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Love, Peace & Antisemitismus:
Zur Globalisierung eines Ressentiments

Von Doron Rabinovici
Erschienen in: Der Standard, 15.12.2003

In diesem Sommer unterzeichneten der ehemalige Chef der Jerusalemer PLO, Sari Nusseibeh, und der einstige Leiter des israelischen Sicherheitsdienstes, Ami Ayalon, ein Manifest, das zwei Staaten für zwei Völker forderte. Das Neue an ihrer Initiative war, dass sie sich an die israelische und palästinensische Zivilgesellschaft wandten. Bisher unterschrieben 65.000 Palästinenser und 126.000 Israelis; einer davon bin ich.

Vor wenigen Tagen wurde dann in Genf ein gleichsam privater Friedensvertrag abgeschlossen. Das ist zwar noch kein offizielles Papier, aber was in der Schweiz geschah, wird von 31 Prozent der Israelis unterstützt und offenbart, wie unwahr es ist, zu behaupten, es gebe im anderen Lager keinen Partner zum Kompromiss. Die Friedenskräfte versuchen, die Logik des Krieges zu durchkreuzen. Ihr Denken jenseits des Ethnischen stößt nicht bloß in Israel und Palästina auf Abwehr. Im Mai 2002 wurden die renommierten Wissenschaftler Mirjam Shlesinger und Gideon Toury als Mitherausgeber der britischen Zeitschrift Translation Studies Abstracts entlassen, und zwar ausdrücklich, weil sie Israelis sind. Mirjam Shlesinger ist eine Friedensaktivistin. Unlängst wurde auf der Homepage von Ex-Premier Netanjahu gefordert, Shlesinger möge aufgrund ihres Engagements von der Universität Bar Ilan gewiesen werden. Doch in Israel darf Shlesinger weiterhin unterrichten, in England wurde sie geschasst.

Niemand kam je auf die Idee, alle serbischen oder kroatischen Akademiker zu boykottieren, um gegen ethnische Vertreibungen zu protestieren. Es scheint, bei Israel gelten besondere Maßstäbe. Auf der Antirassismuskonferenz in Durban war etwa versucht worden, namentlich nur Israel des Rassismus zu bezichtigen. Wieso sollte allein dieser Nation ein eigener Paragraf im Abschlussdokument zugedacht werden? Hätten jene Staaten denn keine Erwähnung verdient, in denen etwa Kurden, Tibeter oder Tschtschenen diskriminiert, verfolgt und ermordet werden? In Saudi-Arabien kann ich als Jude nicht einmal einreisen, in Jordanien kein Staatsbürger werden.

Selbstverständlich spricht einiges dafür, die Regierung Israels zu kritisieren, doch was an vielen Demonstrationen gegen Israel auffällt, ist, wie schnell das Engagement in Hass gegen das Jüdische schlechthin umschlägt. Im Laufe nicht weniger dieser Protestmärsche wurden Synagogen beschmiert, Juden beschimpft und verprügelt. Ist es nicht bezeichnend, dass bei anderen Kriegen Solidaritätsmanifestationen kaum in Aggressionen gegen die europäische Diaspora einer Seite münden?

Gewiss: Manche rechten israelischen Politiker wollen in jeder Kritik an Jerusalem, auch in der bitter notwendigen, sachlichen, nichts als Antisemitismus sehen. Doch ebenso fatal ist es, wenn manche behaupten, wer vom neuen Judenhass in Europa rede, wolle nur unliebsame politische Haltungen mundtot machen und verfolge nichts als Taktik. Beide Seiten unterliegen der "Hermeneutik des Verdachts" (Robert Misik), die sie aber bloß der jeweils anderen vorwerfen.

Gründe . . .

