Was tun, wenn Purim
ausgerechnet auf einen Freitag fällt? Vor dieses Problem sah sich
die Leitung der Budge-Stiftung in diesem Jahr gestellt. Schließlich
wollte Stiftungsdirektor Thomas Cohn den Bewohnern und Gästen ein
schönes Fest mit einer bedeutenden Künstlerin bieten. Die Lösung:
Eine Vorfeier am Mittwoch, 7. März.
Im Restaurant der Wohnanlage,
die mit ihren neu erbauten Ein- und Zweizimmer Wohnungen komplett
bis zum Jahr 2002 fertig gestellt sein wird, konnte der
Stiftungsdirektor dann Arno Lustiger, den Stellvertretenden
Vorstandsvorsitzenden der Stiftung, Dr. Dieter Graumann von der
Jüdischen Gemeinde Frankfurt, das Ehepaar Kirmes und Pfarrerin Gisa
Reuschenberg sowie Seckbacher Stadtteilpolitiker begrüßen.
"30 Jahre haben wir immer
fröhlich mit Tanz und Musik Purim gefeiert", so Thomas Cohn.
Diesmal, beim Hamantaschen-Fest, stehe der ernste Hintergrund der
Ereignisse, die sich vor fast zweieinhalbtausend Jahren in Persien
abspielten und im Buch Ester beschrieben werden, im Vordergrund.
Schließlich sei es das Ziel Hamans gewesen, die Juden in Persien zu
ermorden.
Lache,
wenn es zum Weinen
nicht reicht
In das Berlin des vergangenen
Jahrhunderts entführte Katja Ebstein ihre Zuhörer
an diesem Abend mit ihrem Programm "Berlin... trotz
alledem". Die Zeitreise startete mit Zilles Satz "Lache, wenn es zum
Weinen nicht reicht", führte in die goldenen 20er Jahre mit Songs
und Texten von Claire Waldoff, Friedrich Hollaender, Mascha Kalenko
und Otto Reuter. Sozialkritisches, Politik und Alltägliches – wie
"Tratsch im Treppenhaus" – finden sich in den Texten der Berliner
Originale, die meist ganz woanders her kamen.
Mit Tucholskys Versen über
das Dritte Reich leitete Katja Ebstein die Erinnerungen an die
leidvollen Zeiten in den 30er und 40er ein. Bücherverbrennung, die
Gratwanderungen des "Kabaretts der Komiker" mit Werner Finck bei
Texten wie "Zehn kleine Meckerlein" oder der Abwandlung von "Lili
Marleen", die "Szene 1942" von Robert Gilbert oder der Brief von der
Front von Wolfgang Borchert. Zu all dem gehören auch die
Erinnerungen an die Widerstandskämpfer wie Bonhoeffer, Niemöller
oder den Geschwistern Scholl.
In die Nachkriegszeit und zu
Günter Neumanns Wirtschaftswunder-Song leitete Katja Ebstein mit
Erich Kästners "Die andere Möglichkeit" und dem "Marschlied 1945"
über. Die Teilung Berlins, die Luftbrücke, Kalter Krieg, Kennedy und
Gorbatschow passierten Revue. Und dann – als Abschluss – die
Wiedervereinigung und das Ende der Teilung der Stadt:
Insulaner-Lied, Erich Brehms "Was ist des Deutschen Vaterland" und
Konstantin Weckers Lied zur Deutschen Einheit markieren Eckpunkte
dieses Weges.
Doch bei allem kommt die
Heimatlosigkeit vieler Emigranten aus der Nazizeit zur Sprache.
"Wohin ich immer reise, ich komme nach Nirgendland", beschreibt
Mascha Kaleko ihre Suche und ihre "Sehnsucht nach Heimat, die
unstillbare Sehnsucht nach den Wurzeln".
Gerührt und mit viel Beifall
dankten die Festgäste im bis auf den letzten Platz besetzten
Restaurant der Künstlerin und ihrem Pianisten Martin Gärtner. So
nachdenklich und ernst wie das gesamte Berlin-Programm waren auch
die Zugaben von Katja Ebstein und ihr Abschiedslied "Sag
mir, wo die Blumen sind".
haGalil onLine
09-03-2001
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