Wiener Erinnerungskundgebung:
Rede zum 65. Jahrestag des Novemberpogroms
Von Karl Pfeifer
Weil zehn bis fünfzehn mit Lautsprechern
ausgestattete Störer versuchten die Wiener Erinnerungskundgebung an das
Novemberpogrom in der Zirkusgasse zu behindern, änderte ich spontan meine
ursprünglich verfasste Rede.
"Eine obskure palästinensische Gruppe setzte -
nicht rein zufällig - ausgerechnet den 9. November 2003 als Tag des Kampfes
gegen die "Apartheidmauer" an. Dass ihre Wiener Anhänger nun auch unsere
Kundgebung stören, ist sicher kein Zufall, auch wenn wir das nicht erwartet
haben.
Die Behauptung, Israel wäre ein Apartheidstaat
ist eine dieser Propagandalügen, die nichts mit der Realität zu tun haben,
dennoch immer wiederholt werden, um dann von vielen Menschen geglaubt zu
werden. Wer je ein israelisches Spital besucht und dort sah, wie Juden und
Araber in einem Zimmer oder Saal gleichbehandelt werden, der weiß wie falsch
diese Behauptung ist. Immerhin gibt es in Israel sehr viele jüdische Frauen,
die moslemische Männer geheiratet haben. Es gibt aber keine moslemische
Frau, die es nur wagen würde einen jüdischen Mann zu heiraten.
Doch warum diese Reaktion auf den
Sicherheitszaun, der die Bürger des Staates Israel Juden und Araber vor
Terror schützen soll? Die Protestierer vertauschen Ursache und Wirkung.
Ursache für diesen Zaun ist die von Jasser Arafat geplante und von seinen
Anhängern durchgeführte Terrorwelle, die unter dem Wort "Intifada" beworben
wird. Das wollen sie vergessen machen. Diese Anhänger des blutigen Terrors
gegen israelische Zivilisten sagen oft scheinheilig:
"Warum beschuldigt man uns, wir wären
Antisemiten? Wir sind doch nur antiisraelisch?" Dann hören wir aber auch:
"Die Israelfreundliche Lobby möchte alle Kritiker der Sharon-Regierung zum
Schweigen bringen, indem es diese als antisemitisch anprangert." Das lässt
sich steigern: "Die Funktionäre der jüdischen Gemeinden spielen mit dem
Feuer, wenn sie alle Juden als die bedingungslosen Unterstützer Israels
präsentieren." Dagegen ist es sehr schwer sich zu verteidigen, denn die
Beschuldiger, die sich anmaßen Opfer zu sein, verfügen in Europa über
Verlagshäuser, über Tages- oder Wochenzeitungen, über Radio und Fernsehen,
während die angeblichen jüdischen Verfolger die größten Schwierigkeiten
haben ihre Stimme zu erheben.
Die Aufgabe ist schwierig, weil es nicht um eine
rationale Argumentation geht, sondern vor allem darum einen Glauben zu
widersprechen, der bereits Teil eines allgemein verbreiteten Bildes ist. Der
Antizionismus, der derart beherrschend ist, stützt sich auf eine Reihe von
"Wahrheiten", die keine Grundlagen in der Wirklichkeit haben, die aber fast
niemand mehr wagt zu diskutieren. Versuchen sie mal zu erklären, dass fast
alle Israelis nichts anderes wollen als Frieden; dass die Idee einer
Koexistenz mit einem palästinensischen Staat eine solide Mehrheit hat, dass
der mutwillige Schritt zur palästinensischen Gewalt ab Oktober 2000 die
Israelis in dem Moment traumatisiert hat, als sie im Austausch für einen
wirklichen Frieden zu den größten Kompromissen bereit waren.
Versuchen sie weiter darzulegen, dass die Fehler
oder sogar die Verbrechen, die einige begangen haben, weil sie Menschen und
als solche davor nicht gefeit sind, nicht vom Klima der Gewalt in dem das
israelische Volk seit Jahrzehnten lebt, eine Gewalt die aufgezwungen wurde
und für die Israel einen schrecklichen Preis bezahlt, separiert werden
können. Dass der einzige Weg zum Frieden die gegenseitige Anerkennung und
das entschlossene Abgehen von Projekten die Israel vernichten sollen, d.h.
der Verzicht auf den Terrorismus als ein Mittel um Differenzen zu
bereinigen; versuchen sie dies zu erklären und man wird sie als einen
Unterstützer des Teufels Sharon und als einen Mörder palästinensischer
Kinder diffamieren. Sagen Sie mal, dass es in Österreich weder eine jüdische
noch eine israelische Lobby gibt; dass die Mitglieder der kleinen jüdischen
Gemeinde über den israelisch-palästinensischen Konflikt die verschiedensten
Ansichten haben, sich aber einig sind in der Sorge um die Existenz Israels
und die Sicherheit der Israeli; dass die Idee einer internationalen
jüdischen Macht, die man herbeiphantasiert und mit der Qualfikation
"zionistisch" belegt, ein antisemitischer Stereotyp ist; dass der Glaube,
wonach die israelische Regierung oder die israelischen politischen Parteien
ihr Verhalten der jüdischen Gemeinschaft in Österreich diktieren würden auch
ein böswilliges Ammenmärchen ist, das aus einer Verschwörungstheorie aus
obskurer Quelle stammt.
