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Interview mit Dr. Thomas Krapf
Kultur: Sie betrachten die
Kündigung Ihres Dienstvertrages seitens der Stadt Hohenems für
rechtswidrig und haben sich ans Arbeitsgericht gewandt. Wie sehen Ihre
konkreten Forderungen aus?
Krapf: Vor noch nicht einmal zwei
Jahren, nämlich am 18.11.1998, hat mich die Stadt Hohenems zum Leiter
des Jüdischen Museums bestellt. Ich war nach einem fast zweistündigen
Hearing am 12.9.1998 unter fünfzig Kandidaten ausgewählt worden. Laut
Bestellungsschreiben, das von Bürgermeister Christian Niederstetter
unterzeichnet worden ist, ist meine Dienstzeit auf fünf Jahre bemessen,
d.h. bis zum 31.12.2003. Die Stadt Hohenems kann diese Vereinbarung
nicht einfach auflösen. Von meiner Klage erwarte ich mir, dass die
Kündigung für rechtsunwirksam erklärt wird. Ich denke, niemand in meiner
Situation kann sich darauf einlassen, von einem Dienstgeber ohne
relevante Gründe in der beruflichen Entfaltung behindert zu werden. Es
geht hier aber um viel mehr als um einen Mitarbeiter, der mir nichts,
dir nichts in die Wüste geschickt wird. Auch die Institution nimmt dabei
Schaden. Es geht hier um die Zukunftsperspektiven des Jüdischen Museums.
Kultur: In Ihrer Stellungnahme
vom 4.9.2000 schreiben Sie: "Ich bin empört über öffentliche Äußerungen,
die sich involvierte Personen in diesem Zusammenhang in den letzten
Wochen erlaubt haben. Ich würde mich gerne zu diesen aus meiner Sicht
irreführenden Entstellungen äußern und die Hintergründe der
Entwicklungen öffentlich bekanntmachen, zumal damit die eingentlichen
Interessen des Museums bedient würden." Hier haben Sie die Gelegenheit
dazu. Welches sind denn die "irreführenden Entstellungen"?
Krapf: In jenem Zusammenhang habe
ich noch etwas anderes gesagt. Nämlich, dass man versuchen könnte, mir
die Offenlegung von Interna außerhalb des gerichtlichen Verfahrens als
Verstoß gegen meine dienstlichen Pflichten auszulegen und dass ich mich
deshalb vorerst jeden Kommentars enthalten wollte. Daran hat sich nichts
geändert. Ich will nicht nachträglich das Fabrikationsmatial eines
Kündigungsgrundes liefern. Im Augenblick ist mein erstes Ziel, den
Prozeß zu gewinnen, PR muß sekundär sein. Nun hat die Titelgeschichte in
der Septemberausgabe der "Kultur" dieses Dilemma verschärft. So ist mir
von Freunden dringend nahegelegt worden, diese Dinge nicht unkommentiert
zu lassen, weil sonst Kulturinteressierte im Land mein taktisches
Schweigen als geständiges Schweigen deuten würden. Deshalb bin ich zu
diesem Interview unter dem Vorbehalt bereit, dass ich gegenwärtig
vielleicht nicht auf alle Ihre Fragen antworten kann.
Kultur: Worin sehen Sie die
eigentlichen Ursachen für den Konflikt?
Krapf: Ich glaube, dass einigen
massgeblichen Leuten in Hohenems das Jüdische Museum grundsätzlich ein
Dorn im Auge ist. Dies fällt natürlich auf die Repräsentanten des
Museums - und damit vor allem auf mich - zurück. Historisch betrachtet
hatten alle Direktoren des jüdischen Museums solche Probleme. Ich selbst
habe erlebt, wie ein Konflikt in der Öffentlichkeit ausgetragen wurde,
bedauerlicherweise zum Schaden des Museums. Dazu habe ich sehr, sehr
viel zu erzählen, aber auf Anraten meines Anwalts halte ich mich in
dieser Sache noch zurück.
Kultur: Es wird von allen Seiten
betont, hinter dem Konflikt stünden keine inhaltlichen Probleme, also
Differenzen mit dem Bürgermeister oder dem Vereinsvorstand hätten bei
der Kündigung keinerlei Rolle gespielt. Sie glauben das nicht?
Krapf: Ich halte die inhaltlichen
Differenzen für das Entscheidende. Alles andere ist Spiegelfechterei.
Probleme gab es beispielsweise schon mit der Ausstellung "Ecclesia et
Synagoga. Das Judentum in der christlichen Kunst" im letzten Herbst, die
aufgrund ihrer kritischen Haltung maßgeblichen Personen in Vorarlberg
missliebig war. Ein weiteres Beispiel ist das Thema
"Wehrmachtsausstellung", wobei diese Aktivitäten stattfanden, bevor sich
inhaltlich Probleme ergaben, weshalb die Proponenten die Ausstellung
später zurückzogen. Damals war es mir gelungen, den Vorstand davon zu
überzeugen, dass sich das Jüdische Museum Hohenems für dieses Projekt
engagieren müsse. Nach meinem Dafürhalten gibt es für ein jüdisches
Museum, das in der Villa Heimann-Rosenthal untergebracht ist, überhaupt
keine Wahl. Die letzte jüdische Bewohnerin dieses Hauses ist mit anderen
Hohenemser Juden nach Theresienstadt deportiert und ermordet worden.
