Im
Lichte der Zukunft schrumpfen Deine Vergehen zu einer Nichtigkeit
(Offener Brief von
Joe Fleisch an Mischu Friedman)
Und es begab sich im Sommer
2003, dass der Antisemit Jürgen Möllemann, ein Freund deutscher
Waffenhändler und großarabischer Despoten in den Tod stürzte. Da aber Allahs
Rachedurst groß ist, kam es Tage später zu den Hausdurchsuchungen bei
Möllemanns Intimfeind, Michel Friedman. In dem ehemals gewaltsam
demokratisierten Deutschland breitete sich Genugtuung aus. Obwohl
ethisch-moralisch völlig unhaltbar, stand nun plötzlich eine Gleichung im
Raum, die nicht allzu sehr hinterfragt wurde: X war gleich Y, Möllemann
gleich Friedman, und die Unterstützung des Verkaufs waffenfähiger,
bundesdeutscher Dual-Systeme an brutalste arabische Volksunterdrücker gleich
– gelegentlicher Kokain-Genuss und Hurerei.
War soviel Glück möglich?
Sollte nun wie die zahlreichen schnauzbärtigen Saddam-Hussein–Statuen der
ewig unsympathische „Gib-endlich-Friede-Mann“ vom Sockel stürzen? War der
jüdische, neo-konservative, aalglatte, geschniegelte und dunkelhäutige
Schönling überhaupt je wirklich politisch korrekt gewesen? War es nicht
widerlich und unausstehlich, wie in seinem TV-Labor die bigotten Nachkommen
der deutschen Volksgenossen zu bewegungsstarren Teutonengestein gefroren;
ausgeliefert seiner rhetorischen Genialität, seiner Arroganz, seinem
unüberwindlichen Besserwisser- und Genießer-Lächeln? Konnten einem nicht die
Haare zu Berge stehen, angesichts dieser scheußlich seelenruhigen, fast
schon pathologisch unverschämten Verachtung in seinem verschlagenen Blick,
die er konsequent und erbarmungslos eine ganze Sendung hindurch auf seinem
jeweiligen Gesprächsrivalen ruhen ließ?
Von des öko-links
pazifistischen Ströbeles überschäumender Abneigung gegenüber der USA und
Israel, bis hin zu des rechtskonservativen Roland Kochs kaltblütiger
Ausnutzung kleinbürgerlicher Ausländerangst; neben dem agilen, dominanten,
gutaussehenden Friedman mutierten sie zu hässlichen Deutschen.
Was um so mehr schmerzte, weil
doch der Typ alles in allem einen eher lächerlichen Eindruck machte. Einer
unwirklichen, aus einer italo-französischen Filmglosse entsprungenen
Kitsch-Figur ähnelnd, war er über die Jahre hinweg zu jenem Star avanciert,
den wir Deutschen uns mit den Untaten unser Großeltern-Generation redlich
verdient hatten, und - auf den wir von nun ab verzichten wollen?
Steven Spielberg verdankte sein
Oskar-preisgekröntes Filmspektakel dem deutschen Helden Oskar Schindler,
einem der wenigen, aktiven Gerechten in der Hölle des 3. Reichs. Michel
Friedmans gottselige Eltern verdankten ihm ihr nacktes Leben. Hieraus speist
sich die Energie, die ihn zum allseits akzeptierten, bewunderten und
gefürchteten Störfaktor macht, seine Erscheinung zu einem Kunstwerk, die
sich kein noch so phantasiebegabter amerikanisch-jüdisch-deutscher
Hollywood- oder Babelsberg-Drehbuchautor hätte ausdenken können: und seine
Talk-Shows zu einem eminent wichtigen Psychogramm der deutschen
Nachkriegsgesellschaft, die unsere weisen Lehrbeauftragten in 100 Jahren
ihren Medien- und Kommunikationsstudenten als Pflichtlektüre vorsetzen
werden.