Sagen Sie das und man wird sie beschuldigen ein
bezahlter Agent dieser Verschwörung zu sein. Es gibt wenig Juden, die
"unbedingte" Anhänger jeglicher israelischen Regierung in der Gegenwart oder
Vergangenheit wären. Das ist eine absurde Beschuldigung. Hingegen kenne ich
sehr viele Juden - die allen möglichen politischen Richtungen angehören -
die empört sind über die sinnlosen Beschuldigungen gegen die israelische
Gesellschaft.
Die Frage ist nicht ob Israel absolut unschuldig
ist, denn dies ist es mit Sicherheit nicht, wer ist schon absolut
unschuldig? Sondern ob Israel wirklich all dessen schuldig ist, wessen man
es beschuldigt; und meistens müssen wir dies verneinen. Doch die ewige
israelische Ursünde ist das Herzstück der antizionistischen Ideologie. Das
wird zwar oft genug geleugnet ist aber so. Die Ursünde haben die Juden von
Erez Israel begangen, als sie die in Europa verfolgten Juden aufnehmen
wollten, obwohl die meisten Palästinenser, die damals mit den Nazi
sympathisierten, dies nicht wollten.
Unsere "Antizionisten" suggerieren, es wäre
besser gewesen, wenn auch diejenigen, denen es gelungen ist damals trotz
aller Schwierigkeiten nach Erez Israel zu gelangen, in den von ihren
Vorfahren gebauten Gaskammern ermordet worden wären. Die Nazi wiederholten
ständig ihre Propagandalügen über die Juden und die Antizionisten
wiederholen ihre Lügen über Israel. Nehmen wir zum Beispiel den verbreiteten
Mythos des israelischen "Massakers" in Jenin, das nach einem
palästinensischen Anschlag auf Seder feiernde Juden in einem Hotel in
Netanja mit 29 Todesopfer, folgte. In Wirklichkeit gab es einen Kampf
zwischen der israelischen Armee und palästinensischen Kommandos und laut
UNO-Bericht gab es 23 Tote der israelischen Armee, 32 Tote unter den
palästinensischen Kämpfern und ungefähr 20 tote palästinensische Zivilisten.
Erinnern Sie daran und man wird Sie als Lügner brandmarken.
Denn die Propagandalüge, wonach es ein Massaker
gegeben hat, wurde auch in Österreich von den Mainstreammedien verbreitet.
Israel, das entschlossen ist die Palästinenser zu verfolgen und das von
seinen Komplizen, den jüdischen Gemeinden unterstützt wird, das ist das
verfestigte Bild. War das Bild vom "internationalen Zionismus" bislang auf
die rechtsextremen Gruppen beschränkt, so kommt es jetzt von ganz
unerwarteten Richtungen. Die Dreieinigkeit in der Person des Zionisten, des
Juden und des Israeli, das ist worüber man sogar in der Mitte der
Gesellschaft phantasiert. Es ist oft erstaunlich, wie sonst rational
denkende Menschen glauben, dass es irgendwo eine verborgene Befehlszentrale
gibt, die den Staaten und Medien diktiert. Erstaunlich, dass aufrichtige
Menschen, die glauben für den Frieden und für die Gerechtigkeit einzutreten,
sich von solchen paranoiden Ideen leiten lassen. In Paris schlugen im März
während einer Demonstration gegen den Krieg im Irak, "linke"
Antiimperialisten Mitglieder der linken Jugendbewegung "Haschomer Hazair",
die an dieser Demonstration teilnehmen wollten, krankenhausreif.
Die Österreicher, die hier mit Lautsprechern
versucht haben unsere Kundgebung zu stören, geben sich auch als "Linke" und
zitieren gerne Berthold Brecht, der sich gegen solche Menschen nicht mehr
wehren kann. Diese Unbelehrbaren wollen vergessen machen, was hier passiert
ist, als von den ca. 90 anlässlich des Novemberpogroms 1938 im ganzen
Deutschen Reich ermordeten Juden, allein in Österreich, das damals Ostmark
genannt wurde, von einem wild gewordenen Mob 27 Juden umgebracht wurden,
davon 20 in Wien. Die Störung zeigt, in Österreich (und nicht nur hier) gibt
es offensichtlich das tiefe Bedürfnis nach einer Schuldumkehr, nach dem
Motto, was unsere Väter den Juden angetan haben, tun die Juden nun den
Palästinenser an. Das ist nicht nur auf solche Extremisten beschränkt, wie
diejenigen die uns hier gestört haben, sondern kommt aus der Mitte der
österreichischen Gesellschaft. Damit steht auch die Art der
Berichterstattung in den meisten österreichischen Medien in Verbindung, die
den komplexen Nahostkonflikt so darstellen, als ob es auf der einen Seite
lediglich Schuldige und auf der anderen nur Unschuldige geben würde."
hagalil.com
10-11-2003 |