Wenn eine Institution wie das Jüdische Museum das Zeigen der
Wehrmachtsaustellung in Vorarlberg nur halbherzig unterstützen wollte,
würde sie ihre Glaubwürdigkeit ruinieren. Nach einem langen
Diskussionsprozeß hat der Vereinsvorstand meine Position damals ja auch
anerkannt. Dennoch ist mir diese Initiative von vielen verübelt worden.
Ich muß annehmen, dass mir jetzt auch die Veranstaltungsreihe "Im
Schatten der Vergangenheit" verübelt wird. Ich hatte sie vor meiner
Kündigung bis zur letzten Veranstaltung am 8. November durchorganisiert.
Sie haben darüber ja in der "Kultur" vom letzten Juni einen Artikel
veröffentlicht, in dem ich die Intention des Projekts darlegen konnte.
Bisher ist es auf reges Besucherinteresse gestossen.
Kultur: Der Beschluss des
Vereinsvorstands, die Stadt um Auflösung Ihres Vertrages zu ersuchen,
war einstimmig. Gibt Ihnen das nicht zu denken?
Krapf: Auch wenn ich mich zu
dieser Frage noch bedeckt halten muss, können Sie vielleicht
nachvollziehen, dass ich die Motive meiner Dienstgeberinstanzen nicht
ohne kritische Distanz sehe. Da Sie den Vorstand ansprechen, möchte ich
an dieser Stelle betonen, dass es mir mir fernliegt, den Mitgliedern des
Vorstands ihr ehrbares Engagement pauschal abzusprechen. Sie investieren
sicherlich viel Zeit und Energie, und sie tun dies ehrenamtlich. Dass
sich dennoch die Frage stellt, ob es verantwortbar ist, das Museum in
dieser Form zu führen, steht auf einem anderen Blatt. Ich denke, diese
Institution ist über die angemessene Schuhgröße eines Vereins
hinausgewachsen. Dass ich diese Einschätzung an geeigneter Stelle zur
Sprache gebracht habe, dürfte mir möglicherweise ebenfalls verübelt
worden sein.
Kultur: Alle meine
Gesprächspartner - ein Vorstandsmitglied, der externe Berater Samy Bill,
ein Mitarbeiter des Hauses, der Bürgermeister - alle sind einhellig der
Meinung, dass Sie nicht dazu bereit waren, bei der Suche nach neuen
Organisationsstrukturen mitzuarbeiten, insbesondere dann, wenn es darum
ging, über die Funktion der Leiterstelle nachzudenken. Wie stehen Sie zu
diesem Vorwurf?
Krapf: Vor zwei Jahren habe ich
mich um die Leitung beworben. Es gab eine Stellenbeschreibung. Ich bin
von einem anderen Erdteil nach Vorarlberg gezogen. Meine Frau muß eine
neue Sprache lernen, auch für unsere beiden Kinder ist die Umstellung
noch nicht abgeschlossen. Wir haben das auf uns genommen, weil es eine
Stelle mit einem Aufgabenbereich gab, den ich fünf Jahre lang wahrnehmen
sollte und die mich, so hofften wir, beruflich weiterbringen würde.
Eines Tages heißt es plötzlich: "Deine Stelle wird neu definiert. Da
hast du mitzumachen." Man will aber nicht sagen, wie das Stellenprofil
aussieht, weil es angeblich Ergebnis eines "Diskussionsprozesses" sein
soll. Dennoch habe ich mich bereit erklärt, mich an jeder Diskussion zu
beteiligen. Dabei habe ich mir allerdings vorbehalten, das noch nicht
bekannte Ergebnis möglicherweise nicht anzuerkennen. Ebenfalls habe ich
wiederholt zu Protokoll gegeben, dass ich mein Recht auf die Position,
für die ich ernannt worden bin, nötigenfalls mit allen zu Gebote
stehenden Mitteln geltend machen würde. Diesen Vorgang will man mir als
unverbesserliche Unflexibilität anlasten und damit die Kündigung
rechtfertigen. Meinerseits hatte ich jedenfalls gute Gründe, dem
externen Organisationsberater Samy Bill zu mißtrauen, weil er mit
vorgefaßten Positionen an seine Aufgabe heranging, was in meinen Augen
keine Empfehlung für seine Professionalität ist. Gleich zu Beginn von
Herrn Bills Beratung erfuhr ich von einem Vorstandsmitglied, der
Organisationsberater bemängele "fehlendes betriebliches Denken" im
Museum. Zu diesem Zeitpunkt hatte er zwar mit Mitarbeitern des
Museumsleiters über die Situation gesprochen, aber nicht mit mir. Sie
werden verstehen, dass ich da sehr argwöhnisch wurde, selbst wenn ich
Herrn Bill auf Empfehlung meiner Mitarbeiter geholt hatte. Fakt ist
jedenfalls, dass es 1999, als ich für das Budget verantwortlich war, im
Museum wieder schwarze Zahlen gegeben hat. Wohlgemerkt ohne
buchhalterische Kunstgriffe und nachdem es im Vorjahr ein für mein
Empfinden skandalöses Defizit gegeben hatte. Um so lieber hätte ich
gewußt, was denn "mangelndes betriebliches Denken" ist. Ich lasse mir
nicht nachsagen, dass ich mich sachlicher Kritik verschließe. Anstatt
aber mit mir über Sachfragen zu reden, wollte der Berater — nicht ohne
psychologische Trickserei — dass ich im Vorhinein ein noch nicht
bekanntes "Diskussionsergebnis" unterschreiben sollte. Diesen
Blankoscheck habe ich verweigert. Solange Parolen wie "Verflachungen von
Hierarchien" herumgeisterten, lag für mich nahe, dass man mich als
Frühstücksdirektor im Archiv entsorgen könnte. Dafür war ich nun nicht
hierher gezogen.
