Das Bundeskriminalamt
meldet für das Jahr 2000 einen üblen Rekord: Schon bis zum 31.
Oktober wurden insgesamt 11 752 Straftaten "mit erwiesenem oder zu
vermutendem rechtsextremistischen Hintergrund" registriert - so
viele wie nie zuvor seit der Wiedervereinigung.
Eine Zunahme ist auch bei
den in der Gesamtzahl enthaltenen Gewalttaten zu erwarten. Ende
Oktober wurden bereits 732 in der BKA-Statistik aufgelistet. Im
Gesamtjahr 1998 waren es 708, 1999 dann 746. Einziger "Trost": Bei
den Gewalttaten wird der bisherige Höchststand - 1485 im Jahr 1992 -
nicht erreicht.
Der Schwerpunkt
rechter Gewaltkriminalität liegt weiterhin in
Ostdeutschland. Die Gesamtzahl der 732 einschlägigen
Delikte teilt sich wie folgt auf: 304 in den neuen
Ländern plus Berlin, 428 im Westen. Bezogen auf den
Anteil der Bevölkerung - nur 21 Prozent der Deutschen
leben im Osten - ergibt sich ein krasser Unterschied: In
den neuen Ländern werden im Schnitt 1,9 Gewalttaten pro
100 000 Einwohner begangen, in Westdeutschland sind es
0,77.
Nach
Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz lebt
mehr als die Hälfte der gewaltbereiten Rechtsextremisten
im Osten. Doch nimmt nicht nur hier, sondern bundesweit
die Zahl der militanten Kurzhaarköpfe zu. Für dieses
Jahr erwartet der Verfassungsschutz einen Zuwachs um
zehn Prozent. Damit setzt sich der bisherige Trend fort.
1998 wurden 8200 gewaltbereite Rechtsextremisten
gezählt, 1999 waren es schon 9000. Sollten sich die
Beobachtungen der Verfassungsschützer bestätigen, dann
wäre die Bundesrepublik am Ende des Jahres 2000 mit
ungefähr 10 000 militanten Neonazis und Skinheads
konfrontiert.
Der staatliche
Verfolgungsdruck scheint allerdings nicht ganz ohne
Wirkung geblieben zu sein. Laut Verfassungsschutz ist
die Zahl der rechtsextremen Skinhead-Konzerte um ein
Drittel gegenüber 1999 zurückgegangen. Damals wurden 109
Veranstaltungen registriert. Den Rückgang führt der
Verfassungsschutz vor allem auf das Verbot des deutschen
Ablegers der Skinhead-Organisation "Blood & Honour"
zurück, im September von Bundesinnenminister Otto Schily
verkündet. Andererseits setzen sich Skinheads immer
öfter gewaltsam gegen die Auflösung von Konzerten zur
Wehr. "Diese Entwicklung bereitet uns Sorgen", sagte
kürzlich der Präsident des sächsischen
Landeskriminalamts, Peter Raisch.
Analog zur
wachsenden Gewaltbereitschaft der rechten Szene nimmt
offenbar auch die Terrorismus-Gefahr zu. Die Waffen- und
Sprengstoff-Funde in diesem Jahr wertet das Bundesamt
für Verfassungsschutz als ein "sichtbares Zeichen der
steigenden Gefährlichkeit militanter
rechtsextremistischer Bestrebungen". Außerdem habe es in
einigen Fällen "konkrete Planungen für einen Einsatz"
der Waffen gegeben. "Darüber hinaus waren die Funde zum
Teil nicht Einzelpersonen zuzurechnen, sondern vielmehr
Kleinstgruppen", heißt es beim Bundesamt. Allerdings
seien diese Gruppen nur gering strukturiert. Außerdem
sei es in allen Fällen gelungen, die terroristischen
Ansätze rechtzeitig zu erkennen.
Ob die Szene auf
ein Verbot der NPD mit einer weiteren Zunahme
gewaltsamer Aktionen antworten würde, ist den
Sicherheitsbehörden unklar. Das Bundesamt für
Verfassungsschutz äußert nur die Erwartung, dass sich
ein Teil der "neonazistisch ausgerichteten"
Parteimitglieder der unorganisierten Szene zuwendet.
Davon könnten die 150 "Kameradschaften" profitieren, in
denen zur Zeit 2200 Neonazis eingebunden sind. Diese
cliquenartigen Gruppen bilden häufig den Kern einer
örtlichen rechten Szene. In einigen "Kameradschaften"
werden allerdings auch Waffen gesammelt. Bei der
Durchsuchung der Wohnungen von Mitgliedern der
"Skinheads Sächsische Schweiz (SSS)" fand die Polizei im
Sommer ein üppiges Arsenal. Die "Kameradschaften" hätten
bisher aber nicht versucht, ihre politischen Ziele
gewaltsam zu verfolgen, sagt der Präsident des
Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm. Hierfür
dürften "taktische Überlegungen die Ursache sein". Fromm
beschreibt jedoch die Gefahr: "Der in
Kameradschaftskreisen oft unverhohlen geäußerte Hass auf
Fremde und politische Gegner sowie die in der
Szene-Diskussion steigende Zustimmung zur Anwendung von
Gewalt schaffen ein Klima, in dem Straftaten begünstigt,
wenn nicht sogar verursacht werden."
Grafik:Rechtsextreme
Straftaten und Rechtsextremismus im Internet
haGalil onLine
31-12-2000
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