Der Preis
der Intifada
von Nehemia Strasler, Ha’aretz
Kurz vor Ausbruch der Al-Akza Intifada, ging es der israelischen
und der palästinensischen
Wirtschaft so gut wie noch nie zuvor. Israel erntete die
Ergebnisse einer blühenden
Start-up Spitzenindustrie, mit einer ungehörten
Zuwachswachsrate von 8-9 Prozent während
der drei ersten Quartale des Jahres 2000. Auch das Lebensniveau
der Palästinenser
hatte beeindruckende Fortschritte gemacht. Die Palästinensische
Autorität
(PA) machte Pläne
für
den Bau von sechs Rieseneinkaufszentren an der unsichtbaren
Grenze zwischen Israel und den palästinensischen
Gebieten, die noch mehr Israelis zum Einkauf auf der Westbank
anlocken sollten. Wer kann die langen Autoschlangen vergessen,
die jeden Samstag bei der Einfahrt von Biddya den Verkehr
stillstellten?
Daher ist es umso trauriger und enttäuschender
festzustellen, wieviel Reichtum, wieviele goldene
Entwicklungsgelegenheiten, die Chance, das Lebensniveau zu erhöhen
und die geistigen Horizonte zu erweitern auf beiden Seiten
verloren gingen infolge auf die Kämpfe,
die Ende September letzten Jahres ausbrachen.
-
Wirtschaftswachstum. Die erste Variable, die zum
sofortigen Opfer der Intifada wurde, war das
Wirtschaftswachstum. Der Fremdenverkehr wurde praktisch sofort
zerstört.
Der Bausektor stürzte
ganz tief, kurz nachdem er Mitte 2000 erste Erholungszeichen
aufgewiesen hatte. Andere Wirtschaftssektoren begannen kurz
danach auch den schweren Einfluß
der Intifada zu spüren.
Bis zu den jüngsten
Gewalttaten war die Voraussicht für
die wirtschaftliche Zuwachsrate 5-6 Prozent in 2001. Jetzt ist
es jedoch klar, daß
der Zuwachs nicht mehr als 1-2 Prozent sein wird, was eine 4%ige
Produktionseinbuße
bedeutet - also 4 Milliarden Dollar oder etwa NIS 6.000 pro
Familie in Israel.
Aber in der Wirtschaft ist nichts unkompliziert, so daß
es nicht sicher ist, daß
nur die Intifada die Schuld an diesen Verlusten trägt.
Schließlich
erlitt die israelische Wirtschaft im letzten Quartal des Jahres
2000 einen schweren Schlag aus einer ganz anderen Richtung, als
die Nasdaq Wertpapierbörse
fiel, und Israels Start-up Gesellschaften stark betroffen
wurden.
-
Der Strom von Anlagekapital nach Israel. Die Milliarden
Überseedollars, die im vorgen Jahr in die israelische Wirtschaft
strömten,
trockneten einfach aus. Der gesamte Kapitalanlagenstrom aus dem
Ausland scheint
über Nacht verdampft zu sein. Der Hauptgrund dafür
ist die Krise bei den Start-up Firmen, die einst keine
Schwierigkeiten hatten, auf der Nasdaq Wertpapierbörse
Milliarden Dollar aufzunehmen. Geringere ausländische
Kapitalanlagen bedeuten eine verlangsamte Zuwachsrate der
Wirtschaft. Eine dramatische Abnahme ist auch bei inländischen
Anlagen ersichtlich, die sich wegen der erhöhten
militärischen
Gefahren zurückhalten.
-
Arbeitslosigkeit. Wenn auch die jüngsten
Zahlen noch nicht daraufhinweisen, muß
die diesjährige
verringerte Wirtschaftszuwachsrate zwingend in eine höhere
Arbeitslosenrate
übersetzt werden.
