Politische Rhetorik:
Islamisierung der Sprache
DIE islamistischen
Gruppierungen halten sich eher bedeckt, doch ist in der politischen Rhetorik
eine Islamisierung nicht zu übersehen. Das zeigt schon der Beiname al-Aksa,
den die neue Intifada erhalten hat.
Der Felsendom mit seiner
berühmten vergoldeten Kuppel ist seit langem ein bedeutendes
nationales Symbol der Palästinenser, und bereits in den
Siebzigerjahren stand in jedem PLO-Büro eine kleine Modellausführung
dieser Moschee. Dabei stellt der Verweis auf die al-Aksa-Moschee
symbolische Bezüge her, die viel stärker islamisch geprägt sind.
Wenn in den
Palästinensergebieten die "Märtyrer" zu Grabe getragen werden,
erschallen wieder und wieder die Rufe "Allah ist groß", und das Bild
des Leichenzugs ist bestimmt von den schwarz-gelben Fahnen der
Hisbollah - die wiederum von Fatah-Aktivisten geschwungen werden.
Man kann daraus schließen, dass die libanesische Bewegung, zu der
sich seit dem israelischen Rückzug aus dem Südlibanon, im Mai 2000,
alle militanten Palästinenser bekennen, weniger als ideologisches
Vorbild für einen islamischen Staat begriffen wird, sondern als
strategische Option für die Radikalisierung des nationalen Kampfs im
Namen des Islam.
Die Islamisierung der Sprache
scheint hauptsächlich darin zu bestehen, dass man sich aus einem
Fundus von Parolen und symbolischen Bezügen bedient, die geeignet
scheinen, die palästinensische Gesellschaft zur aktiven Gestaltung
ihrer Zukunft zu bewegen. Sprache erscheint als das wirkungsvollste
Mittel zur Mobilisierung im nationalen Kampf. Dass sie dazu taugt,
hat sich in zahlreichen antikolonialen Bewegungen erwiesen.
Schließlich erscheint vielen der Islam als die letzte Rettung, wenn
es um die Wahrung der sozialen und kulturellen Identität geht. Das
hat im Frühjahr 1998 die Auseinandersetzung zwischen den Delegierten
eines "Parlaments der Frauen" und dem Scheich Hamid Bitaui in Nablus
gezeigt, der bald Schützenhilfe von Bassam Dscharrar erhielt, einem
der Sprecher der Hamas im Westjordanland.
Verschiedene
Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Rechte der Frauen
einsetzen, hatten 1996 und 1997 eine Reihe von regionalen
Arbeitsgruppen ins Leben gerufen und als krönenden Abschluss dieser
Initiative ein "Parlament" zusammentreten lassen. Dieser
"Modellversuch" ergab zahlreiche konkrete Vorschläge für die
Änderung geltender Rechtsvorschriften - ausgehend vom Grundsatz der
Gleichheit (anstelle der Vorstellung einer wechselseitigen
Ergänzung) von Mann und Frau. So wurde etwa angeregt, dass die
Ehegatten zu gleichen Teilen Verantwortung für den Unterhalt der
Familie tragen sollten. In diese Diskussion mischten sich Scheichs
und islamistische Aktivisten ein, die allerdings nicht grundsätzlich
zu den Vorschlägen Stellung nahmen, sondern sich in der Regel darauf
beschränkten, die Gegenseite als fünfte Kolonne des sittenverderbten
Westens zu diffamieren, der zur Vernichtung des Islams entschlossen
sei.(1) Viele, und nicht nur die Vorkämpfer eines politischen
Islams, glauben jedoch, dass gerade diese Abkehr vom Westen im Namen
des Islams die Kraft zur Rettung der nationalen Identität verleihen
kann.
N. P.
Fußnote:
(1) Siehe Rema Hammami und Penny Johnson, "Equality with a
Difference: Gender and Citizenship in Transitional Palestine",
Social Politics, Oxford, Winter 1999.
© Contrapress media GmbH
Vervielfältigung nur mit Genehmigung des taz-Verlags
haGalil onLine
20-03-2001
|