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"Eternal Treblinka":
Die endlosen Möglichkeiten der Banalisierung der Shoah

Gudrun Schroeter

Unendlich ist das Potential, die Shoah für jedwede politische Interessen einzusetzen. In den USA bedienen sich Gruppen der Tierrechtsbewegung seit längerem des Themas. Bald auch in Deutschland? Die Zeitschrift „natürlich vegetarisch“, das Magazin des „Vegetarier-Bund Deutschlands e.V.“, offerierte im März 2003 ihr obligatorisches Buch des Monats. Ausgewählt, und als gleichermaßen mutig wie wichtig bezeichnet, wurde „Eternal Treblinka. Our Treatment of Animals and the Holocaust“ von Charles Patterson. Die deutsche Veröffentlichung wird für das Jahr 2004 angekündigt.

Patterson räsoniert in seinem Buch über die Unmenschlichkeit der Gesellschaft, die vor rund 11.000 Jahren mit der Domestizierung der Tiere begann und nicht nur das Herrschaftsverhältnis des Menschen über das Tier manifestierte, sondern auch die Überlegenheitsgefühle des Menschen über den Menschen, die schlussendlich in der Shoah mündeten – ein ewiges Treblinka.

In ihrem begeisterten Artikel in dem Magazin „natürlich vegetarisch“ begegnet die Rezensentin des Buches, Ute Esselmann, eventuellen Irritationen ob des Titels mit einem offensiven Schritt nach vorn: Sie stellt fest, dass wer auf diese Weise für Tierrechte streite, wissentlich ein Tabu verletze. Und sie schließt eine Reihe Fragen an, wie etwa die nach der Legitimität, „vom schwersten Leid jüdischer Menschen zur Hitlerzeit zu sprechen – und im selben Atemzug das tagtägliche Elend so genannten Schlachtviehs zu beklagen?“ – „die Massenvernichtung der Juden durch die Nazis mit unseren Verbrechen gegen Myriaden so genannte Nutztiere zu vergleichen und weitestgehend gleichzusetzen?“ Zu beantworten wagt sie diese Fragen nicht und führt stattdessen den Literaturnobelpreisträger Isaac Bashevis Singer vor, der schon vor Jahrzehnten die Frage gestellt habe, „sind wir alle Nazis, wo es um Tiere geht?“

Patterson hat das Buch Isaac Bashevi Singer gewidmet. Neben Singer kommen auch einzelne jüdische Überlebende bzw. ihre Nachkommen zu Wort. Das liest sich dann in der deutschen Rezension so: „Vermutlich werden die Porträts von jüdischen Tierrechtlern, die als ehemalige Verfolgte bzw. als Nachkommen von Verfolgten sprechen, aber auch einen Teil jener Allesesser aufrütteln können, denen die Mär vom minderwertigen Leben nichtmenschlicher Kreaturen zunehmend zweifelhaft erscheint.“

Bleibt es nicht jedem Menschen überlassen, den Schwerpunkt seines politischen Engagements zu wählen? Aber hier werden einzelne, in der Tierrechtsbewegung engagierte Überlebende bzw. ihre Nachkommen vorgeschickt, um mit der Vernichtung der europäischen Juden den Druck auf den Magen zu erhöhen und der soll entscheiden – Nazi oder Nichtnazi. Deutlicher kann die bewusste und banale Instrumentalisierung nicht formuliert werden.

Auf einer das Buch feiernden englischsprachigen Website mit dem einprägsamen Namen masskilling werden in einem view display anschaulich Bilder aus Vernichtungs- und Konzentrationslagern neben Fotografien aus der Massentierhaltung montiert – der „moralisch motivierte Vegetarier“ demonstriert seinen ethischen Generalanspruch. Auch die Kritiker dieser Machwerke kommen auf der Seite zu Wort: Yad Vashem, das Wiesenthal-Center und die Anti-Defamation-League haben ihre Proteste und Empörung über dieses Banalisierung und Trivialisierung der Shoah zum Ausdruck gebracht. Ein Nachdenken über die obskure Kampagne scheint bei den Aktivisten nicht eingesetzt zu haben.

In einem Interview im Januar 2002 (www.veganswines.de) antwortete Charles Patterson auf eine Frage, ob er mit ablehnenden Reaktionen auf sein Buch rechne, dass er davon ausgehe, da das Buch „einen eigenen selbstbewussten Standpunkt“ habe, „es bei manchen einiges braucht, um sich daran zu gewöhnen.“ Bleibt zu hoffen, dass diese Gewöhnung durch eine differenzierte Reflexion ersetzt wird: Die Folgen der Emotionalisierung von zumindest den deutschen Massen ist historisch bekannt, ebenso ihre Fähigkeit sich zu gewöhnen.

Es erstaunt, dass gerade der Verlag Zweitausendeins sich die Publikation für das Jahr 2004 in den Katalog geholt hat. Auf die Anfrage, ob dieses Buch nicht eine Banalisierung der Shoah darstelle, antwortete Lutz Kroth, Geschäftsführer des Verlags: „Pattersons Buch ist anti-rassistisch und aus dem Wissen vom unendlichen Leid durch die Shoah geschrieben.“ Sehr interessant, bedeutet dieser Antirassismus, dass Juden wieder als Rasse gehandelt werden? Des Weiteren sieht Herr Kroth keine Gefahr der Banalisierung der Shoah durch den Verlag Zweitausendeins.

Es kann nicht darum gehen, den berechtigten Einsatz von TierrechtlerInnen gegen Massentierhaltung und -verwertung in Frage zu stellen. Aber die diskursiven biologistischen Verschränkungen, mit denen die letzten Register gezogen werden, um den Kampf für die Tierrechte zu forcieren, überschreiten nicht nur politische, auch ethische Grenzen: Es scheint eben immer noch leicht, die Affinität von Jude und Tier herzustellen.

hagalil.com 09-07-03

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