CSU lehnt historisch korrekte Zufahrt ab:
Dachau bekommt keinen Zugang durchs Jourhaus
Von Andrea Livnat
Es ist eine Diskussion, die schon
seit langem geführt wird. Und die Dachauer CSU hat ihren Standpunkt einmal
wieder deutlich gemacht. Es geht natürlich um die Gedenkstätte des
ehemaligen Konzentrationslagers in Dachau. Der Stadtrat hatte darüber
abzustimmen, ob die Gedenkstätte eine neue Zufahrt erhalten soll, und sprach
sich dagegen aus. Das Kultusministerium ist überrascht, die ehemaligen
Häftlinge schwer enttäuscht. Die CSU hat es geschafft, eine historische
Chance zu vertun, das vollständig überarbeitete und neu konzipierte Museum
hätte so vollendet werden können.
Bisher gelangen die Besucher von Osten
her zum ehemaligen Lager. Der ursprüngliche Eingang im Westen des Geländes
konnte lange Zeit nicht genutzt werden, da der gesamte Westteil von der
US-Army belegt wurde. Heute stünde dies der Nutzung nicht mehr im Wege. Es
fehlt alleine eine geeignete Straße, die den Zugang durch das so genannte
Jourhaus ermöglichen würde. Alle Experten haben sich dafür ausgesprochen,
diese Möglichkeit zu schaffen, denn so würde der Besucher auf dem selben Weg
ins Lager gelangen wie auch die Häftlinge, die durch das Jourhaus geschleust
wurden.
Das interessiert nur die Dachauer CSU
wenig. Gemeinsam mit den Stimmen von zwei Freien Wählern und dem
Republikaner-Abgeordneten hat sie einen entsprechenden Antrag im Stadtrat
abgelehnt. Fünf Jahre lang hatte man über verschiedene Möglichkeiten von
Zufahrtsstrassen gesprochen, beraten, diskutiert. Experten wurden befragt,
Hearings veranstaltet. Alle sprachen sich für die Westzufahrt aus. "Der Weg
der Häftlinge" war auch ein dringlicher Wunsch der Lagergemeinschaft Dachau
und dem Comité International de Dachau. Doch die CSU blieb unbeugsam. Sogar
ihr oberster Chef konnte sie nicht vom Gegenteil überzeugen.
Ministerpräsident Edmund Stoiber hatte bei der Eröffnung der neuen
Ausstellung dafür plädiert, sich dem "Wunsch der Überlebenden des KZ nicht
länger zu verschließen." Wie es in Dachau nun weitergehen soll, ist völlig
unklar. Das Kultusministerium kann die Stadt Dachau nicht umgehen, denn die
Erschließung, also die Straßenführung, liegt in der Hand der Kommune.
Die Dachauer CSU stimmte übrigens aus
"städteplanerischen Gesichtspunkten", welche genau das sind war nicht
wirklich klar, und aus Rücksicht auf die Anlieger gegen die Westzufahrt.
Schließlich könnten die Anlieger durch den Besucherstrom stark belastet
werden. Wer noch Zweifel daran hatte, dass es um die Existenz der
Gedenkstätte im Allgemeinen geht, der konnte sich die Aussage der
CSU-Sprecherin auf der Zunge zergehen lassen: "Die CSU-Fraktion möchte die
Akzeptanz dieser Gedenkstätte in der breiten Bevölkerung gern erhalten. Ich
glaube, ich brauche nicht deutlicher zu werden." Doch bitte, wir würden es
gerne deutlicher hören. Heißt das, das Fass steht kurz vor dem Überlaufen?
So können die Dachauer es gerade noch ertragen, aber mit einer Westzufahrt
ausgeschlossen?
Eine kleine Kostprobe konnte man
übrigens bereits vor zwei Monaten genießen. In den deutschen Medien war
allerdings wenig davon zu lesen. Anfang August konnten israelische
Fernsehzuschauer in einer Nachrichtensendung den Republikaner-Abgeordneten
von Dachau, Robert Konopka, sehen, und vor allem hören. Die Tageszeitung
Jedioth Achronoth berichtete ebenfalls. Vor einer Gruppe israelischer
Journalisten sagte Konopka, die Gedenkstätte sollte geschlossen und
möglichst abgerissen werden. Schließlich wäre das Gelände optimal, um dort
Appartements zu bauen und neue Geschäfte anzusiedeln. "Nach fünfzig Jahren
ist der Augenblick gekommen, uns nicht mehr vorzuhalten, dass wir schuldig
sind", so Konopka. Die Journalisten, reichlich schockiert von dieser so
genannten Pressekonferenz (im Bierdümpfel Milieu mit Eiche Rustikal im
Hintergrund), sprachen in Dachaus Straßen darauf hin mehrere Passanten an
und befragten sie nach ihrer Meinung. Fast alle äußerten sich im Sinne
Robert Konopkas: "Die wahren Opfer des Konzentrationslagers Dachau sind die
Bürger der Stadt, denn die leiden unter dem schlechten Ruf."
Den schlechten Ruf hat sich die Stadt
allerdings selbst eingebrockt. Die jüngste Entscheidung des Stadtrates wird
dieses Image international sicherlich nicht verbessern.
hagalil.com
02-10-2003 |