Das Schiff hieß
zynischerweise "Patria". Dabei war es dazu bestimmt, seine
Passagiere weit weg von ihrer neu erkorenen Heimat zu bringen. Die
"Patria" war ein Transportschiff, das die britische Mandatsregierung
in Palästina zum Gefängnisschiff umfunktioniert hatte. Im November
1940 sollte es mehrere Tausende von illegalen jüdische
Palästina-Einwanderern von Haifa aus auf die Insel Mauritius im
Indischen Ozean bringen.
Die verhinderten Einwanderer,
allesamt jüdische Flüchtlinge aus Deutschland, Österreich, der
Tschechei und Polen, hatten bereits eine Odyssee hinter sich, als
sie im Spätherbst 1940 den Hafen von Haifa erreichten: Nicht wenige
von ihnen waren bereits im Dezember 1939 auf der Flucht vor den
Nazis nach Bratislava gekommen, um von dort aus per Schiff über die
Donau und das Schwarze Meer nach Palästina zu gelangen. Ihre Abreise
verzögerte sich jedoch um fast ein Jahr, das sie unter kargen
Bedingungen in Sammellagern unter Bewachung verbringen mussten.
Erst im September 1940 gelang
diesen Menschen zusammen mit vielen deutschen und tschechischen
Jugendlichen, die auf Hachscharah gewesen waren, die Ausreise auf
vier Donau-dampfschiffen. In Tulcea, im Donaudelta, wurden die rund
4000 Flüchtlinge auf vier herunter gekommene Frachtschiffe verladen:
Mehr als 800 tschechische Flüchtlinge wurden auf die "Milos"
verladen, die "Pazifik" nahm über tausend Flüchtlinge aus
Deutschland und Österreich auf und auf der "Atlantik" mußten fast
zweitausend Menschen Platz nehmen.
Die völlig überladenen
Schiffe stachen Anfang Oktober in See. Die Lebensbedingungen an Bord
waren schlecht: Es herrschte drangvolle Enge, die Ernährung war
mangelhaft und die sanitären Anlagen liessen zu wünschen übrig.
Alle Passagiere hatten nur
ein Ziel
und eine Hoffnung: Eretz Israel!
Nach wochenlanger Fahrt durch
das Schwarze Meer und den Bosporus, vorbei an Kreta und Zypern,
erreichten die drei Schiffe, die unterwegs Stürmen und anderen
Gefahren trotzen mussten, im Spätherbst 1940 nacheinander den Hafen
von Haifa. Als am 24. November die "Atlantik" als letztes der drei
Schiffe ankam, befanden sich die Passagiere der "Pazifik" und der
"Milos" bereits auf der "Patria". "Unter Quarantäne", wie man sagte.
Sehr bald stellte sich jedoch heraus, dass die Briten die
unwillkommenen Ankömmlinge nach Mauritius im Indischen Ozean
deportieren wollten.
Die Passagiere auf der
"Patria", die zwar nunmehr den wochenlangen Entbehrungen auf den
wenig seetüchtigen Flüchtlingsschiffen entkommen waren, jedoch
forderten nachdrücklich in Palästina an Land gelassen zu werden. Sie
richteten Petitionen an die britische Regierung und machten ihrem
Unmut in Sprechchören Luft, in denen sie ihre Chawerim an Land um
Hilfe baten.
Um die Verschleppung ihrer
Kameraden zu verhindern, schmuggelte die jüdische Widerstands-gruppe
Haganah Sprengstoff an Bord der "Patria". Das Schiff sollte
seeuntüchtig gemacht werden. Am 25. November 1940 morgens gegen neun
Uhr erschütterte eine gewaltige Explosion den Hafen von Haifa. Die
Haganah hatte die Menge des Sprengstoffs falsch berechnet. Bei der
Explosion, die die "Patria" in die Luft jagte, und dem
anschließenden Schiffbruch verloren rund 270 Menschen ihr Leben.
Die Geretteten wurden im
Lager Atlit in der Nähe von Haifa interniert. Den Schiffbrüchigen
wurde nunmehr von den Briten gestattet, in Palästina zu bleiben. Die
Passagiere der "Atlantik" hingegen, die keinen Schiffbruch erlitten
hatten, wurden nach Mauritius gebracht, wo sie bis zum Ende des
Krieges ausharren mussten.
Sechzig Jahre nach der
Katastrophe hat die Journalistin Christiane Kolbet mit Hilfe der "Israel-Nachrichten"
zahlreiche Überlebende ausfindig gemacht und sie nach ihren
Erinnerungen befragt. Sie sollen Gegenstand einer Sendung für den
Bayerischen Rundfunk werden.
Dr. Christiane
Kolbet, Föhrenweg 9, 91091 Großenseebach
Tel/Fax: 09135 / 799 618 - e-mail:
kolbet@t-online.de
haGalil onLine
14-11-2000
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