Kultur: Man hat Ihnen auch
vorgeworfen, die internen und externen Mitarbeiter nicht richtig
motiviert zu haben. Gab oder gibt es aus Ihrer Sicht
Kommunikationsprobleme?
Krapf: Obgleich es mir fern
liegt, unbestreitbare Verdienste der Mitarbeiter in Abrede zu stellen,
scheint es manchen mitunter egal zu sein, wer unter ihnen Direktor ist.
Wenn ihnen in dieser Haltung von Vorstandsmitgliedern der Rücken
gestärkt wird, entstehen neue Problem— und Minenfelder. Dies ist
allerdings sehr komplex und betrifft Interna, über die ich mich zu
diesem Zeitpunkt nicht äußern kann. Gleiches gilt für die externen
Mitarbeiter, nach denen Sie fragen.
Kultur: Ein weiterer gegen Sie
gerichteter Vorwurf lautet, es gäbe nicht einmal eine mittelfristige und
dementsprechend auch keine langfristige Programmplanung für das Jüdische
Museum.
Krapf: Das ist unwahr. Zutreffend
ist, dass ich mit meinen Vorstellungen mitunter auf wenig Begeisterung
gestoßen bin, so dass meine Programmideen dann ungern aufgegriffen
wurden. Das liegt im wesentlichen daran, dass nach meinen Vorstellungen
nach der Schoa ein jüdisches Museum in Deutschland oder Österreich einen
klaren gesellschaftspolitischen Auftrag wahrzunehmen hat. Mein Ansatz
wurde ja bereits in Ihrem Interview dokumentiert ("Kultur", Februar
1999), das Sie gleich nach meinem Dienstantritt im Januar '99 mit mir
geführt hatten. Das Echo meiner Programmvorstellungen im Jüdischen
Museum Hohenems tangiert die viel beschworene, aber nie geführte
Leitbilddiskussion. Beispielsweise geht es um die Gefahr, dass eine
Institution von Rang und Namen und mit einem großem Potential zu einem
beschaulichen Heimatmuseum verkommen kann, weil es an einer sinnvollen
Prioritätenskala krankt.
Kultur: Zurück zum Rechtsstreit:
Selbst wenn Sie vor Gericht Recht bekommen sollten, wird es für Sie
aufgrund des zerbrochenen Porzellans wohl keine Zukunft als Leiter des
Jüdischen Museums geben. Geht es also nur noch darum, eine möglichst
hohe Abfindungszahlung auszuhandeln?
Krapf: Ich sehe das entschieden
anders. Zum Glück habe ich keinerlei Erfahrung mit solchen Prozessen,
und natürlich geht es um finanzielle Forderungen, nach meiner
Grobrechnung zunächst um sechsundvierzigeinhalb Monatsgehälter. Aber für
mich geht es um weit mehr, denn ich will meine Biographie nicht auf
Gehaltszettel und Bankauszüge reduziert wissen. Ich bin hierher
gekommen, um im Jüdischen Museum Hohenems etwas zu gestalten. Wie
Richter mit dieser Lage umgehen, kann ich nicht beurteilen. Was mit dem
zerbrochenen Porzellan geschieht, wird sich zeigen. Vielleicht wird sich
auch die Organisation des Jüdischen Museums ändern müssen.
Kultur: Können Sie sich noch eine
außergerichtliche Einigung vorstellen?
Krapf: Alles ist möglich.
Kultur: Wie sehen nun Ihre
persönlichen Lebenspläne aus, nachdem Ihr Engagement beim Jüdischen
Museum möglicherweise nicht mehr allzulange dauern wird?
Krapf: Wie ich bereits sagte, für
mich ist offen, wie es mit dem Museum und mir weitergehen wird.
Diesbezüglich und in meiner Lebensplanung bin ich für vieles offen, auch
für eine Erneuerung meines starken Engagements im Museum. Allerdings
müßte ich mich dann vordringlich um Elefantenschutz bemühen, denn
weitere Porzellanschäden wären für das Museum katastrophal. |