Hintergrundinformation zur Hohmann-Rede:
Henry Ford – Autohersteller und Antisemit
Von Andrea Livnat
Die Affäre um Martin Hohmann und
seine antisemitische Rede zum 3. Oktober zieht mittlerweile immer weitere
Kreise. Auch wenn sich der Bundestagsabgeordnete mittlerweile, sagen wir,
"entschuldigend" geäußert hat, es steht fest, dass er dies ausschließlich
unter dem Druck der CDU-Parteiführung getan hat. Sein Weltbild ist genau so,
wie er es in seiner Rede zum Ausdruck brachte. Eine Entschuldigung wird die
Sache daher nicht aus der Welt schaffen, die CDU sollte sich an
Bundesverteidigungsminister Struck ein Beispiel nehmen, der, wie soeben
bekannt wurde, den Bundeswehrgeneral Reinhard Günzel, sofort entlassen hat,
nachdem dieser Hohmanns Rede lobte.
Die Rede Hohmanns ist gut recherchiert,
gut vorbereitet, es ist klar, dass sich der CDU-Mann keineswegs verplappert
hat. Sorgsam hat er seine "Quellen" ausgewählt und ausgewertet. Ein Name
kommt darin vor, den sich auch die meisten Nachrichtenmeldungen scheuten mit
Antisemitismus in Verbindung zu bringen, Henry Ford. Offensichtlich ist es
schwer vorstellbar, dass einer der erfolgreichsten Automobilfabrikanten
gleichzeitig einer der größten Antisemiten der USA gewesen sein soll. Genau
das ist jedoch der Fall.
Henry Ford, geboren 1863 in
Greenfield-Michigan, ist eine sehr
gespaltene Persönlichkeit. Er war einer der prominentesten US-Amerikaner der
20er Jahre, sein Name steht für industrielle Pioniersarbeit, Fortschritt und
Erfolg. Andererseits war er sehr reaktionär und im ganzen Land für seinen
Antisemitismus bekannt, den er in seiner eigenen Zeitung, dem Dearburn
Independent zu predigen pflegte.
Während des Ersten Weltkrieges gab sich
Ford zunächst pazifistisch, ergriff 1915 sogar Initiative und charterte ein
"Friedensschiff" nach Europa, das im Januar 1916 in Stockholm anlegte. Die
dort stattfindende Friedenskonferenz musste wegen mangelnder Teilnahme der
Kriegsparteien jedoch scheitern. Dann aber, trotz der pazifistischen
Einstellung, stellte sich Ford auf die Produktion von Kriegsmaterialien ein.
Nach einem Interview mit der Chicago Tribune, das auch andere
zwiespältige Reaktionen Fords ansprach, wurde er dort in einer Kolumne unter
dem Titel "Ford ist ein Anarchist" als "ignoranter Idealist" bezeichnet.
Ford klagte dagegen und gewann auch. Als Schadensersatz wurde ihm jedoch die
lächerliche Summer von 6 Cent zugesprochen. Ford beschloss daraufhin, er
benötige ein eigenes Medium und erwarb den Dearborn Independent.
Dort erschien erstmals am 20. Mai 1920
ein Artikel unter dem Titel "The International Jew: The World's Problem",
der Anfang zu einer Serie von antisemitischen Artikeln über 91 Wochen. Alle
91 Artikel wurden zwischen 1920 und 1922 von Ford veröffentlicht, der erste
Band unter dem Titel des ersten Beitrags. Band 2: "Jewish Activities in
the United States", Band 3: "Jewish Influences in American Life"
und schließlich Band 4 unter dem Titel "Aspects of Jewish Power in the
United States".
Grundlage dieser Ergüsse bildeten die
"Protokolle der Weisen von Zion", jenes antisemitische Machwerk also,
das bis heute kursiert, obgleich als Fälschung enttarnt und von der Gier der
Juden nach der Beherrschung der Welt erzählt. Auch Ford ist gefangen von
Weltverschwörungstheorien, Juden kontrollieren bei ihm alles, die Medien und
damit die öffentliche Meinung, die Finanzwelt, die Politik, Juden würden
Revolutionen finanzieren und den Bolschewismus vorantreiben. Ford war davon
überzeugt, dass er mit seinen Veröffentlichung einen großen Dienst erweise,
lege er doch die Machenschaften der Juden offen.
Fords Erfolg in der
Geschäftswelt machte und macht ihn noch immer zu einer scheinbar seriösen
Quelle. Auch Martin Hohmann spielte diese Karte aus. Tatsächlich waren die
vier Bände sehr gefragt und wurden in 16 Sprachen übersetzt. Auf deutsch
erschienen sie zusammengefasst in einem einzigen Band unter dem Titel
"Der internationale Jude" und verbreitete sich schnell im
deutschsprachigen Europa. Zu den begeisterten Lesern zählte auch Adolf
Hitler. Ford ist auch der einzige Amerikaner, der in "Mein Kampf"
zitiert wird. Ganz in Anlehnung an Ford notierte Hitler: "Die Juden sind
es, die die Börsenkräfte der Amerikanischen Union kontrollieren". Und
über den großen amerikanischen Industriellen selbst: "Jedes Jahr werden
sie mehr zu den Kontrollmeistern der Produzenten in einem Volk von 120
Millionen: nur ein einziger großer Mann - Ford - behält ihrem Zorn zum Trotz
volle Unabhängigkeit".
Die Produktion der deutschen
Ford-Tochter war dann auch für Hitlers Kriegsführung unverzichtbar. Ein
Drittel der 350.000 Lastwagen der Wehrmacht stammten bis 1942 von dort. Das
Kölner Werk, das seit 1931 bestand, wurde von den Alliierten daher mehrfach
bombardiert. Die Verkaufszahlen stiegen zwischen 1938 und 1943 um mehr als
das Doppelte, der Wert der deutschen Tochterfirma stieg um 50%. 1938 erhielt
Henry Ford schließlich den höchsten Orden, den das nationalsozialistische
Deutschland an Ausländer vergab, das "Adlerschild des Deutschen Reiches".
Bereits 1927
kam es im übrigen zu einer offiziellen Entschuldigung Fords für seine
antisemitischen Publikationen, der einzige Ausweg für den Industriellen aus
einem langwierigen image-schädigenden Prozess. Aber auch später unterstützte
Ford weiterhin antisemitische Gruppen und
Redner und unternahm auch keine großen Anstrengungen gegen die Publikation
seiner Bücher vorzugehen. Noch heute zirkuliert der "Internationale Jude" in
allen Teilen der Welt und verbreitet weiterhin die Theorie von der
Weltverschwörung der Juden.
[FORUM]
hagalil.com
04-11-2003 |