Die Macht der Zeichen:
10 + 5 =
Gott
Ausstellung
im Jüdischen Museum Berlin
25. Februar - 27. Juni 2004
Am Anfang war
das Wort. Oder der Buchstabe? Oder die Zahl? Wie die elementarsten Zeichen
ihre Macht im Spannungsfeld von religiöser Tradition und moderner Welt
entfalten – das ist das Thema der Ausstellung "10 + 5 = Gott. Die Macht der
Zeichen". In elf Räumen widmet sie sich Fragen rund um die deutsch-jüdische
Geschichte: Warum ist die 13 für Juden eine Glückszahl, in der christlichen
Tradition aber eine Unglückszahl? Weshalb sind für gläubige Juden die
hebräischen Buchstaben heilig? Was unterscheidet die jüdische Zeitrechnung
von der christlichen? Und was hat es mit dem rätselhaften Titel der
Ausstellung auf sich?
Rund 350
Originalobjekte, mediale Installationen und inter-aktive Stationen werden in
ungewöhnlichen Inszenierungen und Kombinationen präsentiert. Spielfiguren,
wissenschaftliche Messgeräte, mathematische Modelle, Gemälde, Torazeiger und
Filme sind ebenso zu sehen wie Rechen- und Lesefibeln, Telefonbücher,
Lochkarten, Statistiken, Stadtpläne und kabbalistische Schriften.
Das Zeichen
als Universalcode
Erst mit der Ankunft des Messias wird der 23. Buchstabe des hebräischen
Alphabets bekannt. 10+5 ergibt nicht nur 15, sondern Gott: Die
Buchstaben-Zahlen-Identität des Hebräischen macht es möglich, denn hier hat
ein Buchstabe einen Zahlenwert. Die Ordnung der Dinge in der Moderne ist die
Erfolgsgeschichte des Zeichens, vor allem der Zahl. Sämtliche Lebensbereiche
werden von ihm erfasst, abstrahiert und geordnet. Das Zeichen selbst
unterläuft alle Trennungen zwischen Natur- und Geisteswissenschaften oder
Technik- und Kunstgeschichte. In der Ausstellung zu sehen ist "Das Universum
der Zahlen", ein interaktiver neun Meter langer Tisch, der Hunderte von
Geschichten rund um die Welt der Zahlen enthält, die bei Berührung ihr
Geheimnis preisgeben.
Rikuz/Concern, Israel, 1940
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David Tartakover Collection, Tel Aviv |
Warum ließ
Goebbels "Monopoly" verbieten?
Das erste deutschsprachige Monopoly nahm sich die Stadt Berlin zum
Vorbild. Mit 8.000 Reichsmark Miete war die Insel Schwanenwerder die
teuerste Adresse auf dem Spielfeld. Reichspropagandaminister Goebbels ließ
das Spiel 1936 als "jüdisch-spekulativ" verbieten. Ein Grund dafür mag
gewesen sein, dass er selbst auf Schwanenwerder residierte. Die hebräische
Monopoly-Variante, 1940 in Palästina produziert, weist lokale Besonderheiten
auf: So ist das wichtigste Verkehrsmittel das Flugzeug, und jedes farbige
Feld stellt eine Stadt, einen Kibbuz oder eine Ansiedlung dar. Am teuersten
sind die Küstenstädte Haifa und Tel Aviv, am billigsten Orte in der
Negevwüste. Wer sich aufs falsche Feld würfelt, landet nicht im Gefängnis,
sondern muss nach Ägypten ziehen.
Was lernen
Mädchen beim Sticken?
Nach der Tradition sind jüdische Mädchen nicht zum Tora-Studium
verpflichtet. Die sie betreffenden religiösen Gesetze sollen sie aber
kennen. Seit dem 17. Jahrhundert war es üblich, Sticktücher als Lehrmittel
zu verwenden. Als Stickereimotive wurden die arabischen Ziffern, hebräischen
und lateinischen Zeichen so auch für Mädchen zum Lerninhalt.
Wer
begründete die abstrakte Algebra?
Als eine der ersten Frauen in Deutschland erhielt Emmy Noether
(1882-1935) die Lehrbefugnis an einer deutschen Universität. Und das in
einem Fach, das nicht unbedingt als weibliche Domäne gilt: Mathematik. Emmy
Noether gilt als die Begründerin der abstrakten Algebra und als die
bedeutendste Mathematikerin ihrer Zeit. Mit ihr wird das mathematische
Institut in Göttingen in den 1920er Jahren zum Zentrum mathematischer
Forschung. Im April 1933 wird die Jüdin, Sozialistin und Pazifistin aufgrund
des Nazi-Gesetzes zur "Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" beurlaubt,
darf nicht mehr lehren und muss in die USA emigrieren.
