|
|
|
|
|
|
|
Axel Springer, der
verstorbene deutsche Pressemagnat, gründete sein Bürogebäude auf
einem Grundstück ganz in der Nähe der Berliner Mauer, als Protest
gegen die Teilung der Stadt. Als Reaktion errichteten die
ostdeutschen Behörden auf ihrer Seite eine Reihe von Hochhäusern,
die das Springer-Gebäude verdecken sollte.
Springer, der eine
konservative, nationale und anti-kommunistische Linie vertrat, hatte
recht: Deutschland wurde wiedervereint, die Mauer wurde in kleine
Stücke zerschlagen, die heute als Souvenir für ungefähr 40 Schekel
pro Stück verkauft werden. In schwindelerregendem Tempo finden
Bauarbeiten an der Nahtlinie statt, die einst Berlin geteilt hat:
Regierungs- und Geschäftsgebäude. Sie strahlen Macht und eine klare
Botschaft an die Welt aus: in den Geschichtsbüchern steht, dass
Deutschland im 2. Weltkrieg besiegt wurde, und vielleicht war das
auch der Fall, aber heute kontrolliert es Europa wieder.
Die riesigen Alleen der Stadt
scheinen zu groß für ihre Ausmaße zu sein, wie in den Tagen Kaiser
Wilhelms, Hitlers und Stalins. Der riesige Reichstag wurde
renoviert, um ihm ein demokratisches Aussehen zu verleihen - er ist
kein demokratisches Gebäude... Eine riesige Glaskuppel soll
demokratische Durchsichtigkeit zum Ausdruck bringen. Wie die gesamte
Stadt wirkt auch sie wie ein fantastisches Bühnenbild.
Springer starb einige Jahre
vor den Einigung. Bis heute liest der Großteil der Deutschen die
Zeitungen, die aus seinem Verlag stammen. Jeder Redakteur und jeder
Journalist muss im Rahmen seines Arbeitsvertrags eine Erklärung
unterzeichnen, die ihn unter anderem dazu verpflichtet, Israel zu
unterstützen. Die Springer- Zeitungen repräsentieren normalerweise
eine Linie, deren deutlichste Sprecher in Israel Netanjahu und
Scharon sind.
In einem der oberen
Stockwerke seiner Pressefestung hat Springer einen Salon
eingerichtet, der wie eine alte Bibliothek gestaltet ist. Vorletzte
Woche versammelten sich dort einige Dutzend Gäste, darunter Briten
mit adeligen Namen, Franzosen, Deutsche, Israelis, Politiker,
Diplomaten, Wirtschaftler, Professoren, Medienvertreter, fast alle
mit konservativen Meinungen. Sie kamen zu dem jährlichen Dialog
zwischen Israel und Europa, der von der konservativen Tageszeitung
„Die Welt“ organisiert wurde.
Ähnlich wie das Bühnenbild
hatte auch die Grundhaltung, die die Gäste mitgebracht hatten, etwas
Surrealistisches an sich, nämlich dass die europäischen Staaten eine
aktivere Rolle im Friedensprozess zwischen Israel und den
Palästinensern ausüben sollten. Ihre wirkliche Aufgabe, die
Finanzierung der Abkommen, die unter der Schirmherrschaft der USA
erzielt werden, erscheint ihnen wertlos, sogar erniedrigend.
Warum eine kluge Regierung
in einen derart schweren Konflikt verwickelt sein will, ist schwer
zu verstehen, aber Europa möchte sich an dem Spiel beteiligen.
Beamte des deutschen und des britischen Außenministeriums, wie auch
Vertreter Frankreichs hatten gelehrte Papiere mitgebracht, und es
entstand der Eindruck, dass alle genau wissen, was man im Nahen
Osten tun sollte, einige wissen es sogar ganz genau, und alle waren
sich einig, dass sie es besser wissen als die USA.
Arafath am Ende seines
Weges
Unter den Teilnehmern befand
sich Yoav Schlusch, 47, der seit einigen Jahren als Präsident der
Firma Citex fungiert. Er ist der Sohn eines Veteranen des
Außenministeriums und sagte, er sei kein Politiker und beabsichtige
auch nicht, den Politikern Ratschläge zu erteilen, aber als
Geschäftsmann könne er vielleicht etwas aus seinen Erfahrungen in
Verhandlungsleitung beitragen. Die erste Frage, die man vor dem
Beginn von Verhandlungen klären müsse, laute, ob der Partner in der
Lage sei, die Sache zu einem Abschluss zu bringen. Ob er es wolle,
und ob er es könne. Als Geschäftsmann, so Schlusch, zweifle er
daran, dass Arafat es wolle und könne... Nein, er, Schlusch, sei
sich absolut nicht sicher, ob Arafat, der sich allem Anschein nach
am Ende seines Weges befinde, die Sache noch zu einem Abschluss
bringen könne.