Die Positionen sind nicht nach Abstammung geordnet. Manche Juden möchten das Aufkommen eines neuen Judenhasses nicht wahrnehmen, während nicht jüdische Experten wie Juliane Wetzel, Ulrich Beck oder Pierre-André Taguieff aussprechen, was nicht zu übersehen ist. Die Grenzlinie zwischen der Kritik an Israel und dem Antisemitismus ist zuweilen schwer zu ziehen, weil das heutige Ressentiment kaum von der Rasse spricht. Dem offenen Judenhass haftet seit Auschwitz der Leichengeruch von Millionen an. So gibt sich, wer gegen Juden redet, kritisch, verwendet politische Begriffe, wenn auch im ethnischen Sinn, und obgleich Vorwürfe gegen Israel nicht antisemitisch motiviert sein müssen, sind sie es nicht selten. Gewiss, die jüdischen Gemeinden im freien Europa blühen auf, doch neben dem alten religiösen und rassischen Judenhass ist ein neuer entstanden, der global operiert, der den Juden nicht als "vaterlandslosen Gesellen", sondern als Inkarnation Israels verdammt. Neu ist der mörderische Antisemitismus der radikalen Islamisten und die Apologie, die dieser Hass und die Selbstmordattentate unter manchen Intellektuellen erfahren, die bei klassisch rechtem Rassismus weniger duldsam wären.

Antisemitismus von links gab es in den 70ern und bereits unter Stalin. Welch ein Trost! Jean Améry wusste von diesem "ehrbaren Antisemitismus" zu schreiben. Neu ist, dass die Topoi des Antiimperialismus des dummen Kerls bei rechten Populisten Anklang finden, von Möllemann bis Haider aufgegriffen werden. Neu ist, dass diese Töne die Begleitmusik zu antijüdischen Attacken und Terrormassakern abgeben.

. . . gibt es immer

Wenn die Kritik an Israel sich gegen das Jüdische schlechthin wendet, der Judenstaat mit den Nazis gleichgesetzt und der Terrorismus gegen Juden gerechtfertigt wird, dann ist die Grenze des Zulässigen überschritten. Wenn José Saramago Ramallah mit Auschwitz auf eine Stufe stellt, Karl Blecha von einer "zionistischen Tradition" der Wortbrüche spricht, Mikis Theodorakis die Juden "die Wurzel des Bösen" nennt, dann kann zwar gewiss nicht gesagt werden, solch ein Gedankengut habe die gesamte Linke erfasst, eben sowenig aber, dieses Denken beschränke sich nur auf "ein paar Verrückte in der Linken" (Misik). Wenn in den letzten Jahren, heuer auch in Österreich, mehr judenfeindliche Gewalttaten gemeldet werden als zuvor, dann kann das nicht ernst genug genommen werden.

Es scheint aus rein statistischen Bedingungen schwerer, das Phänomen einzuhegen, wenn es ansteigt. Manche sagen, Antisemitismus sei, wenn man Juden noch mehr hasst als allgemein üblich. Wurde unterem anderem auch deshalb jene EUMC-Studie, die vom neuen Judenhass zeugt, zurückgehalten?

Der Diskurs des Ressentiments verschiebt die Definitionen. Ja, sagte mir vor kurzem jemand, der Antisemitismus wächst, aber dafür gibt es gute Gründe. Gewiss, antwortete ich, die gibt es ja immer.

Sharon ist kein Argument für Antisemitismus und Antisemitismus keiner für Sharon. Der neue Judenhass bestärkt eine Weltsicht, die nichts als Feinde sieht, mit denen ein Kompromiss nicht möglich scheint. Wer daher wirklich an intellektuell redlicher Kritik der Jerusalemer Politik interessiert ist, müsste sich vor allem von jeglichem Ressentiment abgrenzen.

Doron Rabinovici ist Schriftsteller und Historiker und lebt in Wien.
Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Der Titel des Beitrags verweist auf einen gleichnamigen Film von Evan Oyne Maloney, der die hier diskutierten "Verrücktheiten" linker Protestkultur beispielhaft dokumentiert. (http://brain-terminal.com)

hagalil.com 17-12-2003

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