Sondersitzung des Mahnmal-Kuratoriums:
Schöner bauen mit Degussa
Trotz seiner NS-Vergangenheit
bleibt das Chemie-Unternehmen am Bau des Holocaust-Mahnmals
beteiligt. Ohne Degussa hätte das Denkmal 2,3 Millionen Euro mehr
gekostet
Von Philipp Gessler
Das Holocaust-Mahnmal in Berlin wird mit
Beteiligung der Chemiefirma Degussa weitergebaut. Das entschied das
Kuratorium der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas
gestern Abend in Berlin. Bundestagspräsident und
Stiftungsvorsitzender Wolfgang Thierse sagte zur Begründung, bereits
jetzt sei ein von Degussa produziertes Mittel als Betonverflüssiger
im Fundament verbaut.
Außerdem sei mit der Bayer AG als
Nachfolge-Unternehmen der IG Farben noch eine weitere Firma mit
NS-Vergangenheit am Bau beteiligt. Thierse: "Ein bisschen Degussa
geht nicht."
Der Bundestagspräsident sagte nach der Sitzung
weiter, es seien "eher praktische Gründe" gewesen", die das
22-köpfige Kuratorium zu seiner "mit klarer Mehrheit" getroffenen
Entscheidung bewogen hätten. Ohne Degussa, so Thierse, sei
vermutlich weder der Zeit- noch der Finanzrahmen für das Mahnmal
einzuhalten gewesen. Die Debatte um die Beteiligung von Degussa
solle auch am Mahnmal dokumentiert werden. Die Diskussion solle als
"Teil des Denkmal-Prozesses" begriffen werden.
Nach einem internen Papier an die Kuratoren wären die
Kosten für den Graffiti-Schutz ohne das Degussa-Mittel Protectosil
um 2,34 Millionen Euro gestiegen. Das Kuratorium hatte sich bei
seiner letzten Sitzung für einen Ausschluss des Frankfurter
Chemiekonzerns entschieden, weil eine Degussa-Tochter in der
Nazizeit Zyklon B produziert hatte, mit dem in den
Konzentrationslagern Millionen Juden umgebracht worden waren.
Im Vorfeld der gestrigen Sondersitzung des
Kuratoriums im Reichstag hatte die Vorsitzende des Kulturausschusses
des Bundestages, Monika Griefahn (SPD), gemahnt, dass der generelle
Verzicht auf die Produkte von Degussa den gesamten Bau gefährden
würde. Der CDU-Abgeordnete Günter Nooke sprach sich für eine
Entscheidung für das Unternehmen aus. Schon vor dem Bau des Denkmals
habe die Stiftung nach intensiver Diskussion entschieden, "dass wir
sagen, es geht nicht anders, als dass man mit belasteten Firmen das
wohl auch machen muss", sagte Nooke.
Das Kuratoriumsmitglied Alexander Brenner,
Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, wollte Degussa außen
vor lassen. Auch wenn man die schon beschichteten Stelen stehen
lassen sollte, sei eine weitere Beteiligung von Degussa "Salz auf
Wunden" der Holocaust-Überlebenden und ihrer Angehörigen, so
Brenner.
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17-11-2003
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