Alt-Berliner Hausnummernschild, Nr. 13, © Alexander Klose |
Würden Sie in
ein Haus mit der Nummer 13 ziehen?
Charlottenburg 9, Nußbaumallee 17, so lautete die Berliner Adresse des
Erfinders der Zwölftonmusik, Arnold Schönberg. Glücklich war er mit diesen
Nummern nicht. Als abergläubischer Mensch hatte er eine so große Furcht vor
der Zahl 13, dass er sie sogar in seinen Kompositionen vermied. Doch schien
ihn das Leben immer wieder auf genau diese Zahl zurückzuwerfen: Wie er
ausrechnete, ergibt 9 (die Nummer des Bezirks Charlottenburg) plus 17 (seine
Hausnummer) das Ergebnis 26, und das ist 2 mal 13. Aberglaube oder Zufall -
Arnold Schönberg wurde an einem Dreizehnten geboren und starb auch an einem
solchen. Mit seiner Angst vor der Unglückzahl 13 war Schönberg wahrlich
nicht allein. Ein Berliner Hauseigentümer bat im Jahr 1910 die
Stadtverwaltung, sein Grundstück von Hausnummer 13 in 12a umnummerieren zu
dürfen. Die abergläubischen Mieter hatten sein Haus mit der Unglücksnummer
gemieden, wodurch ihm Mietausfall entstanden war.
Was verbindet
die Kabbala mit Ernst Jandl?
Während des Ersten Weltkriegs entstand in Zürich und Berlin der Dadaismus.
Die Dadaisten Raoul Hausmann und Kurt Schwitters präsentierten in
Aufführungen und Veröffentlichungen ihre Lautgedichte, die vom Publikum als
skan-dalös empfunden wurden, weil sie sich den tradierten Ebenen des Sinns
verweigerten. Der österreichische Lyriker Ernst Jandl spricht in seinem 1969
entstandenen, vokallosen Gedicht eine alte kabbalistische Weisheit aus: "Es
sind Vokale, die der Sprache Leben einhauchen." Im "Arkanum" sind daher
Hörstationen eingerichtet, an denen diese Lautgedichte zu hören sind.
Kreisförmige Diagramme zu den 72 Namen Gottes, Abraham
Abulafia, Italien, 15. Jh.
© The British Library, London |
Wie wird aus
einem "Material Girl" ein "Spiritual Girl"?
In Madonnas Musikvideo zum zwanzigsten James Bond - Film "Stirb an einem
anderen Tag" tauchen eine ganze Reihe jüdischer und kabbalistischer Motive
auf. (Mehr zu diesem Thema ist im Essay "Madonna, die 72 Namen Gottes und
eine postmoderne Kabbala" von Boaz Huss im Ausstellungskatalog nachzulesen).
Die Buchstaben, die im Video auf Madonnas Arm tätowiert sind, bilden nach
jüdischer Überlieferung einen der 72 heiligen Namen Gottes. Die 72 Namen
Gottes wurden in jüdischen Kulturen des Mittelalters und der frühen Neuzeit
vor allem unter Kabbalisten populär. Sie wurden mit göttlichen Kräften in
Verbindung gebracht und für magische und mystische Zwecke gebraucht. Der
Legende nach wurde der Golem im mittelalterlichen Prag auf diese Weise zum
Leben erweckt. Der Essay von Boaz Huss, Professor für Jüdische Studien an
der Ben Gurion University of the Negev, verweist auch auf eine
zeitgenössische kabbalistische Gruppe, das "Kabbalah Centre" unter der
Leitung des Rabbiners Philip Berg, mit Zweigstellen in aller Welt. Durch die
Rekrutierung von Prominenten hat es große Medienaufmerksamkeit gefunden. Den
Klatschspalten zufolge zählen neben Madonna auch Elizabeth Taylor, Barbra
Streisand, Mick Jagger, Britney Spears und Demi Moore zu seinen Anhängern.
Kann Ernie
von der Sesamstraße Hebräisch?
Kinder können dem berühmten Graf Zahl lauschen, wie er von seinem ersten
Schultag berichtet. Oder seinem Freund Ernie, wie er das hebräische Alphabet
aufsagt. Kinder bis zur 6. Klasse, die an einer Kinderführung durch die
Ausstellung teilnehmen, können bei dem Spiel "1, 2 oder 3..." mitmachen und
einen Preis gewinnen.
Reisepass für Graf Zahl, 2003
© Landeseinwohneramt Berlin;
Foto © 2004 Sesame Workshop.
All rights reserved.
Weitere
Informationen:
http://www.10plus5gleichgott.de/
hagalil.com
26-02-2004 |