Rumänische Lokalpolitiker planen die
Errichtung von Ghettos für Roma
Die neofaschistische Organisation "Neue Rechte" macht mobil
Zigeuner hinter Stacheldraht
"Ich werde sie auf die Straße setzen, dann können sie sich in alle vier
Windrichtungen verziehen und gehen, wohin sie wollen. Sie interessieren
mich nicht mehr. Ich wollte ihnen einen Gefallen tun, doch sie meinten,
ich hätte etwas Böses im Sinn gehabt. So ist nun mal der Zigeuner! Immer
wenn du ihm beistehen willst und ihm einen Finger reichst, will er
gleich die ganze Hand." Mit dieser wirren Erklärung verabschiedete sich
der in die Kritik geratene Bürgermeister der ostrumänischen Stadt,
Piatra Neamt, Ion Rotaru, von seinem umstrittenen Projekt, etwa 2000
Roma in einem Ghetto unterzubringen.
Noch vor wenigen Tagen verteidigte er die Umwandlung ehemaliger
Hühnerställe in Wohnungen für Roma, als ein großartiges soziales
Unterfangen, das sogar vom rumänischen Informationsminister als ein
"soziales und nachahmenswertes Projekt" gelobt wurde. Die Absicht des
Bürgermeisters, die Roma mit einem Sonderausweis auszustatten und in die
am Stadtrand gelegenen Ställe zu isolieren, das Areal mit Stacheldraht
einzuzäunen und von Polizisten und Hundestaffeln bewachen zu lassen,
stieß auf Proteste seitens der Romaorganisationen und mehrerer
Menschenrechtsgruppen. In einem offenen Brief der Romaorganisation
"Romani CRISS" wurden die diskriminierenden "Disziplinierungsmaßnahmen"
des Bürgermeisters offen als "Nazimethoden" angeprangert. Die
Organisation verwies ausdrücklich darauf, dass derartige Maßnahmen den
euroatlantischen Integrationsbemühungen des Landes schaden und
letztendlich im Widerspruch zu dem von der rumänischen Regierung
verabschiedeten Strategiepapier bezüglich der Verbesserung der sozialen
Bedingungen der Roma stünden. "Wenn man unter meinem Versuch, Leuten
Wohnungen und Essen zur Verfügung zu stellen, so etwas wie eine
Verletzung der Menschenrechte oder Rassismus á la Mengele oder Antonescu
versteht, dann kann man mich ruhig als fremdenfeindlich oder rassistisch
bezeichnen", erklärte der sprücheklopfende populistische Bürgermeister
noch in der vergangenen Woche in den rumänischen Medien.
Schon die Erwähnung des Namens Antonescu in diesem Zusammenhang ist eine
offene Provokation für die Roma Rumäniens und weckt Erinnerungen an den
Holocaust. Der militärfaschistische Diktator Antonescu (1941-44) wurde
1946 u.a. auch wegen der Deportation und Ermordung von etwa 30 000 Roma
als Kriegsverbrecher und Initiator des Genozids an den rumänischen Juden
und Zigeunern zum Tode verurteilt. Rumänische Ultranationalisten
forderten nach der Wende eine Rehabilitierung des faschistischen
Militärdiktators und errichteten ihm in mehreren Städten Denkmäler. So
auch die Stadt Piatra Neamt, deren Bürgermeister der regierenden
Sozialdemokratischen Partei (PSD) angehört.
Für die auf europäische Integration bedachte rumänische Regierung kam der
Zwischenfall völlig ungelegen. Der am 15. Oktober in Berlin bei einer
vom Auswärtigen Amt organisierten Konferenz gegen Menschenhandel als
moderne Form der Sklaverei weilende rumänische Außenminister und
amtierende Vorsitzende der Organisation für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa(OSZE), Mircea Geoana antwortete ausweichend auf
die Frage nach dem Projekt des Bürgermeisters, die Roma in einem Ghetto
unterzubringen. Geoana berief sich auf eine Aussage des
Staatspräsidenten Iliescu, der am Wochenende die Entscheidung des
Bürgermeisters als "unklug" bezeichnet hatte, und meinte mit
diplomatischer Eloquenz, dass auch westeuropäische Länder Probleme mit
der Integration von Roma und Sinti hätten.
Einstweilen aber ist das umstrittene Projekt des Bürgersmeisters in
Rumänien populärer denn je. Die Gemeindevorsteher aus Deva, Iasi und
Baia Mare kündigten inzwischen an, die Roma in ähnlichen "sozialen
Einrichtungen" unterzubringen wie der Bürgermeister in Piatra Neamt.
Mehrere Tageszeitungen - darunter auch die regierungsfreundliche
"Adevarul" (Die Wahrheit) - entfachten unterdessen eine kaum zu
überbietende romafeindliche Kampagne. In einem bösartigen Pamphlet
beschimpfte das Blatt die Vertreter verschiedener Romaorganisationen als
"Luxuszigeuner" und beschuldigte sie, Rumänien auf europäischer Ebene
anschwärzen zu wollen und einen nicht existierenden interethnischen
Konflikt herbeizureden. Den Präsidenten der Romaföderation verunglimpfte
das Blatt als einen "Parteiaktivisten neuen Typs", die Vorsitzende des
Helsinkikomitees als eine "Sängerin zigeunerischer Bürgerrechtslieder".
Menschenrechtsorganisationen wie die "Liga Pro Europa" und die
Romavereinigung "Romani CRISS" kündigten nun juristische Schritte gegen
die Zeitung an.
In die Auseinandersetzung haben sich nun auch militante
rechtsextremistische Organisationen sozusagen als Trittbrettfahrer
eingeschaltet. Mitglieder der militanten Organisation "Neue Rechte"
haben in Deva die Litfasssäulen mit Plakaten überklebt, auf denen sie
für eine radikale Lösung des "Zigeunerproblems" werben. Der Vorsitzende
der "Neue Rechten", Tudor Ionescu erklärte in einem Interview, dass
seine Organisation gegen die Überfremdung des rumänischen Volkes kämpfe
und dafür plädiere, die Zigeuner zu isolieren und die Zigeunerfrauen
Zwangsabtreibungen zu unterwerfen. Die lokalen Behörden aus Deva
bestritten jeglichen Zusammenhang mit dem Auftauchen der
Propagandaplakate der "Neuen Rechten" und der Absicht des
Bürgermeisters, die Roma in einem am Rande der Stadt gelegenen Viertel
einzuquartieren.
William Totok Berlin, 17.10.2001
haGalil onLine 30-10-2001 |