
Yves LeManer, Andre Sellier,
Bilder aus Dora
Westkreuz-Verlag 2001
Euro 18,00
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Das Deutsche
Museum zeigt bis Juli 2001 eine Sonderausstellung zum Thema
Zwangsarbeit. "Bilder aus Dora - Zwangsarbeit im Raketentunnel
1943-1945" behandelt sicherlich einen der extremsten Fälle der
Ausbeutung von Zwangsarbeitern im Dritten Reich.
Gegen Ende des zweiten Weltkrieges wurden in einer riesigen Tunnelanlage in der
Nähe der thüringischen Stadt Nordhausen KZ-Häftlinge zum Bau einer Rakete
herangezogen. Es handelte sich um die streng geheime Produktion der ersten
Fernlenkwaffe, der V2-Rakete. Über 5000 Raketen wurden in der unterirdischen
Rüstungsfabrik hergestellt, die sich hinter dem Decknamen "Dora-Mittelbau"
verbarg.
1998 wurden von Fotos entdeckt, die der Kriegsberichtserstatter Walter Frenz
1944 für das Rüstungsministerium geschossen hatte. Diese Bilder sind die
einzigen authentischen Aufnahmen, die die unterirdische Serienproduktion der
V2-Rakete dokumentieren. Die Aufnahmen sind natürlich gestellt und zeigen
"ordentliche" KZ-Häftlinge, die fleißig und konzentriert arbeiten.
In der Ausstellung werden diese Orginalaufnahmen, die der Sohn von Walter Frenz,
Hans-Peter Frenz, zur Veröffentlichung verfügbar machte, den Zeichnungen von
Häftlingen aus dem Dora-Mittelbau gegenübergestellt. Diese Bilder zeigen die
andere Seite, die Barbarei des Lagersystems, die Menschenverachtung der Kapos,
Massenhinrichtungen und ausgemergelte Leichen. Außerdem ist ein V2-Motor und
eine Häftlingsjacke zu sehen. Ergänzt wird die Ausstellung durch 25
Orginalzeichnungen des ehemaligen Dora-Häftlings Maurice de la Pintiere, der die
Evakuierung nach Bergen-Belsen im April 1945 überlebte.
Die Ausstellung wurde von dem französischen Museum
"La Coupole, Centre d´histoire de la Guerre et des Fusees" in Saint-Omer
konzipiert. Das Museum hat seine eigene Geschichte. Es befindet sich in einer
ehemaligen unterirdischen Abschußanlage für die V2-Raketen, strategisch günstig
auf London gerichtet. Die Anlage wurde 1943 gebaut und mit einer riesigen
Betonkuppel vor Bombenangriffen der Alliierten geschützt. Nach einem Beschluß
von 1987 wurde der Ort in eine Gedenkstätte umgewandelt und 1997 eröffnet.
Auf der Eröffnung, die letzten Donnerstag im Ehrensaal des Deutschen Museums
stattfand, kamen dann auch die Macher der Ausstellung zu Wort. Andre Sellier,
der selbst Häftling in Dora war und die französische Ausstellung im wesentlichen
mitkonzipiert hat, erläuterte die Problematik der Verwendung der Erinnerung von
Zeitzeugen als Quellen. Die Häftlinge hatten keine Möglichkeit an Papier und
Stifte zu kommen, sie konnten daher während der Haftzeit keine Aufzeichnungen
machen, sondern holten dies später aus der Erinnerung nach. Als Folge sind Zeit-
und Ortsangaben oft nicht korrekt. Auch die Buchstabierung deutscher Namen ist
oft falsch. Andre Sellier ist sich dennoch, aufgrund seiner jahrzehntelanger
Forschung, der Echtheit der Zeugnisse sicher. In Bezug auf Dora ist das eine
wichtige Erkenntnis, denn es gibt ausschließlich Zeitzeugenberichte, die über
die Geschichte des Lagers und die Arbeit im Raketentunnel Auskunft geben. Alle
anderen Dokumente wurden vernichtet. Während es zu anderen Konzentrationslagern
zahlreiche wissenschaftliche Werke gibt, ist die Geschichte von Dora noch nicht
ausreichend erforscht. Andre Sellier selbst hat das wichtigste Buch geschrieben:
"Zwangsarbeit im Raketentunnel. Geschichte des Lagers Dora.". Seine
Mitarbeit an der Ausstellung basiert auf der Grundlage seiner langjährigen
Forschung.
Der Leiter des Museums "La Coupole", Yves Le Maner, erläuterte anschließend die
Grundlage des Ausstellungskonzeptes. Der Kernpunkt basiert auf dem Gegensatz der
Koexistenz des Besten und des Schlechtesten des menschlichen Geistes. Das Beste
ist die ausgereifte Technologie, die Herstellung der V2-Rakete, das Schlechteste
die Erniedrigung und Zerstörung von Menschen durch ein ideologisches System. Le
Maner betonte ausdrücklich, daß er die Geschichte der Zwangsarbeit in Dora nicht
als deutsche, sondern als europäische Geschichte betrachte, die auch gemeinsam
geschrieben werden müsse.
Prof. Dr. Hans Mommsen stellte schließlich
in seinem Vortrag den speziellen Sachverhalt der Ausstellung in den breiteren
Kontext der Geschichte der Zwangsarbeit und Rüstungswirtschaft im Dritten Reich.
Er betonte besonders, daß es für die Zwangsarbeit zwei wesentlicher
Voraussetzungen bedurfte. Einerseits mußte das Management der Industrie
kooperieren, andererseits durfte aus der Bevölkerung kein Widerstand kommen.
Beides war der Fall, so daß es möglich wurde, daß im Herbst 1944 ca. 7,9
Millionen ausländische Zwangsarbeiter auf deutschem Gebiet eingesetzt wurden.
Mommsen bedauerte zutiefst, daß noch immer nicht genug Geld für den Fond zur
Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter zusammengekommen ist. Hier sei die
Gesamtheit von Industrie und Wirtschaft gefragt. Er hoffe jedoch, so Mommsen
abschließend, daß sich bald ein Bewußtsein für die historische Verantwortung
zeigen werde.
Die Ausstellung ist noch bis zum 27. Juli 2001 im Deutschen Museum München zu
sehen. Der Ausstellungskatalog wird ca. Mitte Februar 2001 erscheinen.
Deutsches Museum Museumsinsel 1, 80538
München Öffnungszeiten: täglich 9-17 Uhr.
haGalil onLine 25-01-2001 |