Allgemein Menschliches, allzu gemein Menschliches:
Diskussionen um Margarethe von Trottas Film "Rosenstraße"
Von Cristina Nord
taz, vom 24.09.2003
Wolfgang Benz, der Leiter des Instituts für
Antisemitismusforschung, hat der Regisseurin Margarethe von Trotta in der SZ
vorgeworfen, mit ihrem Film "Rosenstraße" Geschichte verfälscht
darzustellen. Das widerspreche dem erklärten Anspruch des Films, wolle von
Trotta doch zeigen, was sich im Februar und im März 1943 in der Berliner
Rosenstraße zutrug.
Im Gebäude des jüdischen Wohlfahrtsamts wurden damals
jüdische Deutsche interniert, ihre nichtjüdischen Ehepartnerinnen
protestierten, und am Ende wurden die Internierten nicht deportiert, sondern
freigelassen. Zweifelhaft ist für Benz unter anderem, ob die Freilassung -
wie es der Film suggeriert - als Folge des Protests zu sehen ist. Als
"Geschichtsklitterung" beklagt der Historiker zudem einen Auftritt der
Filmheldin bei Goebbels, und in der Tat hat diese fiktive Begegnung vieles,
was einem in viel Seife weich gespülten bürgerlichen Trauerspiel entstammen
könnte.
Margarethe von Trotta hat ihren Film unterdessen im BR
verteidigt: "Im Vorspann des Films steht nur: Die Ereignisse haben wirklich
stattgefunden. Die Ereignisse sind die Frauen, die dagestanden haben und Mut
bewiesen haben. Warum die freigekommen sind, das kann weder Herr Benz sagen
noch irgendein anderer Geschichtler. Da gibt es nämlich wirklich keine
überzeugenden Dokumente."
In der ihrem Metier eigenen Logik haben beide Recht: der
Historiker, insofern er komplexe Fakten überschaut, von einfachen
Kausalbeziehungen nichts hält und daher jede Reduktion beklagen muss. Und
die Filmemacherin, insofern sie sich nicht damit aufhalten möchte, die
Bruchstücke von Geschichten abzubilden. Ihr ist es um eine Geschichte zu
tun, um eine überzeugende, packende zumal. Nicht leichter wird es, wenn
jeder Hinweis, ein Film beruhe auf wahren Begebenheiten, als Teil einer
narrativen Strategie zu verstehen ist. "Based on the true facts" lässt sich
umstandslos mit "Es war einmal …" übersetzen.
Was dabei im Fall von "Rosenstraße" ein Problem darstellt,
ist von Trottas Perspektive: Es ist ein warmer Blick, den sie auf die
Ereignisse wirft. Es geht von Trotta weniger darum, die historischen
Ereignisse zu durchdringen, als darum, ihnen das allgemein Menschliche
abzugewinnen. Doch genau dieses allgemein Menschliche hat sich im
Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus so grundlegend diskreditiert, dass
seine filmische Ausschmückung fragwürdig wird - zumal dann, wenn man keine
Bilder findet, die sich den eingeschliffenen Darstellungsweisen entziehen.
Man erkennt in "Rosenstraße" die Kulissen und die Kostüme wieder, die man in
"Aimée und Jaguar" oder "Leo & Claire" gesehen hat, und erschrickt: Warum
gelingt es so wenigen deutschen Spielfilmen, eine plausible ästhetische
Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus einzunehmen?
Es gibt Filme, die, obwohl auch sie sich nicht um ein
akkurates Abbild bemühen, kühle Perspektiven auf Geschichte und
Zeitgeschichte entwickeln. Manchmal führt dies zu jenem kristallinen
Augenblick, in dem man etwas scheinbar Bekanntes sieht und dennoch etwas
Neues passiert. "Rosenstraße" gehört leider zu den Filmen, in denen dieser
Augenblick ausbleibt.
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Rosenstrasse Filmkritik
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Historische Hintergründe - Denkmal - Biografisches
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26-09-2003 |