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Dan Bar-On (Hrsg.), Den Abgrund überbrücken
Mit persönlicher Geschichte politischen Feindschaften begegnen.
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"Den Abgrund überbrücken":
Geschichten gegen den Hass

Von Andrea Übelhack

Nachdem der israelische Psychologe Dan Bar-On bereits Anfang der 90er Jahre in einem außergewöhnlichen Projekt Nachkommen von Nazi-Tätern und Kinder von Holocaust-Überlebenden zusammen gemacht hat, regte er auf Grundlage desselben Prinzips 1998 eine neue Friedensinitiative an.

Bar-On übertrug die Methode des "story telling" auf andere Konfliktgebiete und lud gemeinsam mit der Körberstiftung zu einem Seminar nach Hamburg ein. Gruppen aus drei Konfliktgebieten trafen zusammen: aus dem Nahen Osten, Südafrika und Nordirland. Mittlerweile erschien auch der Band der "edition Körber-Stiftung", der die Erfahrungen dieses besonderen Treffens zusammenfaßt.

Das Buch gibt einen Überblick über die Arbeit der ursprünglichen Gruppe von Nachkommen von Nazi-Tätern und Holocaustüberlebenden, die Idee, das Projekt auf andere Konfliktgebiete auszuweiten, die Suche nach geeigneten Teilnehmern, Erfahrungsberichte aus den Diskussionen und eine ausführliche Auswertung des Seminars.

Dan Bar-On ist Professor für Psychologie an der Ben-Gurion-Universität in Beer Schewa und Ko-Direktor von "PRIME" (Peace Research Institute in the Middle East). Er wurde 1938 in Haifa als Sohn deutsch-jüdischer Immigranten geboren und lebte lange in einem Kibbuz. Nach seinem Psychologie-Studium spezialisierte er sich auf die Therapie von Kindern von Holocaustüberlebenden, der sog. "second generation". Bald widmete er sich aber auch der anderen Seite, der Täter-Seite, und verfaßte dazu auch einige Schriften, wie z.B. "Die Last des Schweigens - Interviews mit Nachfahren von Nazi-Tätern".

1992 gründete er die TRT-Gruppe ("To Reflect and Trust") mit Opfer- und Täter-Nachkommen. Die Gruppe, neun Nachfahren von Nazi-Tätern, fünf amerikanische und vier israelische Kinder von Holocaust-Überlebenden, traf sich sechs mal zwischen 1992 und 1997.

Das gegenseitige Erzählen der eigenen Geschichte half den Einzelnen, Verständnis für die andere Seite zu finden und konnte so Brücken schlagen. Es zeigte sich, daß es durchaus wichtige Gemeinsamkeiten gab. Sowohl für Opfer- wie auch für Täter-Nachkommen sind die Folgen des Holocaust noch immer im Leben zu spüren, beide Seiten leiden an psychologischer und physischer Entwurzelung und auch die Schwierigkeiten, sich von den Eltern zu lösen, ist für alle Beteiligten grundlegend. Der Dialog mit dem Opfer und dem Täter in einem selbst eröffnete neue Sichtweisen, die ein schrittweises Verzeihen ermöglichen.

Die TRT-Gruppe entschloß sich dann 1998 dazu, ihre Erfahrungen mit Menschen aus anderen Konfliktgebieten zu teilen und wählte Südafrika, Nordirland und den Nahen Osten aus. Die TRT-Mitglieder reisten auch selbst in die jeweiligen Länder, um geeignete Teilnehmer auszuwählen und die Gruppen zusammenzustellen.

In Hamburg kam dann eine ganz außergewöhnliche Mischung verschiedenster Menschen zusammen: Südafrikaner, Nordiren, Israelis, Palästinenser, Deutsche und Amerikaner.

Dan Bar-On vermerkte dazu in seinem Hamburg-Tagebuch: "In dieser Gruppe traf der Enkel des "Architekten der Apartheid" auf den Sohn des zweiten Befehlshabers von Hitler. Die Tochter eines Überlebenden aus dem Ghetto in Lodz und Auschwitz lernte eine Frau kennen, die als Vertreterin einer Organisation tätig ist, die Menschen hilft, ihre verschwiegenen Geschichten über die "Unruhen", "troubles" wie es in Nordirland heißt, zu erzählen."

