
Karl Pfeifer wird 75:
Laut "Nein!" sagen
Dieser Tage feiert Karl Pfeifer, Shoah-Überlebender und
publizistischer Streiter gegen den Antisemitismus, seinen 75. Geburtstag.
Eine Würdigung von Heribert Schiedel
In Baden aufgewachsen, musste Karl früh erfahren, was es
heißt, als Jude in feindlicher Umgebung zu leben. Mit dem "Anschluss"
radikalisierte sich der österreichische Antisemitismus weiter und an eine
gesicherte Existenz war immer weniger zu denken. Nun auch formal ausgestoßen und
von der "Volksgemeinschaft" beraubt, floh die Familie im Sommer 1938 nach
Ungarn, dem Geburtsland von Karls Eltern.
Nach einem knappen Jahr im jüdischen Internat Debreczen, wo Karl
in gesicherter Umgebung kurz daran glaubte, Jude und Ungar sein zu können, war
er auch in Budapest mit Antisemitismus konfrontiert. Das Gefühl der universellen
Ausgeschlossenheit führte ihn zum Linkszionismus. So trat Karl 1940 dem Hashomer
Hazair, einer auch in Ungarn illegalen jüdisch-sozialistischen Jugendgruppe,
bei.
Dort erwuchs ihm das Bewußtsein der drohenden Gefahr durch den
Vernichtungsantisemitismus. Während viele seiner Verwandten in den
deutsch-österreichischen Todesmühlen ermordet wurden, konnte sich Karl in
Sicherheit bringen. Anfang 1943 war er unter 50 jüdischen Kindern und
Jugendlichen, die auf abenteuerliche Weise die Flucht nach Palästina schafften.
Sein Vater überlebte in einem Kellerversteck, starb jedoch unmittelbar nach der
Befreiung durch die Rote Armee. Karls Mutter starb bereits 1941 nach längerer
Krankheit.
Voller Begeisterung für das jüdisch-sozialistische Aufbauwerk
fand Karl im Kibbuz Maabarot bei Chedera eine neue Heimat. Doch auch hier war
das Leben bedroht: Von Einpeitschern wie dem Großmufti von Jerusalem, einem der
vielen arabischen Parteigänger des Nationalsozialismus, aufgehetzte
Palästinenser bekämpften die gerade dem Vernichtungswahn Entkommenen. Zwischen
1947 und 1949 kämpfte Karl in der Hagana und später in der israelischen Armee
zunächst für die Unabhängigkeit und dann für den Bestand Israels.
Das wird ihm heute von linken AntizionistInnen vorgehalten. Aber
nicht seit jeher zeigt sich die Linke derart blind gegenüber der Notwendigkeit
jüdischer Selbstverteidigung und Staatsbildung. So sprach Max Adler 1933 vor
ArbeiterzionistInnen in Wien von der berechtigten "Wehrhaftigkeit (...), solange
sich die arabischen Massen noch von ihren Effendis gegen die jüdischen Siedler
aufhetzen lassen." Und die Sowjetunion begrüßte zunächst die Gründung Israels,
dessen Schutzfunktion angesichts der Shoah evident war.
1951 kehrte Karl jedoch nach Österreich zurück. Er tat dies, wie
er heute sagt, aus schierer Neugier und aus Abenteuerlust. In Wien suchte er
zunächst die Nähe von KommunistInnen, denen er wie so viele Juden und Jüdinnen
ihren Beitrag zur Befreiung hoch anrechnete. Aber ein Beitritt zur KPÖ
scheiterte an Karls Atheismus, der ihn auch nicht an die Unfehlbarkeit Stalins
glauben ließ. Bald wurde er zu einem leidenschaftlichen Streiter gegen den
zunehmend in der Linken grassierenden Antisemitismus, der sich antizionistisch
gebärdet.
Zunächst in Leserbriefen und dann als Autor in verschiedenen
Zeitungen (AZ, Wiener Tagebuch, FORVM, Wochenpresse usw.) widmete sich Karl
daneben dem "Realen Sozialismus" in Ungarn und den NS-Kontinuitäten in der
Zweiten Republik. Zwischen 1982 und 1995 arbeitete Karl als Redakteur der
Gemeinde, dem Organ der Israeltischen Kultusgemeinde (IKG). Aber auch innerhalb
der jüdischen Gemeinde wurde und wird ihm nicht immer Sympathie
entgegengebracht.
Seine intensive publizistische Beschäftigung mit dem
Antisemitismus, die ja keiner persönlichen Marotte entspringt, sondern ihm von
den herrschenden Zuständen in Österreich aufgezwungen wird, stand und steht oft
im Widerspruch zum (verständlichen) Wunsch nach Normalität.
Sein Engagement brachte Karl Anfang 2000 den Vorwurf des
blau-schwarzen Wochenblättchens Zur Zeit ein, den rechtsextremistischen
Politologen Pfeifenberger in den Tod "gehetzt" zu haben. Er identifizierte
nämlich zuvor Pfeifenbergers Auslassungen im FPÖ-Jahrbuch als "NS-Töne", was
diesen in Konflikt mit österreichischem Recht brachte. Einem
Verbotsgesetzverfahren entzog sich Pfeifenberger mutmaßlich durch Selbstmord,
wofür unter der Verantwortung des damaligen Haider-Beraters Mölzer der "jüdische
Journalist Karl Pfeifer" verantwortlich gemacht wurde.
Ich verdanke Karl, den ich Mitte der 90er Jahre im
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) kennen lernte, sehr
viel. Neben dem klareren Blick auf die antisemitischen Bedrohungen, der
ungebrochenen Leidenschaft im Kämpfen und dem Humor, der davor schützt, über die
Beschäftigung mit dem Wahn selbst wahnsinnig oder zynisch zu werden, ist es vor
allem sein praktischer Humanismus, der mir als Vorbild dient.
Volksstimme Wien, 21.8.03
Karl Pfeifer:
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hagalil.com 31-08-2003 |