Wenn Verhandlungen in eine
Sackgasse gerieten oder nicht die erwünschte Richtung nähmen, dann
könne man überraschende Vorschläge vorbringen, auch solche, die die
andere Seite nicht akzeptieren könne. Hier sei der
Überraschungsfaktor von Bedeutung. In seinem Vortrag nannte Schlusch
ein Beispiel: In den Gebieten gäbe es zu viele Israelis, und in
Israel gäbe es zu viele Araber. Man könne die Palästinenser also mit
dem Vorschlag überraschen, einen Bevölkerungsaustausch vorzunehmen.
Die Siedler kehren nach Israel zurück, und die israelischen Araber
ziehen nach Palästina. Alles natürlich freiwillig, nicht unter
Zwang. Schlusch erinnerte an ähnliche Maßnahmen in Europa.
Nach dem Abendessen begriff
Schlusch, dass es ein Problem mit seinem Beispiel gibt. Nein, er
möchte seine Äußerungen nicht in einem Interview mit der liberalen
israelischen Tageszeitung
haArez
wiederholen, sagt er den Journalisten. Denn es gäbe einen
Unterschied zwischen dem, was man in Berlin sagt, und was man in
Israel sagt. Als Präsident einer öffentlichen Firma habe er kein
Interesse daran, politische Ideen vorzubringen, sein ganzes Leben
lang achte er darauf, außerhalb der Politik zu bleiben, unter keinen
Umständen möchte er, dass man ihn mit einem Transfergedanken in
Verbindung bringt. Ist es jedoch seine Überzeugung? Nicht unbedingt,
aber auch darüber möchte er lieber nicht sprechen.
Avishai Brauermann, der
Präsident der Ben Gurion Universität, verurteilte den Vorschlag, Uzi
Arad, der ehemalige politische Berater Netanjahus, schlug eine
Korrektur vor: keinen Bevölkerungsaustausch sondern einen
Gebietsaustausch: die Palästinenser verzichten auf Gebiete, die mit
Siedlern bevölkert sind, auf die Siedlungen, und diese Gebiete samt
ihrer Bewohner werden von Israel annektiert, und Israel verzichtet
auf die Gebiete, die mit Arabern besiedelt sind, und diese werden
samt ihrer Bewohner von Palästina annektiert. Alles natürlich auf
freiwilliger Basis.
Auch Otto Schily, der
deutsche Innenminister, war anwesend. Er war ganz außer sich vor
Schrecken über den Vorschlag eines Transfers der israelischen
Araber. „Haben Sie nicht genug Probleme?“, rief er. Er erklärt
Parteien mit ähnlichen Programmen für verfassungswidrig. Schily gilt
als einer der großen Freunde Israels in Deutschland.
Wie viele Leute in Europa
weiß auch Schily ganz genau, was zu tun ist, um einen Frieden zu
erzielen. Der Staat Israel muss seinen arabischen Bürgern völlige
Gleichberechtigung gewähren, einschließlich kultureller, religiöser
und sprachlicher Autonomie. Der palästinensiche Staat muss den
Juden, d.h. den israelischen Siedlern, die in seinem Gebiet leben
werden, völlige Gleichberechtigung gewähren, einschließlich
kultureller, religiöser und sprachlicher Autonomie.
Wie stellen Sie sich das
genau vor, fragte ich ihn später. Werden die Palästinenser in der
israelischen Armee dienen, und die Israelis in der palästinensichen
Armee? Schily sagte, dies sei durchaus möglich, oder? Ich wunderte
mich, wie er wohl reagieren würde, wenn der israelische
Innenminister der deutschen Regierung plötzlich empfehlen würde, der
gesamten türkischen Gemeinde in Deutschland völlige
Gleichberechtigung zu gewähren. „Ich sehe, ich bin in
Schwierigkeiten geraten“, sagt Schily.
Und nicht zum ersten Mal. Als
junger und radikaler Anwalt, als einer der ersten „Grünen“ in
Deutschland, vertrat Schily einige radikale Linke, denen unter
anderem ein versuchter Anschlag auf das Springer Gebäude vorgeworfen
wurde. Schily, den auch seine Rivalen als echten Humanisten
bezeichnen, sagte, er fühle sich in der Springer-Festung nicht
unwohl. Springer sei ihm nicht böse gewesen, sagte er. Als
Innenminister versucht er dieser Tage, die Veröffentlichung einer
Akte zu verbieten, die in dem Archiv des ostdeutschen Geheimdiensts
gefunden wurde. Die Akte trägt den Namen des Altbundeskanzlers
Helmut Kohl. Ja, ja, sagte Schily, klar habe die Öffentlichkeit das
Recht zu wissen, aber man müsse ja schließlich nicht übertreiben.
haGalil onLine
31-12-2000
Schnellsuche
|