Die Situation in Kosova:
"Mit den Serben habe ich nie Probleme gehabt"
Von Max Brym
Albin Kurti war in den neunziger Jahren Vorsitzender der albanischen
Studentenunion in Kosova. Einige Zeit war Kurti Sekretär von Adem Demaci.
Demaci war bis März 1999 politischer Sprecher der UCK. Er trat von diesem
Posten wegen der Unterzeichnung des Vertrages von Rambouillet durch die
albanische Delegation zurück. Albin Kurti wurde im Jahr 1999 in ein
serbisches Gefängnis verschleppt, welches er erst nach drei Jahren wieder
verlassen konnte. Zu den aktuellen Ereignissen in Kosova nahm Kurti
folgendermaßen Stellung: "Mit den Serben habe ich nie Probleme gehabt. Sogar
die Gefängniswärter waren für mich Menschen wie alle anderen auch."
Scharf distanzierte sich Kurti von den barbarischen Aktionen
gegen serbische Zivilisten, Häuser und Kirchen. Bekanntlich kam es zwischen
dem 17. und 18. März zu schweren Ausschreitungen gegen die serbische
Minderheit in Kosova. Insgesamt starben 28 Menschen, rund dreihundert Häuser
wurden niedergebrannt und viele serbische Kirchen zerstört. In der Stadt
Prizeren gibt es keine serbisch-orthodoxe Kirche mehr. In Prizeren befindet
sich das Hauptquartier des deutschen Militärkontingents in Kosova. Nach
Augenzeugenberichten wurden die serbischen Einrichtungen von einer
radikalen, kriminellen Minderheit unter den Albanern angegriffen. Dennoch
zog sich das deutsche Kontingent umgehend zurück und schützte die serbischen
Einrichtungen nicht. Dieses Verhalten ist den meisten Bewohnern Prizerens
absolut unverständlich. Im Westen gibt
es oberflächliche Kommentare in der Presse, die den Albanern kollektiv die
Schuld für die begangenen Taten zuschreiben. Einige Kommentatoren erwecken
gar den Eindruck, als ob die internationalen Militärkräfte bewußt mit
albanischen Nationalisten kooperieren. Das sind wilde Spekulationen, die an
der Realität vorbeigehen. Für die UNMIK, wie für die Bundesregierung, sind
alle Einwohner Kosovas Eingeborene, egal ob Serbe, Albaner oder Roma.
Allerdings hat die Kolonialbehörde mitbekommen, dass sie bei allen
Nationalitäten unten durch ist. In Kosova sind offiziell 60% der Einwohner
ohne Arbeit. Ein Mensch ohne Arbeit erhält in Kosova kein Arbeitslosengeld
und ein Rentner maximal 35 Euro Rente im Monat. Der Euro ist Landeswährung,
die Preislage läßt sich mit der in Deutschland vergleichen. Kosova ist laut
einer Studie der OSZE das ärmste Land in Europa. Sämtliche wirtschaftlichen
Versprechungen der UNMIK haben sich in Luft aufgelöst und die politische
Zukunft des Gebietes ist ungewiß. Die UNMIK wird in Kosova von den Albanern
Armik, zu deutsch Feind genannt. In
dieser Lage versuchen die internationalen Organe, mit der Methode teile und
herrsche ihre Position zu halten. Deshalb duldeten deutsche Soldaten die
Angriffe auf serbische Einrichtungen, denn der Fortbestand des nationalen
Haders sichert die UNMIK-Herrschaft ab. Die Verantwortung für die Übergriffe
gegen serbische Zivilisten und Einrichtungen muß demzufolge der UNMIK
angelastet werden. Der einzige Machtträger in Kosova ist die UNMIK, somit
trägt sie auch die Schuld für alles was passiert ist. Über die UNMIK sagte
Albin Kurti: "Die UNMIK hat einfach zuviel Macht - es ist entwürdigend für
uns. Absolute Macht korrumpiert absolut. Als Legislative, Exekutive und
Judikative, alles zugleich, kann die UNMIK sich hier alles leisten." Was sie
allerdings nicht leistet, ist die Entwicklung einer ökonomisch-politischen
Perspektive und sie gewährleistet den Bürgern Kosovas keine Sicherheit.
