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Der erste Satz, den ich auf Hebräisch
gelernt habe, besteht aus fünf Wörtern und einer unmissverständlichen Aussage:
"Slicha, ani haiti kodem kan. – Entschuldigung, ich war vor Ihnen da." Jeden Tag
wappne ich mich mit diesem Satz, obwohl er nichts nützt.
Fünf Zeitungen kaufe ich morgens an einem
Kiosk. Er gehört einer argentinischen Großfamilie, die ihr bestes Geschäft mit
ultra-orthodoxen Männern macht, die Playboy und Hustler
kaufen.
Während Bernardo, der Kioskbesitzer,
meine Zeitungen zusammensucht, den Beleg schreibt und das Restgeld gibt, kommen
garantiert fünf Leute dazwischen ohne ein Bitte auf den Lippen und verlangen
Zigaretten, Parkscheine oder Lollis. Wenn ich sage, dass ich gerade bedient
werde, ernte ich giftige Blicke und gemurmelte Frechheiten. Israelis verstehen
das Wort Geduld nicht, sie haben es immer eilig. Hat man nicht binnen einer
Nanosekunde, in der die Ampel von Rot auf Grün springt, Gas gegeben, hupen
hinter einem drei Autos. Genauso sicher kann man sein, dass die Fahrer nur zum
Friseur wollen.
Ungeduld ist die Tugend eines Volkes, das
nie weiß, was morgen wird, also im Heute lebt – und das dalli-dalli. Wer im
Restaurant länger als eine Stunde sitzt, kommt vom Mars: Für Vorspeise,
Hauptspeise, Dessert, Wein und Kaffee nimmt sich keiner mehr als 60 Minuten. Die
Menschen haben kein Sitzfleisch – und kein Gefühl für Zeit.
Vor ein paar Monaten habe ich mir
Rollerblades gekauft, sehr teure, aber der Verkäufer hat gesagt, das würde sich
rechnen, ich wollte mir doch nicht die Knochen brechen. Mit den Rollschuhen
bekam ich eine Jahres-Garantie. Die Rollschuhe waren super cool. Bis zu dem Tag,
an dem ich mir durch den Fall einen Steißbeinschmerz zuzog, den man in Comics
gern mit Sternchen illustriert.
Eines der Plastikräder war zerbrochen.
Ein klarer Fall von Garantie. Ich erkannte gleich den Verkäufer wieder, obwohl
er nun blonde Haare, zwei Augenbrauenringe und einen in der Nase trug. Ich
zeigte ihm die Reifenstücke, und Itay schaute mich verständnislos an. „Nu?“ Ein
Paar neue Rollerblades, bitte, sagte ich und kramte die Garantie hervor. Itay
nestelte am Brauenring und sagte, wäre mir das einen Monat oder zwei nach dem
Kauf passiert, hätte er „was machen“ können. Aber acht Monate! Das sei fast ein
ganzes Jahr.
Ich erklärte ihm, dass Garantien keine
Auslegungssache seien: „Ein Jahr ist ein Jahr. “ Aber Itay verstand mich nicht.
Ich hätte noch bis Ladenschluss mit Itay debattieren: Acht Monate lagen jenseits
seiner Vorstellungskraft. Meine Kräfte schwanden. So handelten wir einen
komplizierten Nahost-Kompromiss aus, wonach ich die alten Blades gegen neue
austauschte – nicht ohne nochmal 200 Mark draufzuzahlen.
haGalil onLine
12-03-2001
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