Letzte Woche
fand in Jerusalem ein Treffen der orthodoxen Führer der jüdischen
Gemeinden aus der ganzen Welt statt. Entgegen zahlreichen
ausländischen Touristen ließen sich diese Israel-Besucher nicht von
den gegenwärtigen Konfrontationen mit den Palästinensern und den
damit einhergehenden Sicherheitsrisiken abschrecken.
Im Gegenteil, es
kamen sogar mehr Teilnehmer als ursprünglich angenommen. Die
politischen Ereignisse, die vorgezogenen Neuwahlen und die Lage in
den besetzten Gebieten, waren Hauptgesprächsthema in den Pausen der
Konferenz, deren Tagesordnung sich freilich mit ganz andere Dingen
beschäftigte.
Vielleicht
sollte jedoch zuerst in aller Deutlichkeit gesagt werden, womit sich
die orthodoxen Vertreter des Judentums nicht beschäftigt haben: mit
den Beziehungen zu nicht-orthodoxen Richtungen. Darauf kam man nicht
einmal nebenher zu sprechen. Angeblich wurde darüber noch nicht
einmal in den Pausen auf dem Gang gesprochen.
Ob das nun aber
tatsächlich daran liegt, dass man anderen Richtungen so wenig
Gewicht zuschreibt, dass es noch nicht mal wert ist, sie zu
erwähnen? Auch die orthodoxe Vorherrschaft in Israel gerät in
letzter Zeit, wenn auch nur leicht, ins Wanken. Reformbewegung und
konservatives Judentum finden auch im Heiligen Land beständigen
Zulauf.
Eine gängige
orthodoxe Erklärung für eigene Vorherrschaft ist, dass die Juden der
Diaspora ohne die Orthodoxie keine Überlebenschancen haben, da die
Erlaubnis von gemischten Heiraten in anderen Richtungen zur
Auflösung und vollständigen Assimilierung der jüdischen Gemeinschaft
führen würden.
Eliezer Shefer,
der das Treffen der Orthodoxen organisierte, konstatierte, dass
außerhalb Nordamerikas die jüdische Welt eindeutig orthodox sei.
Nicht nur die meisten Rabbiner seien orthodox, sondern auch die
überwältigende Mehrheit der Gemeinden definiert sich selbst als
orthodox. Von den 1800 jüdischen Vollzeit-Schulen sind 80 Prozent
orthodox.
Vielleicht ist
die orthodoxe Gemeinde aber auch zu sehr mit ihren eigenen Problemen
beschäftigt. Ein dringendes Problem, das in der Konferenz klar
herausgestellt war, ist das der zahlreichen Alleinstehenden. Ein
Problem, das den Außenstehenden erstaunt, hat man doch stets das
Bild einer orthodoxen Familie mit einer Kinderschar wie Orgelpfeifen
vor Augen.
Tatsächlich
scheint das Problem aber so ernst zu sein, dass man überlegt,
nächstes Jahr eine eigene Konferenz zu diesem Thema zu veranstalten.
Dabei geht es nicht nur um die Gefahren der Assimilation während der
langen Phase des Junggesellendaseins, sondern vor allem um ein
demographisches Anliegen: die Sorge, dass die Geburtenrate aufgrund
des höheren Durchschnittsalters bei der Hochzeit sinkt.
Ein weiteres
Thema, das stets auf jüdischen Konferenzen präsent ist, fehlte auch
hier nicht, die Beziehungen zwischen Israel und der Diaspora. Die
Rabbiner zeigten sich bereits in den vorbereitenden Gesprächen sehr
interessiert an der jüdischen Identität Israels. Eliezer Shefer
sagte, dass in vielen Gesprächen deutlich zu spüren war, dass die
Bindung nach Israel schwächer wird. Also, eine Bestätigung für die
Orthodoxie, denn wenn in Israel die "Entweihung des Shabbats" anhält
und weitere säkulare Umwälzungen stattfinden, haben die
Diaspora-Gemeinden noch geringere Motivation, die Bindung nach
Israel aufrecht zu erhalten.
haGalil onLine
15-12-2000
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