"Sie haben einfach zugesehen" berichtet Uk Lushi über das
Verhalten von britischen Soldaten. Uk Lushi (er schrieb vor einigen Monaten
eine lesenswerte Artikelreihe in Koha Ditore über die Rettung der Juden in
Albanien in der Zeit der Nazibesatzung) war, als die Übergriffe losgingen,
in der Wohnung seiner Eltern. Er weiß zu erzählen: "In der Wohnung über
meinen Eltern wohnen zwei britische Polizisten, die waren verschwunden als
der Ärger anfing". Lushi zürnt der UNMIK, die nichts zuwege bringt und für
alle negativen Erscheinungen die Albaner kollektiv haftbar macht. Wie er
selbst auf die Übergriffe gegen serbische Zivilisten reagierte, macht er mit
folgenden Worten klar: "Mir tat es in der Seele weh zu sehen, wie unsere
Leute Feuer an serbische Häuser gelegt haben. Aber diese Handvoll
Randalierer haben mit uns nichts zu tun. Wenn die internationale Polizei nur
gewollt hätte, wäre sie spielend mit diesen Rabauken fertig geworden. Ich
selbst habe das Milosevic- Regime bekämpft, nicht meine serbischen
Nachbarn." Auch seine Wut richtet sich hauptsächlich gegen die UNMIK. "Die
verhindern" nach Lushi, "keine Übergriffe und bringen wirtschaftlich nichts
auf die Reihe". Lushi hat recht, die Wirtschaft liegt auch 5 Jahre nach dem
Kriegsende am Boden. Nur wer bei den UNMIKs einen Job hat, lebt halbwegs
gut. Lushi erklärt dazu: "Ein Übersetzer für die UNMIK verdient 1.000 Euro
im Monat, ein Professor an der Universität 160 Euro, da stimmen die
Dimensionen nicht." Selbst dem deutschen Grafen Nikolaus Lambsdorff,
Koordinator der UNMIK für Wirtschaftsfragen, scheint ein kleines Licht
aufzugehen. "Machen wir uns nichts vor", sagt er an seinem Schreibtisch im
UNMIK-Hauptquartier, "Kosovo ist ein Dritte Welt Land und die Frustration
ist verständlich". Zudem gesteht Herr Lambsdorff ein, "die Leute von den
internationalen Organisationen haben einen Lebensstil, von dem die Albaner
nur Träumen können". Lambsdorff seufzt, "der Maßstab ist verrückt hier, es
klafft ein riesengroßer Abgrund zwischen Realität und Wunsch".
Wird die Lektion gelernt?
Die Ereignisse vom 17. und 18. März waren dramatisch, brutal
und irrational. Der nationale Konflikt verhindert, dass die Menschen vor Ort
lernen, wem diese Konfrontation in Wirklichkeit nützt. Die Bindung der
serbischen politischen Kräfte in Kosova an Belgrad ist kontraproduktiv. Es
kann keine Perspektive für die Serben sein, ein bosnisches Modell für Kosova
anzustreben. Die Serben müssen begreifen, dass ihnen diese politische
Orientierung nur Unglück und physische Angriffe einbringt. Die Albaner haben
zu erfassen, dass jeder Angriff auf Zivilisten anderer Nationalität, ihrem
Anliegen nach einem unabhängigen und demokratischen Kosova schweren Schaden
zufügt. Viele in Kosova haben diese
Vernunft und begreifen, dass die nationale Konfrontation nur anderen
staatlichen Mächten nützt. Die albanische politische Führung tut viel, um
die Lage zu entschärfen. Am Tage vor der Beerdigung der zwei im Fluß Iber
ertrunkenen Kinder appellierten die Eltern via Television an alle Einwohner
Kosovas: "Mißbraucht den wahrscheinlichen Mord an unseren Kindern nicht für
Rache- und Gewaltaktionen". Eine Mutter sagte: "Davon wird mein Junge nicht
mehr lebendig." Die Regierung von Kosova hat beschlossen, 5 Millionen Euro
für den Wiederaufbau der serbischen Kirchen zur Verfügung zu stellen. Scharf
verurteilte Ministerpräsident Bajram Rexhepi die barbarischen Akte und
forderte die Bevölkerung auf, mit den Serben zusammen deren zerstörte Häuser
wieder zu errichten. Verschiedene albanische politische Führer appellierten
an die serbische Bevölkerung, das Angebot anzunehmen und sich nicht von
Belgrad für Teilungsabsichten mißbrauchen zu lassen. Es steht das Angebot
für eine offene demokratische Gesellschaft. Dies sollte von links her
genützt werden in der klaren Erkenntnis, dass eine Lösung weder vom
serbischen Staat noch von der UNMIK zu erwarten ist. Eine Lösung kann nur in
Kosova selbst gefunden werden.
Quellen: Kosovainfo.de kosovapress@com 23.3.04 Koha Ditore 25.3.04 Kosova
Sot 22.3.04 Epoka E Re 24.3.04
hagalil.com 26-03-2004 |