-
Internationaler Kreditstatus. Die internationale
Kreditstatusfirma Fitch teilte diese Woche mit, daß
die feste Möglichkeit
besteht, daß
sie demnächst
Israels internationalen Kreditstatus verringern müsse,
u.z. wegen der schlechteren Sicherheitslage seit der Veröffentlichung
des letzte Fitch Berichtes in Dezember 2000 und wegen der
schlechten Aussichten für
eine Entspannung oder für
eine Wiederaufnahme des Friedensprozesses. Ein geringerer
internationaler Kreditstatus für
Israel würde
einen schlechten Einfluß
auf die Nationalwirtschaft nach sich ziehen. Er würde
israelische Firmen dazu zwingen, im Ausland Verhandlungen
über Anleihen zu führen
und höhere
Zinsraten zu zahlen. Dies würde
wiederum den Investitionswunsch verringern, die
Produktionsniveaus herabsetzen und letztenendes die
Arbeitslosenrate erhöhen.
-
Das Staatsbudget. Diese Woche beschloß
die Regierung NIS 2,8 Milliarden von
den Budgets verschiedener Ministerien zu streichen, um
die Mittel für
die Deckung der zusätzlichen
Kosten der Verteidigungskräfte
zu besorgen, sowohl wegen der Intifada als wegen der Drohungen,
die aus Israels Nachbarschaft ausgehen. Budgetkürzungen
dieses Ausmasses werden der israelischen Gesellschaft einen
schweren Schlag zufügen
- dem System sozialer Dienstleistungen und vor allem den
Grunddiensten für
israelische Bürger
auf dem Feld der Erziehung, der Gesundheit, der
Einwandererabsorption und des Wohnungsbaus. Alles wird von den
Budgetkürzungen
betroffen, einschließlich
der Infrastruktur des Landes, denn vom Budget der Hafen- und
Eisenbahnautorität
sollen NIS 350 Millionen abgezogen werden. Weniger Geld bedeutet
auch die vorläufige
Verschiebung des Ausbaus einer zweispurigen Eisenbahnlinie nach
Beer-Sheva.
-
Die Europäische
Union. Israelische Exporte in die Länder
der Europäischen
Union genossen bis jetzt ein Preferentialstatus, das die Form
vollkommener Zollfreiheit annahm. Aber in der EU steigt der
Druck für
die Auflage von vollen Zollzahlungen auf alle isrelische
Exporte, deren Ursprung in den Industriezonen oder
Landwirtschaftszonen der Gebiete ist. Die Begründung
für
diesen Druck ist das Argument, daß
die Siedlungen nicht Teil des eigentlichen Israel sind. Das
Ergebnis wäre
eine weitere Abnahme der Wirtschaftsaktivität
und zwingende Folge daraus eine weitere Zunahme der
Arbeitslosigkeit.
-
Langfristiger Einfluß.
Der kurzfristige Einfluß
des Intifidaausbruchs war ein schwerer Schaden für
die israelische Wirtschaft, was in einem besonders schlechten
letzten Quartal des Jahres 2000 zum Ausdruck kam. Heutzutage
befindet sich Israel halbwegs zwischen dem kurzfristigen und dem
langfristigen Einfluß.
Die Wirtschaft befindet sich in einer Anpassungsphase, sie
reorganisiert sich, um mit der neuen Lage zurechtzukommen, während
der Privatkonsum erstaunlicherweise steigt. Das Problem sind die
langfristigen Auswirkungen.
Wenn die Kämpfe
und Bombenanschläge
weitergehen und Israels Image wieder das eines Garnisonsstaates
ist - ein international geächteter
Staat, der Bombenangriffe aus der Luft gegen Flüchtlingslager
ausführt
- sind die wirtschaftlichen Aussichten düster:
Die Anlagenfinanzierung wird vertrocknen, die Aussichten für
künftigen
Wirtschaftszuwachs werden verblassen, das trübe
Wirtschaftsklima wird noch hoffnungsloser, und die schlechte
moralische Einstellung der israelischen
?ffentlichkeit wird noch tiefer sinken.
24.5.2001
haGalil onLine 11-06-2001
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