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Eine Studie von Raphael Gross:
"Carl Schmitt und die Juden"

Von Thomas Meyer
Der Autor lebt als freier Journalist in München und arbeitet
an einer Studie über "Ernst Cassirers Judentum".

Carl Schmitt gehört zu jenen Gestalten, die gleichzeitig abstoßen und faszinieren. Nebeneinander finden sich bei dem 1888 geborenen und 1985 verstorbenen Staatsrechtler die Rechtfertigung für die Morde im Zusammenhang mit dem sogenannten Röhm-Putsch 1934 und die bis heute heftig diskutierte These, dass alle politischen Begriffe ursprünglich theologische sind. 

Er hat 1936 eine Tagung durchgeführt, die sich dem Verschwinden des "jüdischen Geistes" aus der deutschen Rechtswissenschaft widmete, und mit seiner Rede vom "Freund/Feind"-Antagonismus die für viele zentrale Grundfrage nach dem Wesen des staatlich organisierten Zusammenlebens gestellt. Die Idee des Nebeneinander, so will es die liberale Legende über Carl Schmitt, die letztlich stets mehr am sogenannten Theoriepotenzial seines umfangreichen Werkes interessiert war als an der Analyse seiner antidemokratisch ausgerichteten "Kampfbegriffe" (Richard Faber), ist ein Trugschluss, weil sie suggeriert, dass das eine ohne das andere zu haben wäre. Dass sie sich damit darüber hinaus nur um Haaresbreite von den rechten Schmittianern unterscheidet, gehört zu ihren Ritualen der Selbsttäuschung.

Der Essener Historiker Raphael Gross hat sich in der Studie "Carl Schmitt und die Juden" dafür entschieden, den schwammigen Grund der falsch verstandenen liberalen Einstellung zu verlassen, um stattdessen die Frage systematisch zu untersuchen, welchen Stellenwert der ab 1933 offen geäußerte Antisemitismus Schmitts für sein gesamtes Werk hat. Gross verfährt methodisch völlig unspektakulär: ausgehend von den zahlreichen judenfeindlichen Äußerungen sucht er nach Kontinuitäten und Transformationen von Begriffen und Inhalten. Bei der zunehmenden Radikalisierung Nazi-Deutschlands zeigten sie sich als das, was sie von Beginn an waren: Teile eines ungeheuren intellektuellen Aufwandes, um das "Jüdische" in all seinen Spielarten zu bekämpfen, und wenn es sein musste auch die ideologische Vorreiterrolle dabei zu übernehmen. Schon 1960 nannte Karl Dietrich Bracher Schmitts Denken eine "Philosophie des Terrors".

Um der hermeneutischen Prämisse nachkommen zu können, wonach es darum geht, die Frage herauszufinden, auf die der Text eine Antwort darstellt, hat Gross die einflussreichen, von jeder direkten antisemitischen Bemerkung freien Publikationen von vor 1933 in ihren konstitutiven Konstellationen untersucht. Wie Gross in genauer Rekonstruktion nachweist, wählt Schmitt in seinen Werken durchgehend weite Begriffe wie den des "Nomos", den er schon in seiner "Verfassungslehre" (1928) eingeführt hatte, um sie dann historisch aufzuladen. So wird der "Nomos" gegen den "jüdischen" Begriff des "Gesetzes" in Stellung gebracht. Nach dem Krieg wird er dann wieder ins unverdächtige Fahrwasser der reinen Theorie zurückgenommen und kann gleichzeitig weiterhin als Formel gegen das "Jüdische" bestehen bleiben, ohne es direkt aussprechen zu müssen. 

