Die Verhandlungen haben eine
entscheidende Phase erreicht. Nach israelischen und
palästinensischen Berichten sind sich bei den Bemühungen um einen
Vertrag beide Seiten so nah wie nie zuvor.
Ein Scheitern ist aber nicht
auszuschließen: "Wir könnten sehr nahe an einem Abkommen sein, aber
vielleicht auch sehr weit davon entfernt", meinte der
palästinensische Unterhändler Jassir Abed Rabbo nach einem Gespräch
beider Seiten mit US-Präsident Bill Clinton. "Alles hängt jetzt von
den Details ab," fügte er hinzu.
Ministerpräsident Ehud Barak
steht angesichts der bevorstehenden Wahl eines neuen Regierungschefs
unter starkem Erfolgszwang. Ohne ein Abkommen scheint die Niederlage
gegen seinen rechtsgerichteten Kontrahenten Ariel Scharon nach allen
Umfragen besiegelt, nicht zuletzt weil die israelische Linke,
enttäuscht von Baraks bisherigem ZigZag-Kurs, eher zur
Wahlenthaltung als zu seiner erneuten Wahl tendiert.
Außenminister Schlomo
Ben-Ami, nannte einen Vorschlag, wonach die arabisch besiedelten
Teile Jerusalems (dh ein grosser Teil des sogenannten Ost-Jerusalem)
unter palästinensische Souveränität gestellt werden würde. Vertreter
der fundamentalistischen Schas-Partei sprechen von Verrat, die
National-Religiösen malen den Ausverkauf heiligster Besitztümer an
die Wand und Scharon wirft der Regierung eine illegale
"Verzichtspolitik" vor. Für Barak selbst war die Vorstellung einer
"gemeinsamen Hauptstadt" bisher ebenfalls nur schwer vorstellbar.
Auch bei der Grenzziehung
scheint Israel an die Grenze des Möglichen zu gehen. Etwa 95 Prozent
der 1967 besetzten Gebiete sollen zu palästinensischem Staatsgebiet
werden. Die nach 1967 errichteten Wohnviertel in der Nähe Jerusalems
(inkl. der Stadt M'ale Adumim) würden unter endgültig israelische
Hoheit gelangen. Durch die Zuteilung von grenznahem Land auf
israelischem Gebiet würde der neue Palästinastaat entschädigt. Die
bisher kaum lösbare Frage der Souveränität über den Tempelberg
könnte - so die Berichte - durch einen diplomatischen Trick
ausgeklammert werden.
Ungelöst scheint dagegen die
Frage der palästinensischen Forderung nach einem Recht auf Rückkehr
der etwa 3,5 Millionen Flüchtlinge nach Israel. In dieser
Streitfrage wurde nach palästinensischen Angaben bisher noch keine
Annäherung erreicht, obwohl verschiedene Vorschläge der USA auf dem
Verhandlungstisch liegen. Auch in der Frage der künftigen
Grenzkontrollen schienen die Positionen beider Seiten vor der
Verhandlungspause während des Schabath weit voneinander entfernt.
"Alle diese Fragen sind schwierig und ihre Lösung bedarf einer
großen Anstrengung," warnte Unterhändler Abed Rabbo am Donnerstag,
"wenn wir sie nicht lösen, wird es kein Abkommen geben."
Für Baraks politisches
Überleben ist das Friedensabkommen der entscheidende Faktor
geworden. Der Abstand zwischen ihm und dem national-konservativen
Likud-Chef Scharon ist nach Umfragen vom Freitag inzwischen so groß,
dass er nur dann überhaupt eine Chance hat, wenn er einen Vertrag
rechtzeitig vor der Wahl am 6. Februar vorlegen kann. Kein Wunder,
dass die Opposition aus rechten und religiösen Parteien dies mit
allen Mitteln verhindern will. Ein Gesetz soll dem lediglich
"amtierenden" Ministerpräsidenten Barak verbieten, ein Abkommen mit
der Tragweite dieses Friedensvertrags zu unterschreiben.
Selbst wenn das historische
Abkommen rechtzeitig zustande kommt, ist nicht klar, ob Barak damit
seine Wiederwahl sichern kann. Zwar unterstützen nach Umfragen vom
Freitag über 70% aller Israelis den Friedensprozess, trotzdem sieht
Chemi Schalew, Kommentator der Tageszeitung "M'ariw" die "Gefahr,
dass die Öffentlichkeit es vorzieht, den Frieden aufzugeben, wenn er
nur in einem 'Paket' zu haben ist, bei dem Barak wieder
Ministerpräsident wird".
haGalil onLine
22-12-2000
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