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Inzwischen gab Ehud Barak
bekannt, dass er auf keinen Fall aus dem Rennen ausscheiden werde.
Die Hoffnung, dass Shimon Peres die Wahl Arik Sharons verhindern
würde ist damit geplatzt. Scharon meinte zu alledem nur, er könne
sowohl Barak als auch Peres besiegen.
Wie dem auch sei, die
legendäre Wahl- und Politikbegeisterung der Israelis scheint
verflogen. Weder Scharon - und noch weniger Barak sind in der Lage
ihre Anhänger zu begeistern. Die Mehrheit hat einfach die "Nase
voll". Wenn überhaupt, dann wird nicht darüber diskutiert wen man
wählen soll, sondern ob man überhaupt wählen soll. Solche Töne waren
im diskussionsfreudigen Israel bislang undenkbar, Wahlbeteiligungen
von 90% und mehr waren an der Tagesordnung.
"Was in diesem Land geschieht
ist in der Hand irgendwelcher Fanatiker die jede Regierung unter
Druck setzen. Jetzt wird ein Mann, vor dem sogar Menahem Begin Angst
hatte, an die Macht gelangen, und mir ist es mittlerweile egal. Ich
wundere mich schon selbst über meine Gleichgültigkeit, es ist
traurig - aber ich habe genug von der Politik. Nimas li!" sagt eine
enttäuschte Teilnehmerin einer Diskussion an der Hebräischen
Universität, Jerusalem.
Das "Nationale
Lager" (yamin.org.il) hat
sich geschlossen hinter Scharon gestellt. Seewi und Liebermann sind von Anfang
an dabei. Chabad, Lauder, Moskovitz, die Umfragen sind so klar, dass sie kaum in
die Taschen greifen müssen um die Kampagne anzuheizen. Auch bei den
National-Religiösen macht man es sich leicht: In ihren Wahlspots greift sie
einfach auf heilige Texte zurück - lediglich das Wort für G'tt wurde durch das
Wort "Staat" ersetzt. Jeshajahu Leibowitz Alpträume auf Zelluloid.
Die Linke hat Barak durch seine zwischen
Säbelrasseln und Gesprächsbereitschaft schwankende Haltung enttäuscht, gespalten
und geschwächt. Bei einer von Uri Avnery (Gush Shalom) moderierten
Podiumsdiskussion an der Tel-Aviv Universität warb Professor Jizchak Leor für
die Abgabe weißer Stimmzettel. Von der Annahme ausgehend, dass ein Sieg Scharons
sowieso nicht mehr zu verhindern sei, versuchte er das Auditorium von seiner
Haltung zu überzeugen: "Je mehr leere Stimmzettel, desto weniger legitimiert ist
ein Sieg Scharons. Die Frage ist nicht, wen man wählen soll, weil Scharon
sowieso gewinnt. Eine Stimme für Barak ist eine Stimme für nichts, Barak hat
bereits verloren".
Den Zuhörern, die dieser Logik nicht
folgen mochten, rief er zu: "Die letzten vier Monate sind ein schreckliches
Verbrechen. Aber ihr haltet wie besessen fest an Barak. Es ist wie ein sozialer
Druck, ihr habt einfach nur Angst das Kollektiv zu verlassen. Wie könnt ihr an
diesem Mann festhalten, der sich in den letzten Monate nicht auf den Frieden
konzentrierte, sondern nur auf militärische Stärke gesetzt hat. Schaut euch das
Resultat an: Fast 400 Tote, zu 90% Araber".
Schulamit Aloni, ehemaligs Vorsitzende
der linksliberalen Meeretz-Partei, sprach sich für eine Stimmabgabe aus: "Auch
ich kann nichts Gutes über Barak sagen, aber ich fürchte Scharon. Deshalb
bestrafen wir uns selbst, wenn wir nicht für Barak stimmen".
Eindeutig gegen den "Weissen
Zettel" spricht sich auch Kobi Niv (M'ariw) aus. Dies sei "eine
Wahl, bei der wir keine Wahl haben". Er appelliert besonders an die
israelischen Araber: "Bei dieser Abstimmung über die Zukunft Israels
muss man den Zorn, die Frustration, die Enttäuschung und den weißen
Zettel beiseiteschieben".
Vor zwei Jahren stimmten Israels Araber
noch mehrheitlich für Barak, seinen strahlenden Sieg hatte er auch ihnen zu
verdanken. Danach traute sich nicht, wie allgemein von ihm erwartet worden war,
einen Araber in sein Kabinett zu berufen. Er machte klar, dass ihm Israels
Mehrheit am Herzen liegt - und die ist jüdisch. Die Enttäuschung trug spätestens
im Oktober Früchte, die israelischen Araber solidarisierten sich mit den
Palästinensern im Westjordanland und Gazastreifen. Sie demonstrierten gegen
Baraks Politik und dieser ließ auch gegen sie die bewaffnete Macht
aufmarschieren. 13 israelische Araber starben im Kugelhagel der Polizei.
Niv betont, er verstehe die Frustration
der israelischen Araber, die Barak vorwerfen, dass er sie nicht in die Regierung
einbezogen und nicht verhindert hat, dass Polizisten auf Demonstranten schossen.
Doch so verständlich und berechtigt dieser Schmerz und Zorn auch sein mögen,
rechtfertigen sie wirklich eine künftige Koalition Sharons, der uns den Libanon
eingebrockt hat, mit ‘Ghandi’, der den Transfer befürwortet, und Lieberman, der
die Bombardierung des Assuan-Staudamms propagiert? Ist diese Koalition wirklich
besser als die jetzige Konstellation Barak, Ben-Ami und Beilin, die kurz vor
einem Abkommen mit Arafat steht?
Auch den Einwanderern aus den
GUS-Staaten, ist nicht sorecht nach Wahl zumute. Laut Umfragen wollen diesmal
nur knapp über die Hälfte ihr Wahlrecht wahrnehmen. "Bei den letzten Wahlen gab
es die Hoffnung, auf eine Chance zum Neubeginn. Die Fundamentalisten sollten
abgewählt werden, nachdem sie die "Russen als Ausgeburt des Übels" beschimpft
hatten. Diesmal sind wir ohne Hoffnung", sagt Katja Dimant, die vor acht Jahren
aus Minsk eingewandert ist. "Scharanski (der Chef der Partei russischer
Einwanderer) hat die Regierung zusammen mit der
(orientalisch-fundamentalistischen) SchaS
verlassen, was soll man da noch wählen?"
dg / haGalil
onLine 21-01-2001
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