Zwischen den
beiden angesehenen Opernhäusern Berlins gibt es Konkurrenz, und das
ist nur natürlich. Das eine wird von Daniel Barenboim geleitet. Vor
einigen Monaten gab Barenboim bekannt, er werde sein Amt nach Ablauf
seines Vertrags verlassen, falls seinen Forderungen nach einer
Erhöhung des Etats nicht nachgekommen werde.
Die Kontroverse
über den Musiketat Berlins entwickelte sich nun zu einem Skandal,
dies aufgrund einer ärgerlichen, kläglichen und eigentlich
antisemitischen Äußerung eines Berliner Politikers.
Ich fragte
Daniel Barenboim gestern, ob seiner Meinung nach diese Kontroverse
tatsächlich antisemitische Gefühle an die Oberfläche gebracht habe.
Barenboim sagte in einem Telefongespräch aus Berlin, trotz seiner
langen Jahre in Deutschland habe er keine klare Antwort auf diese
Frage.
Alles begann mit
einem Artikel, der vor kurzem in der FAZ erschienen ist. Der
Verfasser, ein Berliner Senator namens Ulrich Roloff-Mumin,
erzählte, zwei zentrale Persönlichkeiten Berlins hätten ihre Freude
darüber zum Ausdruck gebracht, dass die jüdische Hegemonie im
kulturellen Lebens Berlin allmählich zu Ende ginge, wobei sie auf
das bevorstehende Ausscheiden Barenboims aus der Leitung der
Staatsoper hindeuteten.
Der Senator
nannte keine Namen, aber zwei Personen hatten es eilig zu betonen,
dass es sich nicht um sie handle. Barenboim: Zwei sind sofort
aufgesprungen und sagten - wir waren es nicht. Diese Eile sei etwas
seltsam gewesen, sagt Barenboim.
Einer dieser
beiden Eiligen ist Christian Thielemann, der Leiter der Deutschen
Oper. Der 41-jährige Thielemann (der auch schon in Israel dirigiert
hat) war der Assistent Barenboims, und letzterer sagt, ihre
Beziehungen seien korrekt und freundschaftlich gewesen, obwohl man
sich heute nicht häufig treffe. „Ich glaube dem Dementi Thielemanns,
solange es keine konkreten Beweise gegen ihn gibt“, sagt Barenboim.
„Wir sind keine Rivalen, ich schätze ihn sehr.“
Und wie steht
Barenboim zu dem zweiten Leugner, dem CDU-Vorsitzenden Klaus
Landrowsky? Letzte Woche veröffentlichte Landrowsky eine
Klarstellung in der Berliner Morgenpost, die unter anderem den
seltsamen Satz enthielt: „Auf der einen Seite haben wir in Berlin
einen Musiker wie Thielemann, der der Erbe Karajans ist, und auf der
anderen Seite den Juden Barenboim“:
Barenboim: „Die
Äußerung Landrowskys ist ein Problem. Er hat später erklärt, er habe
damit gemeint, aus seiner Sicht sei es gut, dass mein ‘jüdisches
Element’ in der Berliner Musik existiere. Ich verstehe nicht, was
mein ‘jüdisches Element’ mit der Musik zu tun haben soll. Das habe
ich auch dem Regierenden Bürgermeister gesagt, der mich am Tag
danach angerufen hat. Auch wenn Landrowsky meint, dass Judentum
etwas Positives ist, dann ist das noch immer Rassismus. Solche
Sachen sind gefährlich, ob sie nun als Kompliment oder als
Beleidigung gemeint sind.“
Diese Affäre
fügt sich in den Kampf Barenboims um die Erhöhung des städtischen
Etats für „seine“ Oper ein. Barenboim ist wie gesagt musikalischer
Leiter der Staatsoper im östlichen Teil der Stadt. Sein ehemaliger
Assistent Thielemann leitet die „Konkurrenz“, die Deutsche Oper im
Westen der Stadt. „Die städtischen Politiker, die zum Großteil
Westberliner sind, können die Tatsache nicht verdauen, das die
Reputation von der Oper im Osten kommt“, sagt Barenboim. Wird dieser
Neid dann hin und wieder von Antisemitismus begleitet? Barenboim
sagt, dies sei nicht auszuschließen.
Im Sommer 2002
läuft der Vertrag Barenboims bei der Staatsoper ab, und er hat
bereits angekündigt, dass er ihn nicht erneuern werde. Darüber
hinaus lehnt er mit Nachdruck die Idee ab, die sich bei den
Verantwortlichen abzuzeichnen beginnt, die beiden Opernhäuser zu
vereinen und zahlreiche Musiker zu entlassen. „Ich habe für meine
Musiker eine Gehaltserhöhung gefordert, was abgelehnt wurde. Diese
Erhöhung ist jedoch erforderlich, damit die guten Musiker uns nicht
davon laufen. Vor allem haben die Berliner Philharmoniker eine
Gehaltserhöhung von 2000 DM erhalten und wir - nichts. Die Erhöhung,
um die es sich handelt, würde 3,5 Millionen DM im Jahr bedeuten,
dies bei einem Kulturetat von 700 Millionen. Eine kleine Summe. Hier
geht es nicht um Geld, hier geht es um Politik.“
Sie sind seit
1981 in Deutschland tätig. Ist aus Ihrer Sicht der Antisemitismus
ein Problem in Deutschland?
„Ich wurde nie
mit einem solchen Problem konfrontiert“.
haGalil onLine
26-10-2000
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