Während die Treffen der Nordirland- und Südafrika-Gruppe eher entspannt verliefen und zu einem richtigen Austausch führten, zeigte sich die Nah-Ost-Gruppe von Anfang an als schwierig. Schon die Bezeichnung führte zu Irritationen, die palästinensischen Teilnehmer sahen in der Tatsache, daß man nicht den Begriff "Palästinenser-Israeli-Gruppe" gewählt hatte, eine Mißachtung ihrer Nationalität.

In dieser Gruppe waren auch die meisten Identitäten vereint: Deutsche, amerikanische Juden, israelische Juden, ein israelischer Palästinenser, christliche und muslimische Palästinenser.

Doch auch hier schaffte das gegenseitige Geschichtenerzählen eine neue Ebene des Verständnisses für sein Gegenüber. Gerade in Fällen, wo sich die Lebensgeschichten kreuzen. So erzählte Sami Adwan, der wegen seiner politischen Aktivität bei der PLO in einem israelischen Gefängnis saß, von seinen Gefühle in dieser Zeit, Familienbesuche waren nicht erlaubt, er fühlte sich regelrecht vom Leben abgeschnitten. Die Israelin Shifra Sagy erzählte daraufhin, daß ihr Sohn in genau diesem Gefängnis seinen Militärdienst ableistete und auch sie sorgte sich um ihn, wenn sie ihn auch besuchen konnte.

Sami Adwan sieht im Treffen mit der TRT-Gruppe eine Chance, auch aus den Erfahrungen der anderen zu lernen. Und nur so läßt sich der Abstand zwischen den Konfliktparteien verringern, die entscheidende Voraussetzung für Frieden.

Fatma Kassem, eine israelische Palästinenserin, schildert auch ihren Überdruß an dem Thema Holocaust. Nach einer Sitzung saß sie mit zwei israelischen Frauen zusammen und konnte nicht umhin ihnen zu sagen, daß sie genug habe, daß sie nichts mehr über den Holocaust hören wolle. Und dann mußte sie erklären, daß sie Geschichtslehrerin ist, ihre Kinder gehen auf eine jüdische Schule, sie zweifelt nicht am Holocaust, aber kann es nicht mehr hören.

Eine andere Palästinenserin äußerte aber auch tatsächliche Zweifel am Holocaust. Damit wird ein israelisches Trauma berührt, dessen Bandbreite und Tiefe nicht extrem genug einzuschätzen sind. Doch die teilnehmenden Israelis sahen sich hier als Täter, eine Rolle, mit der sich die meisten nicht identifizieren konnten.

So schildert beispielsweise Shifra Sagy ihr Problem, in der Gruppe Israel zu repräsentieren, Israel als Täter. Die Opfer-Rolle ist einfacher, sagt sie, man kann sich einfacher mit dem kollektiven Selbst definieren.

Doch das Geschichtenerzählen, das Mitteilen persönlicher Erfahrungen hilft den anderen, besser zu verstehen. Alle Teilnehmer des Seminars bezeichneten das als wichtigsten Aspekt in Hamburg. Das mutige Projekt hat allen eine Form des Umgangs gezeigt, die viel Kraft benötigt und die Bereitschaft voraussetzt, den Täter in sich selbst zu identifizieren. Doch nur wenn sich die Parteien näher kommen, gibt es Hoffnung auf Frieden. "Denn es wird kaum Frieden zwischen ungleichen Nationen und Individuen geben", wie es Sami Adwan sagte.

Martin Bormann, Sohn des Reichsleiters Bormann, dem mächtigsten Mann nach Hitler, der ein Mitglied der ursprünglichen TRT-Gruppe ist, faßte die gemeinsame Arbeit wunderschön zusammen: "Der Weg ist noch weit. Aber wir sind aufgebrochen. Der Weg "durch das Schilfmeer" mag noch vor uns liegen, aber Gott ist unser Begleiter auf dem Weg. Er ist vor uns und er ist hinter uns, bei Tag und bei Nacht. Vor allem aber: Er ist in uns wie um uns, wir müssen uns ihm nur ganz ergeben, dann finden wir ganz zu uns selbst in Ihm, in dem unser Exodus endet, sich vollendet und zur Ruhe kommt. Bis dahin geht der Weg weiter."

haGalil onLine 19-01-2001

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