Neu im Kino:
Annas Sommer
Gudrun Wilhelmy
Der neue Film von Jeanne Meerapfel
ist eine Enttäuschung. Eine Geschichte, die in sich Spannung verspricht,
wird hier steif vorgetragen. Und das ist hier kein Kunstmittel, sondern
schlechter Stil.
Die Rahmenhandlung: Anna kehrt nach
dem Tod ihres Mannes, gefolgt vom Tod ihrer Mutter, in das Haus ihres
Vaters und Großvaters auf eine griechische Insel zurück. Und dort lebt
sie mit den Gespenstern der Vergangenheit und denen der Gegenwart
gleichermaßen. Steif und unlebendig bewegt sie sich sowohl in den Szenen
ihrer Gegenwart, wie in denen der Vergangenheit. Sie spielt eine Rolle:
Tochter, Geliebte, Frau, Hausbesitzerin, Fotografin. Ein wirkliches Bild
dieser Anna, es ist nicht zu finden, nicht zu sehen. Und auch die
anderen Personen des Films bleiben hölzern vorgetragene Sätze.
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Und die Bilder sind pathetisch
und strapazieren selbst populistisches Psychologieverständnis. Der
Sprung ins Meer, das Öffnen der Truhe an dunklem Ort, der statische
Lichtfall in das Hausinnere von vermeerschen Bildern kopiert, die
schwankende Deckenbeleuchtung zum gedankenschweren Gesicht. Doch
Anna sind weder ihre Gedanken anzusehen, noch Gefühle. Wir kennen,
dass Tränen Traurigkeit bedeuten, Trauer, doch bei Anna sind es
Filmtränen. Die Person Anna bleibt unerschüttert bei Auschwitz, dem
Ort des Todes ihrer Großmutter, Galizien ist die Heimat der Mutter,
scheint niemals eigene geworden zu sein, das Haus auf der
griechischen Insel bleibt das Haus der väterlichen Familie. Das Heim
von Max, ihrem Mann, bleibt das seine. |
Anna, selbst wenn sie die Kamera
vor die Augen hebt, legt zum Schluß das Foto von Max in die Truhe,
gefüllt mit Erinnerungsstücken aus der Vergangenheit.
Alles geschieht mechanistisch, ohne Bewegung. Anna wendet nur den Kopf,
dorthin, wo jeweils die Personen der Erinnerung auftauchen. Wir sehen
Menschen sich streiten, sich lieben, sich verlassen und alles, alles
bleibt Film.
Würde sich dies nur als stilistisches Mittel bei jenen Bildern aus der
Erinnerung handeln, hätten sie einen inhaltlichen Sinn. Aber die Bilder
aus Annas Gegenwart mit dem jungen Geliebten, ihrer Freundin aus
Kindertagen oder den Kaufinteressenten stehen ihnen an Steifheit und
Gespieltheit in nichts nach. Es ist, als würde alles in Annas Umgebung
vom Tod infiziert, von plakativer Unlebendigkeit. Eine Menora und eine
Kippa machen daraus kein jüdisches Thema, ebenso wenig wie das bei einer
Seebestattung gesprochene Kaddisch. Allein hier wird deutlich, daß das
Jüdische eher zum Vorwand einer Filmerzählung dient als ein echter Anlaß
zu sein.
haGalil onLine
19-12-2001 |