L'iMonde:
Rechtsradikale Satire oder Humor als Waffe?
Von Bernhard Schmid, Paris
Wo die Propaganda versagt, da hilft
vielleicht Satire weiter: Das scheint das Rezept zu sein, nach dem seit
einigen Monaten in Frankreich eine bislang recht mysteriöse Zeitung erstellt
wird. In mehrwöchigen Abständen stößt man an den Kiosken auf ein
Farcenblatt, das äußerlich auf den ersten Blick der Pariser Abendzeitung Le
Monde ähnelt. Es trägt den Titel L'iMonde, was gleich klingt wie "l'immonde"
(Der oder die Schreckliche). Der Schrifttyp und die Gestaltung der
Titelseite sind denen beim großen Vorbild täuschend ähnlich gestaltet. Für
drei Euro werden 16 Seiten angeboten.
Dabei illustriert jeweils ein witzig gemeinter
Vorschlag die Seite Eins. Im Sommer etwa war es ein Abdanken von Präsident
Chirac zugunsten des rebellischen Bauern José Bové, der damals die
Schlagzeilen füllte. In der seit kurzem erhältlichen Dezember-Nummer ist es
der ehrgeizige und derzeit auf allen Kanälen präsente Innenminister Nicolas
Sarkozy, der sich angeblich in "Madame Nicole Sarkozy" verwandelte, nämlich
weil er erkannt habe, dass die Franzosen bei der Wahl des Staatsoberhaupts
im Jahr 2007 (der ambitionierte Minister hat bereits letzte Woche seine
Kandidatur angekündigt) lieber eine Frau zur Präsidentin wählen würden.
Allerdings bleibt der Humor meistens stecken: Es bleibt bei einem einzigen
mehr oder minder witzigen Einfall. Wenn dieser dann aber über eine halbe
Seite hinweg entwickelt wird, stellt sich rasch das Gähnen ein.
Über die Hintergründe des satirisch aufgemachten
Le Monde-Verschnitts ist nicht zu viel erfahren. Die im Titelbalken
angegebene Webpage (www.limonde.fr) stellt sich als nicht existent heraus.
Das einzige Impressum, das die Zeitung enthält, erweist sich auf den ersten
Blick als Fantasieprodukt - es enthält dieselben Namen wie jenes der
nachgeahmten Tageszeitung, die nur satirisch abgewandelt wurden. Aus dem
Chefredakteur Jean-Marie Colombani etwa wird Jean-Marie Colonbéni
(gesegneter Dickdarm); Ähnliches widerfährt anderen Redaktionsmitgliedern
bei Le Monde.
Die einzige Information, die man bei genauerem
Hinsehen darüber hinaus erfährt, besagt, dass L'iMonde ein Produkt des
Verlags von Le Quotidien de Paris darstelle. So lautete der Name einer
früheren Pariser Tageszeitung, die 1994/95 kurz vor dem Bankrott stand und
von einem windigen Geschäftsmann namens Nicolas Miguet übernommen wurde.
Letzterer öffnete die Spalten der Tageszeitung für die extreme Rechte und
hoffte so, deren Publikum als neue Leserschaft zu gewinnen. Das verhinderte
nicht die Pleite des Projekts - die Tageszeitung musste 1998 eingestellt
werden. Nicolas Miguet trat später mehrfach, mit geringem Erfolg, als
"Anti-Steuer-Rebell" zu Wahlen an und gibt einige Börsenblätter für
Möchtegern-Absahner heraus. Weiterhin beackert er gern das Feld der extremen
Rechten, auch wenn die Kader des Front National ihn gewöhnlich als "bloßen
Geschäftemacher" abtun.
Sieht man noch genauer hin, dann erkennt man
auch leicht den rechtsextremen Hintergrund der vorgeblichen Witzkanone. Ein
vermeintlich drolliger Bericht über die französischen Gefängnisse, die
"einen Stern im Jail international Guide einbüßen", weil sie an Komfort
verlören, stellt sich alsbald als Hetze gegen so genannte kriminelle
Immigranten heraus. Der Text endet darauf, dass zwar die Ausbildung
französischer Krimineller durch den Komfortverlust gefährdet sei, "aber
glücklicherweise importiert Frankreich nicht wenige Verbrecher". Ein dagegen
nicht einmal oberflächlich lustiger Artikel über die französischen
Gewerkschaften, die gerade dabei seien "sich zu fragen, wogegen sie jetzt
noch demonstrieren können" (das endet damit, dass der CGT-Chef zu einer
"Demo gegen Pizzas" aufruft, "weil meine Schwester letzte Woche eine Pizza
gegessen hat, die schlecht schmeckte") soll allein deren Nutzlosigkeit
herausstreichen.
Als nackte Propaganda erweist sich ein Bericht
über das angebliche neue Konzept von UN-Generalsekretär Kofi Annan: "In
wenigen Jahren werden die Ausländer in der Mehrzahl der Länder in der
Überzahl sein. Aber wenn die Ausländer zahlreicher sind als die
Einheimischen, dann sind sie auch keine Ausländer mehr. Man muss das nur
noch den dummen und reaktionären Leuten im Westen beibringen." Und die
Verschwörungstheorie wird über ein Fake über die "Neujahrswünsche 2004 von
Ossama Bin Laden" verbreitet, worin dieser angeblich versehentlich (bei
einer Mikrophonprobe, die dann unerwartet gesendet wird) aufdecke, dass er
"aus dem CIA-Hauptquartier spricht" und von sich selbst sage, dass "ich für
Amerika arbeite".
hagalil.com
24-11-2003 |