Die "Arbeit" der direkten Diffamierung leisten dann unausgewiesene Zitate - sie erlauben Selbstdistanzierung und nähren die Mär vom Maskenspiel Schmitts. Indem Gross jedoch den ganzen Schmitt ernstnimmt, also gleichermaßen den Theoretiker wie den Tagebuchschreiber - eigentlich das Wunschbild gerade der konservativen Schmitt-Pflege - als permanent reflektierenden Kopf darstellt, gelingt es ihm, die These vom Opportunismus Schmitts zu widerlegen. Es liegt bei Schmitt nicht etwa ein variabler Anpassungsprozeß vor, sondern eine schon immer vorhandene Kompatibilität seiner Theoreme mit der jeweils radikalsten Art der Demokratiebekämpfung bzw. der Legitimation der Diktatur. Schmitts zunächst gewöhnlicher katholischer Antisemitismus ist nicht ein Nebeneffekt des "gefährlichen Denkens", sondern dessen Kerngehalt. Je mehr "jüdisches" Denken Einfluss nimmt, umso größer seine Abwehr. 

Erst mit den nationalsozialistischen Zielsetzungen kann sich Schmitt identifizieren. Dass Schmitt dabei seiner "katholisierenden Privatmythologie" (Barbara Nichtweiß) und kruden (Reichs-)Theologierezeption treu bleibt, erlaubt es vielen Interpreten, eine Differenz zu den Nationalsozialisten zu ziehen und einen offenen Horizont für die Deutung zu reklamieren. Gross verwirft zu recht die als Entlastungsversuche getarnten Interessen, weil er, anknüpfend an Richard Faber und Ruth Groh, die aggressive Stoßrichtung von Schmitt hoch einschätzt. So kann Gross resümierend für die scheinbar unterschiedlichen Phasen von Schmitts Denken sagen: "Dafür, dass Schmitt vor 1933 in seinen Schriften keine Bemerkungen über die Judenfrage machte, lassen sich ähnliche soziale Gründe finden wie für die Tatsache, dass nach 1945 darüber schwieg. Sich in der Weimarer Republik in seiner Position öffentlich antisemitisch zu äußern, wäre einfach unklug gewesen."

Schmitts Rezeption der Romantik, die Auseinandersetzungen mit Hans Kelsen über den Begriff des "Souveräns" und die Versuche, an die sogenannte protestantische Reichstheologie anzuknüpfen, erscheinen jetzt in anderem Licht. In ausführlichen Untersuchungen weist Gross nach, wie sehr Schmitt stets den jüdischen Gehalt aufgesucht und destruiert hat. Dabei achtet Gross allerdings sehr genau darauf, dass er - wie ihm bereits mehrfach vorgeworfen wurde - sich nicht im Besitz eines allgemeingültigen Erklärungsansatzes befindet. Seine Analysen orientieren sich deshalb stets an dem Gegenüber, das Schmitt sich selbst wählt.

"Wer Menschheit sagt, will betrügen", heißt es 1932 in "Der Begriff des Politischen". Der Jude bediene sich universalistischer, funktioneller statt substantialistischer Begrifflichkeiten, um seine ganz und gar partikularistischen Ziele durchzusetzen. Schmitt entdeckt damit für die Rechtswissenschaft ein Motiv, das der Philosoph Bruno Bauch bereits 1916 gegen Hermann Cohen und Ernst Cassirer eingesetzt hatte. Wie sehr Schmitt daran gelitten hat, dass die "Zielsetzung", das jüdische Denken nicht zerschlagen zu haben, nicht gelungen ist, zeigt sein Briefwechsel mit Ernst Jünger - Brief Jüngers vom 10. Februar 1945 (!) und Schmitts Antwort darauf -, wo darüber nachgedacht wird, dass ja nach der "Exterminierung der Juden" (Jünger) deren Moral nun "frei und virulent" geworden sei und damit erneut Gefahr drohe.

Dass nun dieser so mächtige und folgenreiche Spuk wissenschaftlich ein für alle mal erledigt ist und künftige Verteidigungsfiguren als willfährige Ignoranz ausgelegt werden können, ist nur ein Verdienst der außerordentlichen Monographie von Raphael Gross. Er hat dabei nicht nur das "Rätsel Carl Schmitts (...) gelöst" (Friedrich Balke), sondern auch einen bedeutenden Beitrag zur Antisemitismusforschung geliefert.

Raphael Gross
Carl Schmitt und die Juden
Eine deutsche Rechtslehre

Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 2000
ISBN , 54.- DM, 24.60 Euro

hagalil.com 12-11-02

 

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