Schwieriger Gast aus Damaskus
Harsche Kritik aus Politik und Jüdischen Gemeinden überschattet
den Besuch des syrischen Präsidenten Assad in Berlin
Heute Abend trifft Syriens Präsident Baschar
al-Assad in Berlin ein. Der Mann ist alles andere als ein einfacher
Staatsgast, denn der 35-Jährige hat nach einem Jahr Amtszeit fast so
viele Kritiker wie sein verstorbener Vater Hafis. Die
Bundesregierung dürfte deshalb versuchen, nicht zwischen die Fronten
zu geraten und sich mit ausgedehnten Wirtschaftsgesprächen aus der
Klemme zu retten: Deutschland ist Syriens größter Handelspartner.
Nicht nur die freundliche Haltung Deutschlands zu
Syriens Erzfeind Israel wirft Probleme im Verhältnis zwischen Berlin
und Damaskus auf. Es sind konkrete Vorwürfe, die französische und
deutsche Kritiker an den Syrer richten. Während des Papstbesuches in
Damaskus vergangenen Mai soll der junge Staatschef gesagt haben,
dass "die Juden alle Prinzipien aller Religionen verletzen, genauso
wie sie Jesus verraten haben und versucht haben, den Propheten
Mohammed zu töten". Die Reaktion: Als Assad Ende Juni Paris
besuchte, demonstrierten 10.000 Menschen gegen seine Anwesenheit.
Zwei Initiatoren des Protestes sind Beate und
Serge Klarsfeld. Am letzten Dienstag schalteten sie eine ganzseitige
Anzeige in der taz. Darin fordern sie im Namen der Organisation
"Söhne und Töchter der deportierten Juden aus Frankreich"
Demonstrationen gegen den Besuch Assads, den sie als "Goebbels der
arabischen Länder" titulieren. Die Jüdische Gemeinde Berlins plant
heute eine Protestaktion am Ort des künftigen Holocaust-Mahnmals.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Reinhold Robbe nannte Assad gestern
eine "Zumutung für Deutschland" und forderte Außenminister Fischer
auf, dem Gast die "ablehnende Position der zivilisierten Welt"
deutlich zu machen. Die Grünen-Politiker Christa Nickels und
Christian Sterzing begrüßten Schröders Gespräch mit Assad auf der
Suche nach einem Gewaltstopp in Nahost. Syrien trage jedoch durch
Unterstützung der libanesischen Hisbullah zu den Spannungen bei.
Neben Assads Äußerungen prangern die Kritiker eine
alte syrische Hypothek an: Naziverbrecher Alois Brunner, ehemals
rechte Hand von Adolf Eichmann und verantwortlich für die
Deportation tausender Juden aus Deutschland, Frankreich und
Griechenland, soll in Damaskus Unterschlupf gefunden haben. Ob
Brunner noch lebt, ist unklar - die Syrer haben seine Anwesenheit
stets abgestritten. Auch dieses Thema wird zwischen Schröder,
Fischer und Assad stehen.
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taz Nr. 6492 vom 10.7.2001
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11-07-2001 |