Wegen Jopie Heesters:
Unversöhnliche Holländer gegen gerührte Deutsche
Von Max Brym
Er ging nicht
ins Maxim, dennoch wurde es am Montag den 9. Februar bei "Beckmann" sehr
intim. Johannes Heesters vergoss Tränen als ihn Reinhold Beckmann in seiner
Sendung fragte, "Wie Holland auf seinen hundertsten Geburtstag vor einiger
Zeit reagierte". Zuerst antwortete Heesters noch kurz, er habe "nicht eine
Karte, nicht ein Wort erhalten auch vom Konsulat nichts". Als Beckmann in
der TV Talkshow nachhakte, brach Heesters in Tränen aus und konnte nicht
weiter sprechen.
Seine Ehefrau
griff ein und erklärte: "Ich hoffe, dass es doch noch zu einer Versöhnung
kommt, es ist sein größter Wunsch". TV Profi Reinhold Beckmann zeigte sich
nach der Sendung betroffen und die deutschen Feuilletons regierten erzürnt
über die hartherzigen Holländer. Die Münchner AZ titelte am 10. Februar:
"Königin verzeiht Heesters nicht" und "Die Tränen rühren Deutschland, lassen
aber die Niederlande kalt".
Woher rührt
die Härte der Niederländer?
Johannes
Heesters war einer der erklärten Lieblingsschauspieler Hitlers. Der
Holländer Heesters machte im nazistischen Deutschland schnell Karriere. Oft
besuchte Hitler seine Auftritte im Münchner Gärtnerplatztheater. Herr
Heesters begab sich oftmals in die Führerloge, um mit den Braunen zu
schwadronieren. Er turnte durch diverse Unterhaltungsfilme des
Propagandaministeriums und gab den Liebhaber und Herzensbrecher. Vor einigen
Jahren tauchte ein Bild auf, das Heesters im Mai 1941 mit dem
Lagerkommandanten von Dachau bei einem Rundgang durch das KZ zeigt. Heesters
bemerkte dazu in seinen Memoiren: "Wir bekamen ein normales Häftlingslager
gezeigt oder was man sich darunter vorstellte".
Wer aber im Mai
1941 Seite an Seite mit einem KZ- Kommandanten das Konzentrationslager
Dachau besuchte, musste unglaublich naiv sein, um nichts zu sehen und zu
erkennen. Herr Heesters machte seinen Song "Ich werde hundert Jahre alt,
darauf könnt ihr bauen" in ziemlich geistiger Frische wahr, von Naivität
keine Spur. Das biblische Alter sei ihm gegönnt, aber auch die konsequente
Haltung des holländischen Staates. Normalerweise ist es in vielen deutsche
Feuilletons und sonstigen Blättchen üblich, rührende Geschichten über
Königinnen zu erzählen. Bezüglich der Königin Beatrix von Holland ist das
momentan nicht gegeben. Sie wird als hartherzig dargestellt, weil für sie
eine Versöhnung mit der nazistischen Barbarei und ihren Clowns nicht in
Frage kommt.
Der
Pressesprecher der niederländischen Botschaft Jan Boeles sagte nach dem
Gastspiel von Heesters bei Beckmann: "Herr Heesters ist vor Hitlers
Machtergreifung nach Deutschland gezogen. Die meisten Holländer kennen ihn
gar nicht, sehen ihn als Deutschen. Und die, die ihn noch kennen, haben ihm
seinen Auftritt im KZ- Dachau nicht verziehen." Zum runden Geburtstag von
Heesters titelte die Zeitung "De Volksgrand": "Heesters ist 100 - Keine
Blumen". In der Tat, in Holland kann es sich keine Person des öffentlichen
Lebens leisten, mit Herrn Heesters in Verbindung gebracht zu werden. Thom
Meens, Ombudsmann bei "De Volksgrand" erläuterte der AZ: "Hätte ein
ranghoher Niederländer Herrn Heesters gratuliert, hätte dies bei uns einen
Sturm der Entrüstung ausgelöst".
Vor einiger Zeit
engagierte sich ein bekannter Filmhistoriker bei Königin Beatrix für Jopie
Heesters – wie ihn das deutsche Feuilleton liebevoll nennt. Erst Wochen
später erhielt er eine kühle Antwort durch Staatssekretär Medy van Berlaan.
Die "holländische Hartherzigkeit" gegenüber einem Profiteur des Nazi Regimes
kann der deutsche Pressemarkt nicht nachvollziehen, umschwärmten doch
führende Gestalten aus Politik und Kultur Herrn Heesters anlässlich seines
hundertsten Geburtstages.
"Ehefrau
verteidigt Jopie"
Unter diesem
Titel setzte die AZ die tränenreiche Heesters-Geschichte am vergangenen
Donnerstag fort. Mit sichtlichem Genuss wird Simone Rethel (Ehefrau von
Heesters) zitiert, die "von vielen freundlichen Briefen aus Holland" zu
berichten wusste. Trotzdem wird beleidigt vermerkt, "dass Heesters auch
weiterhin Persona non grata in Holland bleibt". Heesters Biograf Dr. Jürgen
Trimborn ("Der Herr im Frack") erregt sich sichtlich über die uneinsichtigen
Holländer und meint, "auch unter ihnen hätte es Kollaborateure und
Mitglieder der Waffen SS gegeben". Das ist durchaus richtig, die
Schlussfolgerung von Herrn Trimborn jedoch skandalös.
Objektiv setzt
er Nazideutschland mit dem damals von Nazideutschland besetzten Holland
gleich und fordert vom niederländischen Staat einen saloppen Umgang mit
Nazikollaborateuren. In Deutschland muss die holländische Haltung zu
Heesters blankes Entsetzen hervorrufen, kamen doch die meisten Träger des
Naziregimes nach 1945 mit einer geringfügigen kostenpflichtigen Verwarnung
davon, um anschließend das Grundgerüst bundesdeutscher Staatlichkeit und
Ökonomie abzugeben. Opportunistischen Bänkelsängern und Schauspielern gelang
nach 1945 ohne kostenpflichtige Verwarnung der nahtlose Übergang in das
deutsche Unterhaltungsprogramm.
hagalil.com
16-02-2004 |