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Vergessen und verdrängt:
Die deutschen Verbrechen an den 
sowjetischen Kriegsgefangenen

Von Dietrich Eichholtz

Wenn deutsche Politiker und Historiker von der »Tragödie« des Massenmords an Juden, Sinti und Roma, sowjetischen Kriegsgefangenen reden, läuft es einem kalt den Rücken herunter. 

Was heißt hier Tragödie? (Das Wort stammt aus dem Griechischen, bedeutet: verhängnisvolles Schicksal, mit dem Beiklang: von den Göttern verhängt.) Es handelt sich in Wahrheit um Verbrechen ungeheuren Ausmaßes, begangen nicht, wie eben jene Politiker salbadern, »im deutschen Namen«, sondern von leibhaftigen Deutschen - Nazipolitikern und Schreibtischtätern, Generalen, SS-Leuten, Polizisten, Großunternehmen, auch Tausenden und Abertausenden »einfachen« deutschen Soldaten und Zivilisten. 

Wer auf diesem Hintergrund von Tragödie spricht, kann das Wort ehrlicherweise nur auf die Opfer beziehen, und auch dann behält es einen apologetischen Beigeschmack. Auch andere verräterische Begriffe wie »Verstrickung« dienen den Tätern dazu, sich vor der Verantwortung zu verkriechen, etwa als bloße »Mitläufer«.

Mit dem Überfall auf die UdSSR offenbarte sich der Weltherrschaftswahn des Naziregimes in seinem ganzen Ausmaß, und seine Völkermordabsichten traten unverhüllt hervor. Der Naziideologie nach war dieser Krieg ein »Rassenkrieg« gegen die »Sturmflut Asiens« (Heydrich). Aber ungeachtet seines mörderisch rassistischen Charakters handelte es sich um einen handfesten imperialistischen Eroberungskrieg der deutschen Eliten, um ihren neuen »Griff nach der Weltmacht«. »Was für England Indien war, wird für uns der Ostraum sein«, tönte Hitler. Das riesenhafte Gebiet müsse, sobald beherrscht, ausgebeutet werden: »So viel wie möglich Lebensmittel und Mineralöl für Deutschland zu gewinnen, ist das wirtschaftliche Hauptziel der Aktion.« (»Grüne Mappe« Görings)

Die 3,3 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen waren die nach den europäischen Juden größte Gruppe auf dem Mordkonto des NS-Regimes. Ihr Schicksal hat vor 25 Jahren der bundesdeutsche Forscher Christian Streit in einem großartigen Buch ans Licht gebracht, das diesem mutigen Mann viel Gegnerschaft eingebracht hat. Immer noch ist das ungeheuerliche Verbrechen an den sowjetischen Kriegsgefangenen weithin unbekannt.

Als schon bis Ende 1941 fast dreieinhalb Millionen Sowjetsoldaten in Gefangenschaft gerieten, erfuhren sie die faschistische Doppelpolitik - rassistische Vernichtungs- und imperialistische Ausbeutungsziele - am eigenen Leibe. Die furchtbaren Folgen - Erschießen und Erhängen, Ausbeutung und Hungertod. SS-Einsatzkommandos und Wehrmachteinheiten ermordeten sogleich alle kommunistischen und Staatsfunktionäre, alle Politoffiziere, alle »Intelligenzler«, alle Juden und »alle Personen, die als Aufwiegler oder als fanatische Kommunisten festgestellt werden«. Im Auswärtigen Amt notierte man hoffnungsfroh: »Eine Ausschaltung dieser sowjet-aktiven Elemente, die in allen Dienstgraden vertreten sind, ... könnte dazu beitragen, die Gefangenen innerlich vom Sowjetismus loszulösen und ein brauchbares, materiell bedürfnisloses, geistig lenksames Arbeitsinstrument aus ihnen zu machen.« SS und Wehrmacht erweiterten die Mordbefehle selbsttätig auf alle Mitglieder der Kommunistischen Partei, alle »Asiaten«, alle (beschnittenen) Mohammedaner (die man für Juden hielt).

Die Mehrzahl der umgekommenen Gefangenen starb an Hunger. Wehrmacht- und Heeresführung ließen das ungerührt geschehen, damit der deutsche Vormarsch gesichert und die Truppe, bestmöglich verpflegt, bei Laune gehalten wurde. Sie wußten es von Anfang an: Die von ihnen festgesetzten Rationen für die Gefangenen mußten ein Hungersterben hervorrufen. »Nichtarbeitende Kriegsgefangene in den Lagern haben zu verhungern«, erklärte Generalquartiermeister Eduard Wagner am 13. November 1941 vor den Stabschefs der Heeresgruppen und Armeen des Ostheeres. Auch Soldaten in großer Zahl nahmen die grauenhaften Bilder, die die zu Tausenden verhungernden Kriegsgefangenen in den Lagern oder auf dem Weg ins Hinterland boten, nicht nur bald als selbstverständlich hin, sondern sie brutalisierten sie, und es festigte sich in ihren Köpfen die Nazi-»Untermenschen«- Ideologie. »Der Russe muß sterben, damit wir leben!« war ein verbreiteter Slogan in der Truppe.

