Selbsthass und
Selbstzerstörung:
Europa muss zum Psychiater
Von Benjamin
Kuras
Europa hat
nun das fortgeschrittene Stadium einer psychiatrischen Erkrankung erreicht,
deren wichtigste Symptome Selbsthass, Fehlen des Selbsterhaltungstriebs und
Sehnsucht nach Selbstzerstörung ist. Europa beginnt an den Fall des
mittelalterlichen Byzanz zu erinnern, und zwar vor allem in folgender
Hinsicht: In einer Zeit der Todesgefahr widmet die bedrohte Gesellschaft
ihre Energie nicht der Verteidigung vor dem, was sie vernichten will,
sondern dem Hass gegen seinen natürlichen Verbündeten, ohne den es keine
Hoffnung auf ein Überleben hat. Das macht es, indem es geringfügige und
mittels Debatte lösbare Uneinigkeiten so extrem aufbläst, dass es gegenüber
den viel bedrohlicheren Differenzen blind bleibt.
Byzanz ist
untergegangen, weil es all seine Energie auf die theologischen
Auseinandersetzungen mit Rom konzentrierte, und zwar zu einer Zeit, als ihm
der Islam immer mehr Gebiete abspenstig machte und er es mittels starker
Immigration von innen her zersetzte. Europa befindet sich auf dem Wege zur
Selbstvernichtung, indem es in einer ähnlichen Bedrohung den Hass auf
Amerika auf die Spitze treibt.
Die islamischen
Faschisten (und es ist an der Zeit, sie als Faschisten zu identifizieren)
massakrieren auf der ganzen Welt Zivilisten, einschließlich Moslems, aber
für 60% der Europäer ist die größte Bedrohung des Friedens Amerika, das als
einziges Land noch imstande ist, die Expansion des neuesten Faschismus
aufzuhalten, sowie Israel, das verzweifelt versucht, ein Stückchen
westlicher Zivilisation auf einem umzingelten Gebiet in der Größe Mährens zu
verteidigen.
Im Irak ist es
gelungen, das Regime eines Mörders von Millionen von Moslems zu bezwingen,
aber tobende Demonstranten in London eine Saddam-Nachbildung von einer
Bush-Figur herunterreißen.
In Istanbul
morden und verstümmeln diese Faschisten Glaubensbrüder, aber die
Demonstranten in London und linke Politiker machen dafür nicht nur Bush und
Blair verantwortlich, sondern auch die Türken, die dies verdienen würden, da
sie eine Demokratie und Allianz mit dem Westen anstrebten.
Bin Ladens
Massenmörder verbreiten in den Straßen von Städten auf der ganzen Welt Angst
und Schrecken, aber der Londoner Bürgermeister Livingstone und der
Dramatiker Pinter bezeichnen Bush als "größte Bedrohung des Lebens auf
diesem Planeten."
Islamische
Religionsschulen produzieren Leute, die die Verschwörung der "Juden,
Kreuzfahrer und Ungläubigen" aufgrund des "Willens Gottes" liquidieren, aber
für die europäischen Liberalen sind Bush und die amerikanischen Christen
gefährliche religiöse Fanatiker, wegen derer die Entfesselung eines
Armageddon droht.
In den
europäischen Städten gibt es immer mehr Angriffe auf Juden, aber die
Europäische Union zensuriert Informationen darüber, dass die Täter zum
Großteil Moslems sind – "um die Moslems nicht zu verärgern".
In den
britischen Städten werden Kirchen zu Moscheen mit grünen Kuppeln auf roten
pseudogotischen Türmen umgebaut, aber das Rote Kreuz verbietet seinen
Zweigstellen, zu Weihnachten traditionelle Krippen mit dem Jesuskind
auszustellen, "um die Mitbürger anderer Bekenntnisse nicht zu beleidigen."
Der britische
Sicherheitsdienst informiert darüber, dass es in Großbritannien schon eine
"nicht genau feststellbare Anzahl von trainierten Terroristen einschließlich
von Selbstmordattentätern" gibt, aber der Innenminister gibt nach der
Feststellung, dass im vorigen Jahr eine Viertel Million Asylanten ins Land
gekommen ist, zu, dass "es offenkundig keine Einschränkung der Immigration
gibt".
Auch die
außerordentlich gut informierte italienische Ökonomin Loretta Napoleoni, die
vor kurzem unter dem Titel Modern Jihad [erscheint unter dem Titel "Die
Ökonomie des Terrors" im März 2004, Anm. d. Übers.] eine geniale ökonomische
Studie über den islamischen Terrorismus als "riesiges und wachsendes
globales Business mit einem Wert von 1,5 Trillionen USD" herausgegeben hat,
meint allen Ernstes, dass "es den islamischen Terroristen nur um die
Wiederherstellung und Herrschaft des traditionellen Kalifats geht und sie
uns in Ruhe lassen." Auf dieser Illusion beharrt sie, obwohl sie im
Internet-Bulletin der Al Kaida lesen kann, dass "das Verbrechen der Tyrannen
in den ungläubigen Ländern, in denen das Gesetz Allahs nicht herrscht, eine
riesige Sünde ist – und wir die Pflicht haben, dagegen zu kämpfen und sie
zum Islam zu bekehren oder sie unter die Herrschaft der Moslems zu bringen."
Um es richtig zu
verstehen: Das Verbrechen unserer Zivilisation ist kein konkreter Fall von
Mord, Raub, Diebstahl oder Unterdrückung, sondern, dass wir nach den
demokratischen Regeln, Gesetze mittels Debatte zu schaffen, leben und das
Recht, ungestraft nicht damit einverstanden sein zu können, respektieren
wollen. Wie lange wir uns diesen Luxus noch leisten können, ist schwer
abzuschätzen. Die geistige Erkrankung Europas hat wohl schon eine solches
Stadium erreicht, dass die einzig mögliche Heilung der mittelalterliche
Aderlass ist. Und so wie heute kaum jemand bedenkt, dass der Nahe Osten
tausend Jahre lang die Heimstätte der großartigen christlichen Kultur war,
so wird vielleicht bald vergessen sein, dass Europa einmal eine aufgeklärte
humanistische Demokratie war, die auf der biblischen Ethik der zumindest
theoretischen Nächstenliebe aufgebaut war.
Erschienen in
Mladá fronta DNES, Prag, 27.11.2003.
Übersetzung von Johanna Posset
mit freundlicher Genehmigung des Autors.
hagalil.com
16-12-2003 |