühere Kommunikationsberater von Jean-Marie Le Pen, Samuel Maréchal (er ist nicht mit Marine Le Pen, sondern mit ihrer Schwester Yann verheiratet), scheiterte mit seiner Kandidatur zum Regionalparlament in Nantes. Seine Liste in der westfranzösischen Region Pays-de-la-Loire (Untere Loire) erhielt 9,7 Prozent und scheiterte damit knapp an der Zehn-Prozent-Hürde; hinzu kommen noch 2,5 Prozent für den MNR. Anders als im Falle von Marine Le Pen kann man das aber nicht als persönliches, schwaches Ergebnis auslegen. Denn wie in anderen westfranzöischen Regionen auch, ist der Front National hier traditionell schwächer als im Landesdurchschnitt. Tatsächlich wurde lange Zeit als Faustregel angegeben, dass die FN-Ergebnisse östlich einer Linie von Le Havre (im Norden) nach Perpignan (im Süden) stärker werden ­ denn hier liegt das vormals industrialisierte Frankreich, das Frankreich der Krisenzonen, das Frankreich der städtischen Ballungsräume. Westfrankreich mit seinen eher ländlichen und katholischen Traditionen weist zwar eine überdurchschnittlich starke bürgerliche Rechte, aber nur geringe Stimmenanteile für den FN auf.

hagalil.com 19-03-2004

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