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„Mit jedem
Toten kehrt das Bild vom häßlichen Israeli zurück, der seinen Staat
ohne jede Rücksicht verteidigt“, gab der „Spiegel“ kurz nach
Ausbruch der Kämpfe in Israel und den palästinensischen Gebieten als
Devise aus, und von der „Ostsee-Zeitung“ bis zum „Oberammergauer
Liebfrauenboten“ hielt man sich daran.
Die öffentliche
Meinung ist, wie im letzten Jahr während des Krieges gegen
Jugoslawien, freiwillig gleichgeschaltet: Für die erdrückende
Mehrheit der Deutschen sind die Palästinenser, wie 1999 die
Kosovo-Albaner, die Opfer von Vertreibung und Terror, während die
Israelis als Wiedergänger der Serben dargestellt werden. Scharon
etwa wird als „Brandstifter“ („Süddeutsche Zeitung“) und „Terrorist“
(„Die Zeit“) bezeichnet, während die „Frankfurter Allgemeine“
den „gesprächsbereiten Arafat“ entdeckt haben will, der „unter
Palästinensern zum Außenseiter wird“, weil er die Gewalt „nicht
gewollt“ habe. Scharon als jüdischer Milosevic, Arafat als
palästinensischer Rugova - auch die geschichtsvergessene
Spaßgesellschaft braucht ihre Stereotype.
Auf wessen Seite die
deutschen Medien stehen, hatte sich bereits bei den Verhandlungen in
Camp David angedeutet. Barak habe „seit Jahrzehnten unantastbare
Grundsätze“ aufgegeben, stellte der Pariser „Figaro“zu Recht fest -
immerhin war der israelische Premier zur Rückgabe von 90 Prozent der
besetzten Gebiete bereit, bot als Kompensation für die übrigen zehn
Prozent nordisraelisches Kernland an und schloß erstmals eine
palästinensische Souveränität über Teile Ost-Jerusalems nicht mehr
aus.
Doch für die „Zeit“ hatte
Barak den Palästinensern nur eine „Kapitulationsurkunde“ offeriert.
Das „desaströse Scheitern“ von Camp David ging nach „FAZ“-Lesart
darauf zurück, daß „die Israelis offenbar - wie danach in einem
palästinensischen Papier bekannt wurde - nicht akzeptable
Sicherheitsvorkehrungen von den Palästinensern forderten“. Ein
„Papier“ unklarer Herkunft hat „die Israelis“ überführt - ist das
der Frankfurter Standard bei der Berichterstattung über
politische Schlüsselereignisse?
Den Vogel schoß schließlich
Ludwig Watzal ab, Nahost-Augure unter anderem der Wochenzeitung
„Freitag“, als er Camp David auf n-tv als „palästinensisches
Versailles“ bezeichnete. Versailles, das weiß man spätestens seit
Walsers Volkshochschulkursen wieder, war ein „Schandfriede“,
den das „internationale (sprich: jüdische) Finanzkapital“ oktroyiert
und dadurch Hitler möglich gemacht hat.
Daß Israel selbst auf jene
Deutschen nicht mehr bauen kann, die man bis dato zu den
verläßlichen Freunden des jüdischen Staates rechnen durfte, zeigt
das Beispiel von Josef Joffe. Auf der Titelseite der „Zeit“ urteilte
er unter der wagneresken Überschrift „Heilloses Land“ wie fast
alle deutschen Journalisten rechts hemdsärmlig „Über die
Schuldfrage“: „Die ist schnell beantwortet. Oppositionsführer
Scharon hat mit seinem Tempelberg-Ausflug gezielt ein Streichholz
geworfen.“ Zwar werden im folgenden auch die Sünden Arafats und der
Araber aufgezählt, doch nirgends stellt Joffe richtig, daß die
vorgebliche „Provokation“ des Likud-Chefs vorab von der
palästinensischen Autonomiebehörde abgesegnet worden war.
Forderungen richtet Joffe nur
an die Adresse von Barak: Israel müsse sich aus dem Westjordanland
und Ostjerusalem zurückziehen - „einseitig“, wie Joffe ausdrücklich
schreibt, das heißt ohne Sicherheitsgarantien oder Gegenleistungen
der Palästinenser. Woher nimmt Joffe die Gewißheit, daß diese
Vorleistung „ein erkleckliches Minus an Reibungsflächen für
Zündhölzer aller Art“ bringt - und nicht, wie die Vorleistung im
Südlibanon, den Appetit der Fanatiker weiter stimuliert?
Dabei mag man bei Joffe immer
noch von gutem Willen ausgehen: So verweist er - im Unterschied zu
den meisten anderen Analysten - wenigstens auf die „häßliche
Begleitmusik, die Israelis über den offiziellen
palästinensischen Rundfunk hören können“ und zitiert aus einer dort
ausgestrahlten Freitagspredigt aus Gaza: Die Palästinenser dürften
mit „Juden und Christen keine Übereinkunft schließen“, man werde
„Haifa, Galiläa und Jaffa“ nicht aufgeben. Doch gut gemeint ist
nicht unbedingt gut gemacht: Beim Lesen der Predigt-Passage in
Joffes Artikel werden sich viele gedacht haben,
Friedensfeindlichkeiten dieser Art seien zwar häßlich, aber man
könne sie auch von extremistischen jüdischen Siedlern zu hören
bekommen.
