Lothar Evers:
Ein Kämpfer wird Opfer seines Erfolgs
Lothar Evers hat Jahrzehnte für
die Rechte der NS-Zwangsarbeiter gestritten. Jetzt kündigt ihm sein
eigener Verband
Von Philipp Gessler
Lothar Evers kommt auf den ersten Blick wie ein
gutmütiger Gymnasiallehrer, Typ Alt-68er, daher. Doch dieser
Eindruck verfliegt schnell, sobald man mit ihm die ersten Worte
wechselt: Ein Kämpfer ist der 49-jährige Kölner, einer, der sich
über Jahre mit den großen deutschen Konzernen anlegte. Der großen
Anteil daran hatte, dass frühere Zwangsarbeiter in den deutschen
Industriebetrieben der Nazizeit endlich eine Geste der
Wiedergutmachung erhielten - nach Jahrzehnten ohne Entschädigung für
ihre Leidenszeit.
Seit 1995 ist Evers Sprecher, später Geschäftsführer
des Bundesverbandes Information und Beratung für NS-Verfolgte. 1990
war er ein Mitgründer einer Vorläuferorganisation. Doch nun, nach
mehr als einem Jahrzehnt des Einsatzes für die Zwangsarbeiter, wurde
ihm fristlos gekündigt. Dagegen will Evers Klage einreichen.
Im Bundesverband, Träger des "Demokratiepreises 2003"
der Blätter für deutsche und internationale Politik, tobt ein
brutaler Machtkampf. "Als Waffe gegen Lothar", so heißt es in einem
Papier seiner Gegner, solle man "Scheiße sammeln und dokumentieren".
Eine "kreative Intrige" sei gefragt. Ziel sei, dass "man Lothar nach
dem Ende dieses Monats gesägt kriegt". "Unser Betriebsklima ist
vergiftet wie noch nie", beschreibt ein anderes Schreiben die
Stimmung.
Wie es dazu kommen konnte, dazu gibt es mindestens
zwei Versionen, die eines gemeinsam haben: den Erfolg des Vereins.
Der erhielt nämlich von der Bundesstiftung für die
Zwangsarbeiterentschädigung innerhalb kurzer Zeit viel Geld und
Personal, um früheren Zwangsarbeitern zu helfen, damit sie in
Archiven Nachweise für die Zeit der Ausbeutung finden. Evers, der
auch im Kuratorium der Stiftung ist, sei von der Expansion auf bis
zu 30 Mitarbeiter und der Verwaltung von etwa 500.000 Euro im Jahr
"völlig überfordert" gewesen, so die Gegner. Er habe auf den Stress
mit "Jähzornsanfällen" gegenüber den Mitarbeitern reagiert.
Daraufhin sei ein Betriebsrat gegründet worden, um mehr Kooperation
sicherzustellen. Gegen die Gründung des Betriebsrats habe Evers
gekämpft.
Evers dagegen sagt, es sei klar gewesen, dass recht
bald wieder Personal hätte abgebaut werden müssen - dann nämlich,
wenn die meisten Nachweise für die Zwangsarbeiter erbracht worden
seien. Die Gründung eines Betriebsrats hätten manche nur dafür
nutzen wollen, ihre Kündigung zu erschweren oder unmöglich zu
machen. "Ich hätte nie geglaubt, dass in unserem Projekt Menschen
eine Heimat haben, die sich offen der Sprache des Unmenschen
bedienen", ätzt Evers. "Die Sprache verrät die dahinter stehende
Haltung."
Auf einer Mitarbeiterversammlung Ende Januar will
Evers den Konflikt zum Thema machen und seine Rückkehr in den
Bundesverband durchsetzen. Vielleicht siegt der alte Kämpfer noch
einmal. Eines aber ist jetzt schon klar: Evers, der Verband und die
Sache der Zwangsarbeiter haben Schaden genommen.
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haGalil onLine 20-11-2003
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