Der Fall des
kleinen Joseph, der vor drei Jahren im Schwimmbad in Sebnitz
gestorben ist, nimmt immer verwirrendere Formen an. Joseph war im
Juni 1997 unter bisher ungeklärten Umständen ums Leben gekommen.
Obwohl die Polizei von einem Badeunfall ausging, glaubte die Familie
dieser Version nicht und sammelte Aussagen von Zeugen, wonach ihr
Kind von Rechtsextremisten brutal gequält und ertränkt wurde. Bis
heute liegen jedoch keine Beweise dafür vor.
Zuerst wurden drei Tatverdächtige
festgenommen, die aber bald wieder freigelassen wurden. Schließlich hieß es, der
Junge habe an einer Herzmuskelentzündung gelitten, eine Erkrankung, die zu
Lebzeiten nicht aufgefallen sein muß, die aber häufig bei der Untersuchung
ertrunkener Kinder erkannt wird. Es sei also auch möglich, dass der Junge
ertrunken sei.
Mittlerweile ermittelt die
Staatsanwaltschaft auch gegen die Mutter und drei Zeugen. Der Verteidiger eines
der Tatbeschuldigten hat Strafanzeige wegen falscher Verdächtigung gestellt.
Inzwischen mehren sich die Stimmen, die
von einer Hetzkampagne der Medien klagen. Sebnitz sei Opfer der Sensationsgier
geworden. So kritisierte beispielsweise auch der stellvertretende Vorsitzende
des Deutschen Richterbundes, Victor Weber, die Medienberichte. Weber sagte
ausdrücklich, dass die sächsische Stadt Sebnitz Opfer einer Hetzkampagne sei.
Hier werden in sehr bedenklicher Weise
die Tatsachen verdreht. Dabei geht es nicht um die Tatsache, dass der kleine
Joseph ermordet wurde, denn das ist ja noch gar nicht erwiesen. Aber es ist doch
ein Fakt, dass die Stadt Sebnitz eine große und gefährliche Rechtsradikalenszene
hat. Wie kann dann also diese Stadt Opfer sein?
Denn es ist eine Tatsache, dass die
Eltern von Joseph massiv bedroht wurden, dass sie daher ins Allgäu geflohen
sind, dass Polizei vor ihrem Haus patrolliert und mit Sorge dem Tag entgegen
sieht, an dem das Ehepaar in sein Haus und seine Apotheke zurückkehren will. Ist
die Stadt Sebnitz also tatsächlich das Opfer in diesem makaberen Spiel??
Und ist es etwa keine Tatsache, dass die für kommenden Sonntag angekündigte
Lichterkette gegen rechtsextremistische Gewalt in Sebnitz abgesagt wurde? Es
werde befürchtet, dass es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Rechts-
und Linksextremisten komme.
Mag also sein, dass die Stadt Sebnitz ein Opfer wurde. Aber sicherlich nicht das
Opfer von Hetzparolen der Medien, sondern Opfer der eigen fabrizierten Neonazis,
die das Bild der Stadt nach außen diktieren. Die Sebnitzer sollten sich daher
weniger darüber Gedanken machen, dass die Berichterstattung Touristen
abschrecke, sie sollten sich besser darum sorgen, dass auch ein für Besucher und
Einwohner gleichermaßen tolerantes Klima herrscht!
AUk
haGalil onLine
01-12-2000
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