In den Sammelstellen hinter der Front lagerten die Gefangenen zu Zehntausenden dichtgedrängt im Freien, tagelang, vielfach ohne jede Nahrung, bei kaltem Herbst- und später bei strengem Winterwetter. Oft waren selbstgegrabene Erdlöcher noch im Winter ihre einzige Unterkunft. Von den Gefangenen der Kesselschlacht bei Kiew in der zweiter Septemberhälfte 1941 zum Beispiel (600 000 Mann) starben täglich 6 000. Häufig lag die Rate in einzelnen Lagern doppelt und dreifach höher.

Die Gefangenen verhungerten nicht, weil zu wenig Nahrung zu beschaffen gewesen wäre, sondern man gab ihnen Todesrationen, weil das gesamte deutsche Ostheer aus dem eroberten Land ernährt und überdies so viel Lebensmittel wie möglich nach Deutschland geschafft werden sollten. Militärs und Wirtschaftsplaner kalkulierten von vornherein kalten Blutes den Hungertod von »zig Millionen Menschen« in der UdSSR ein (Göring/Backe).

Auf den wochenlangen Fußmärschen über Hunderte Kilometer ins Hinterland oder beim Transport in offenen Güterwagen bei bis zu 30 Grad Kälte starben, wie vorher in den Auffanglagern, noch einmal Hunderttausende an Hunger, Kälte und Schwäche. Die Wachmannschaften erschossen jeden, der nicht weiter konnte, oder prügelten ihn zu Tode. Viele Gefangene, die in ihrem elenden Zustand zur Arbeit getrieben wurden, starben vor Schwäche.

Seit Herbst/Winter 1941/42 sah es dann so aus, als ob der Arbeitskräftemangel in der deutschen Kriegswirtschaft eine Wende in der Kriegsgefangenenpolitik einleiten sollte. Plötzlich stimmte Hitler ihrem Einsatz in der Wirtschaft zu - trotz der »bolschewistischen Verseuchungsgefahr«, die er immer befürchtet hatte. Aber sogar die Rüstungsindustriellen, gierig auf Arbeitskräfte, waren zuerst skeptisch, als sie die Elendsgestalten aus den Gefangenenlagern in ihren Betrieben sahen.

Erst allmählich stieg die Zahl der in Deutschland arbeitenden sowjetischen Kriegsgefangenen, die schließlich bei der Industrie immer begehrter waren, von kaum 150 000 Anfang 1942 bis auf 631 000 im Sommer 1944 (acht Prozent aller ausländischen Zwangsarbeiter). Die größten »Arbeitgeber« waren 1944 der Bergbau (160 000), die Landwirtschaft (138 000) und die Metallindustrie (131 000), ferner das Baugewerbe und die Bahn. Zur Arbeit verschleppt wurden freilich viel mehr als diese 631 000, da die »Abgänge« durch Tod und Krankheit so hoch waren wie bei keiner anderen Kategorie der Zwangsarbeiter, ausgenommen die KZ-Häftlinge. Der deutsche Kohlenbergbau meldete allein für die erste Jahreshälfte 1944 den »Abgang« von 32 236 sowjetischen Gefangenen, gestorben überwiegend wegen der Hungerrationen bei schwerster Arbeit. Überschläglich werden also auch bei der Zwangsarbeit im Reich nicht weniger als 200 000 Gefangene umgekommen sein.

Das Nachkriegsschicksal der überlebenden sowjetischen Kriegsgefangenen war und ist bis heute schlimm, schlimmer vielleicht als das der am Leben gebliebenen Juden. Schon während des Krieges durch Stalins »Befehl Nr. 270« als Verdächtige und »Verräter« mitsamt Familien geächtet, kamen sie nach der Rückkehr in großer Zahl in Straflager. Sie wurden erst 1956, nach dem XX. Parteitag, amnestiert. Eine völlige Rehabilitation, Rentenansprüche eingeschlossen, fand nicht statt. Erst die öffentliche Diskussion seit Ende der 80er Jahre brachte positive Veränderungen.

Bei den jüngsten Verhandlungen über die Entschädigung von Zwangsarbeit sind Kriegsgefangene ausgeschlossen worden. In der deutschen Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« gibt es für sie keinerlei Mittel. Damit haben die Überlebenden keine Chance, auch nur einen Pfennig für jahrelange Arbeitsqual in der deutschen Kriegswirtschaft, geschweige denn eine Entschädigung für Isolierung, Hunger, Prügel und Entwürdigung zu bekommen.

Junge Welt, 04.11.2000

haGalil onLine 07-11-2000


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