Und so schreie ich denn laut
und beschwörend „Mischu!“, denn so nennen wir, seine Verwandten, Freunde und
Bekannte ihn nun einmal, „steh zu dem was Du bist! Die Zukunft zählt, scheiß
auf die Psycho-Fallen der Gegenwart! Sie gieren danach aus Dir eine
Wiederauflage von Lion Feuchtwangers „Jud Süß“ zu machen! Nur bist Du weder
mittelalterlichen Herzögen, noch postmodernen Politikern in den Arsch
gekrochen. Und wenn abgehobene Avantgardisten wie ich Deine
Geschmacksverirrungen belächeln und sie sogar als anbiedernd empfinden, wenn
Du auch unbestreitbar im Kielwasser der Spießer fährst, wenn Dir
neunmalkluge Zeitungsfritzen wiederholt Deine unübersehbare narzisstische
Störung vorhalten, wenn Deine Arroganz durchaus manchmal zum Kotzen ist, und
wenn Dein Auftreten oft als schleimig empfunden wird – wie unsere arabischen
Cousins werden ja auch wir Hebräer im Okzident häufig als schleimig
wahrgenommen; all diese Eigenschaften sind am Ende die Zutaten zu jenem
Rezept, mit dem Du bereits jetzt eine unsterbliche Projektionsfigur im
deutschen Medienbewusstsein kreiert hast.
Du bist der Sohn zweier
Menschen, die das Schlimmste erlebt haben, das Menschen Menschen antun
können, und deswegen bete ich darum, dass Du stark bleibst und das einzig
Richtige tust an diesem Punkt Deines Lebens, nämlich würdevoll Deinen
Gegnern ins Gesicht zu lächeln.
In 70 Jahren wird man, je nach
individueller Veranlagung und Beschwerde die jeweils moderate Dosis Kokain,
Heroin, LSD, Extasy und natürlich auch Cannabis in jeder gottverdammten
Apotheke für kleines Geld unkompliziert erstehen können, so wie das bereits
vor 70 Jahren der Fall war. Genauso wenig wie französische Weinbauern,
amerikanische Whiskey-Brenner und deutsche Bierbrauer werden sich ihre
Kollegen in Asien und Süd-Amerika beim Koks-, Mohn- oder Cannabis-Anbau
davor fürchten müssen, von schwerbewaffneten Anti-Drogen-Einheiten um die
Früchte ihrer Arbeit gebracht zu werden.
Weist man Sünder wie Dich und
mich darauf hin, dass käuflicher Sex häufig mit Menschenhandel und
Ausbeutung in Verbindung steht, sollte dann nicht auch erwähnt werden, dass
der stinknormale Konsum exotischer Genussgüter wie Tee, Kaffee, Schokolade,
Bananen, etc. in der Regel einen Support von Elend und Kinderarbeit
bedeutet? Von unseren coolen Sportklamotten ganz zu schweigen? Und dass sich
die Bürgerkriegsparteien im Kongo u.a. durch einen regen Handel mit Coltan
finanzieren, ein extrem leitfähiges Erz, dass in allen unseren Handys,
Computern und Spiel-Konsolen steckt?
Vielleicht werden diese, die
eigentlichen ethischen hard-core-Problematiken unserer Zeit in 100 Jahren zu
den abgeschlossenen Kapiteln einer dunklen Vergangenheit gehören. Vielleicht
werden sich unsere Nachkommen für das weltweite hysterische Protestgebelle
schämen, das angesichts der großen Menschenrechtsdesaster ausblieb. aber bei
der Befreiung der Irakis von ihrem Massenmörder-Regime in voller ödipaler
Anti-Amerika-Wut ertönte. Wer weiß?
An Dich, mein lieber Mischu,
wird man sich erinnern, als jemand der Lüge, Heuchelei und Verdrängung in
der deutschen Politik bekämpfte. Vor allem in unserem latenten
Antisemitismus werden die Geschichtsschreiber die Ursache für die
Fixiertheit auf den Nah-Ost-Konflikt erkennen, welche die
Massenabschlachtereien, wie sie u.a. im Kongo, in Ruanda, im Sudan oder in
Tschetschenien stattfanden, rücksichtslos in ein bedeutungsloses Abseits der
Medienaufmerksamkeit abschob.
In einem solchen Licht
betrachtet, schrumpfen Deine Vergehen, mit denen man Deinen moralischen
Anspruch untergraben will, zu einer Nichtigkeit zusammen. Stolz und arrogant
wie bisher solltest Du darauf warten, dass deutsche TV-Macher Dich alsbald
beknien werden, weiterzumachen. Als deutscher Jude möchte ich in der
Polit-Arena vor allem von jemanden wie Dir vertreten werden, und als
Fortgeschrittener unter den Fortgeschrittenen möchte ich Dich im deutschen
Fernsehen nicht missen.
FORUM
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Joe Fleisch?
Siehe
http://joefleisch.de und
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07-07-2003 |