Eine solche Mißinterpretation
von Joffes Text ist möglich, weil in seinem Artikel die
entscheidenden Sätze jenes Freitagsgebets gerade nicht vorkamen:
„Habt kein Mitleid mit den Juden, egal, wo ihr seid, in welchem Land
auch immer. Bekämpft sie, wo immer ihr seid. Wo immer ihr sie
trefft, tötet sie. Wo immer ihr seid, tötet Juden und Amerikaner...“
Das ist keine Entspannungsfeindlichkeit mehr, wie man sie auch in
Israel finden kann, das ist der Aufruf zu Pogromen und grenzenlosem
Terror - verbreitet über den offiziellen palästinensischen Rundfunk.
Warum zitiert Joffe diese
schlimmen Sätze nicht und kapriziert sich auf vergleichsweise
Harmloses? Vermutlich, weil er sie gar nicht kannte. Das verweist
auf ein strukturelles Problem: Die Berichterstattung der großen
Agenturen und Fernsehanstalten aus dem Krisengebiet ist so
lückenhaft und einseitig, daß auch relativ gutwilligen Kommentatoren
wie Joffe wichtige Basisinformationen fehlen. Täglich flimmern
die Bilder palästinensischer Demonstrationen über unsere
Fernsehschirme - nie erfahren wir, was da auf den Transparenten
steht und welche Slogans gerufen werden.
Ausführlich referieren die
Zeitungen, was Arafat auf dieser und jener internationalen Konferenz
in Englisch gesagt hat - seine arabischen Statements hingegen, die
ganz anders tönen, bleiben unübersetzt. Besonders gefährlich ist die
tendenziöse Berichterstattung des Global Players CNN: Der Sender
stützt sich vorwiegend auf palästinensische Journalisten und
Kameraleute, die von den Tanzim-Milizen meist rechtzeitig über zu
erwartende Opfer informiert werden. An palästinensischen Greueltaten
hat CNN dagegen ein vergleichsweise geringes Interesse. Der
Lynchmord von Ramallah etwa wurde von einem privaten italienischen
Team gefilmt. Nach der Ausstrahlung bekam es so massive
Morddohungen, daß anschließend selbst das - eigentlich gar nicht
beteiligte - italienische Staatsfernsehen RAI seine Reporter
aus dem Krisengebiet zurückzog.
Nur zu oft werden
Informationslücken durch bösartige Unterstellungen gestopft. Wie
anders ist zu erklären, daß in der „Süddeutschen Zeitung“ der gewiß
furchtbare Tod des 12jährigen Palästinenserjungen Muhammed als
„brutale Ermordung“ dargestellt wurde? Wissen die Kollegen nicht,
daß der Terminus „Mord“ einen kaltblütigen Vorsatz voraussetzt?
Wissen Sie nicht, daß die Beschuldigung von Juden als „Kindermörder“
früher Pogrome entfesselte?
Besonders beeindruckend die
manipulative Leistung des „Spiegel“: Er druckte ein Luftbild des
Schußwechsels an der Nezarim-Kreuzung nach, das er von der Website
des israelischen Verteidigungsministeriums übernommen hatte (http://www.idf.il).
Doch während man im Original noch sehen konnte, wie der Zahal-Posten
von sechs Positionen aus angegriffen wurde und das Feuer auf drei
davon erwiderte, blieb in der „Spiegel“-Skizze nur noch ein
einziger Pfeil vom israelischen Posten auf Muhammed und seinen Vater
übrig. Es sieht so aus, als ob die Soldaten ausschließlich auf diese
beiden gefeuert hätten - und nicht auf die Scharfschützen daneben.
Bei soviel Voreingenommenheit nimmt es nicht wunder, daß die
Zwischenergebnisse der ballistischen Untersuchung, wonach die
tödliche Kugel möglicherweise eine palästinensische war, in den
deutschen Blättern nicht mehr vorkommen - der Schuldige steht für
sie schon fest.
Was gegen die Serben Recht
war, soll gegen die Israelis billig sein: „Ein Uno-Einsatz könnte
die Gewaltspirale in Palästina stoppen“, schlägt die „Taz“ vor.
„Gestern geschah das in Bosnien, heute auch im Kosovo, morgen
womöglich auf den Golan-Höhen oder im Golf,“ präzisiert die „FAZ“.
Dies „soll unter einem Mandat der UN geschehen - aber wenn es nicht
vorliegt, dann notfalls auch ohne ... Militärische Einsätze könnten
für die Bundeswehr Alltag werden.“ Das mag der Wunschtraum von
„FAZ“-Feldmayer sein: Deutsche Landser zeigen den Juden, wie man
Menschenrechte richtig schützt.
Jürgen Elsässer ist Buchautor
und Redakteur der Zeitschrift „Konkret“ (http://www.juergen-elsaesser.de)
Kontakt zum Autor:
J.Elsaesser@t-online.de
Erstveröffentlichung:
Allgemeine Jüdische Wochenzeitung, 24.11.2000
haGalil onLine 05-01-2001
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