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Gemeinschaft statt Ausgrenzung, heißt das Rezept vieler ostdeutscher Kommunalpolitiker gegen Rechts. 

von heike kleffner

Die Staatsantifa ist überall. Das glaubt man zumindest. Doch weit gefehlt. In die Niederungen der ostdeutschen Provinz scheint die bundespolitische Debatte über den Rechtsextremismus bislang nicht vorgedrungen zu sein.

Mit Härte gegen Rechts? In vielen ostdeutschen Städten und Gemeinden hält man es lieber mit dem brandenburgischen Innenminister Jörg Schönbohm: »Was bringen ðKonzerte gegen RechtsÐ, Lichterketten oder Fußballspiele ðGegen NazisÐ?«, schrieb der CDU-Politiker unlängst im Berliner Tagesspiegel. »Sie grenzen aus und isolieren. Aber die Isolation ist es, welche diese Jugendlichen den braunen Verführern in die Arme treibt. Sie fühlen sich von der Gesellschaft ausgegrenzt und wenden sich gerade deshalb von ihr ab. Wir müssen anfangen, gemeinsam mit den rechten Jugendlichen Fußball zu spielen, als (!) immer nur Fußballspiele gegen Rechts zu organisieren.«

Auch im sächsischen Delitzsch scheinen Kommunalpolitiker zu glauben, den Neonazismus am besten mit der Gemeinschaft austreiben zu können. In der Kreisstadt machen NPD und Freie Kameradschaften seit etwa einem halben Jahr verstärkt mobil; sie fordern einen eigenen »autonomen« Jugendclub, denn im Mai dieses Jahres hatte eine Kneipe dicht gemacht, die der örtlichen Nazi-Szene als Treffpunkt diente.

Sitzen junge Deutsche auf der Straße, ist schnelles Handeln gefragt. So beschloss der Delitzscher Stadtrat bereits einen Monat nach der Schließung der Kneipe, den Rechten einen eigenen Container zur Verfügung zu stellen. Dieses Vorhaben musste gestoppt werden, nachdem eine Gruppe von acht Rechten, darunter auch der örtliche Kameradschaftsführer Mike Scheffler, Anfang Juli in die Wohnung der Familie Kardass eingedrungen war. Dort hatten die Schläger die 18jährige Jana Kardass bedroht und sie gezwungen, die Adresse einer Freundin herauszugeben, die dem Umfeld der »Villa«, eines alternativen Jugendtreffs, angehört.

Jana und ihre Familie haben die Stadt inzwischen verlassen und werden therapeutisch betreut. Auch der Sohn einer russischen Aussiedlerfamilie, der einige Tage später von Rechten verprügelt wurde, wohnt nicht mehr in Delitzsch. In beiden Fällen konnte die Polizei die Täter ermitteln. Doch sie laufen, wie Mike Scheffler, noch immer durch die sächsische Kleinstadt.

Nach dem gescheiterten Containerprojekt hatten die Stadtoberen schon bald eine neue Lösung parat: Man habe doch ein offenes Jugendhaus, das YOZ, sollen die Rechten doch dorthin gehen. Gesagt, getan, und so begleitete der stellvertretende Bürgermeister von Delitzsch, ein SPD-Mann, die Nazis persönlich ins YOZ.

Seither treffen sich dort nicht nur die örtlichen Rechten, sondern auch Neonazis aus Wurzen und Bitterfeld. Das Stammpublikum indes, jene Jugendlichen, die sich als nicht-rechts bezeichnen - darunter auch die Kinder der russischen Aussiedlerfamilien und afrodeutsche Jugendliche -, lässt sich in dem Club immer seltener blicken.

Auch jene, die es noch wagen, der rechten Offensive in Delitzsch entgegenzutreten, werden ausgegegrenzt. So konnte der Verein Die Anderen, der die »Villa« betreibt und früher schon Konzerte im YOZ veranstaltet hatte, erst per einstweiliger gerichtlicher Verfügung ein für den 7. Oktober geplantes Konzert »Gegen Faschismus« im YOZ durchsetzen. Die Stadt hatte die Veranstaltung zunächst verboten, das Motto sei ein Verstoß gegen die Hausordnung des YOZ, hieß es. »Politisch orientierte Veranstaltungen« seien dort künftig nicht mehr gestattet.

Wenn Verbote nicht greifen, setzt man in Delitzsch auf Abschottung. Sozialarbeiter z.B. müssen bei Kritik an der offiziellen Jugendpolitik um ihren Job fürchten. Angesichts der weit verbreiteten Überzeugung, die jüngsten Berichte in den Medien seien das eigentliche Problem, wundert es nicht, dass gerade die Kritiker vor Ort als Nestbeschmutzer beschimpft werden. Man fürchtet um das Image der Stadt. Immerhin, in Delitzsch existiert noch eine alternative Gegenkultur, die sich politisch artikuliert. Am 4. November soll sogar unter dem Motto »Delitzsch nicht in Nazi-Hand« eine Demo organisiert werden.

In Kittlitz hingegen, einer 3 000-Seelen-Gemeinde in der sächsischen Oberlausitz, sieht es düsterer aus. Dort wird seit 1996 ein Neonaziclub in Selbstverwaltung hinter der Fassade eines eingetragenen Vereins betrieben. Einige Vereinsmitglieder tauchen immer wieder als Ordner bei NPD-Aufmärschen in Sachsen auf. Andere sind in der Kameradschaft »Odins Legion« organisiert und sorgen mit Angriffen auf nicht-rechte Jugendliche für die rechte Hegemonie in der Region.

Selbst der sächsische Verfassungsschutz hat im »Jugendclub Glossen e.V.« einen Treffpunkt rechtsextremer Jugendlicher mit enger NPD-Anbindung erkannt, der für ein so kleines Dorf bemerkenswert sei. Der kommissarische Bürgermeister von Kittlitz hingegen freut sich, dass die »Jungs vom JC Glossen Eigeninitiative zeigen«. Und die Schulleiterin der örtlichen Mittelschule hat kein Problem mit NPD-Propagandamaterial, das an ihrer Schule verteilt wird. Schließlich, so betont sie, sei die NPD eine legale Partei. »Diejenigen, die sich vor Ort gegen Rechts stellen, sind so isoliert und einflusslos, dass ihnen auch eine mediale Öffentlichkeit kaum noch hilft«, sagt Frank Johns von der Opferperspektive Ostsachsen.

Der Nazi-Hegemonie im Osten hat die aktuelle Debatte über Rechtsextremismus bisher nichts anhaben können. Im Gegenteil, vielerorts konnten die Rechten ihre Position weiter ausbauen. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele, wie etwa die sachsen-anhaltinische Gemeinde Schönebeck in der Nähe von Magdeburg. Dort wollte man Mitte September ein »Forum gegen Rechts« ins Leben rufen. Auch Kommunalpolitiker und Kirchenvertreter waren daran beteiligt.

Bei der Gründungsversammlung tauchten jedoch rund 30 Nazis auf, die Veranstaltung wurde schnell zu einer rechten Propagandashow. Ein Mitglied der Kameradschaft Schönebeck konnte zudem ungehindert die Veranstaltungsteilnehmer fotografieren. Das Vorgehen hat seine Wirkung nicht verfehlt: Beim nächsten Mal zogen es die Veranstalter vor, die NPD lieber gleich einzuladen. 

haGalil onLine 12-10-2000


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