Altona:
Zugang zum Haus des Lebens
In
Altona wird einer der bedeutendsten jüdischen Friedhöfe der Welt restauriert
und nach 140 Jahren wieder geöffnet
Von Elke Spanner
Der Zugang zum Judentum, sagte jüngst Paul Spiegel, Präsident des Zentralrats
der Juden in Deutschland, dürfe nicht allein über den Holocaust erfolgen.
Doch die Spuren jüdischen Lebens werden vor allem dann beachtet, wenn eine
Synagoge beschädigt oder ein jüdischer Grabstein geschändet wird.
Auch in Hamburg ist jüdische Tradition zwar dokumentiert, so liegt an der
Altonaer Königstraße einer der bedeutendsten jüdischen Friedhöfe der Welt - aber
hinter einem Tor, das für die Öffentlichkeit verschlossen ist. Zumindest zu
festgelegten Zeiten soll dieses in Zukunft geöffnet werden, versprach gestern
Kultursenatorin Christina Weiss, als sie die Restaurierung und Erforschung des
Kulturdenkmals ankündigte.
Das Projekt wird von der "Stiftung Denkmalpflege" organisiert. Fünf Jahre werden
die Arbeiten dauern, die der Direktor des Duisburger
Salomon-Ludwig-Steinheim-Institutes, Professor Michael Brocke, leiten wird.
Zunächst wird er den Bestand dokumentieren, indem er die überwucherten
Grabsteine vom Moos befreit und fotografiert. Anschließend werden die
Inschriften abgeschrieben, aus dem Hebräischen übersetzt und ausgewertet. Die
Nachrufe bezeichnete Brocke als "Literatur, an der sich die Veränderung der
Werte innerhalb der jüdischen Gemeinde über die Jahrhunderte ablesen lässt".
Rund 6000 Steine und Bruchstücke befinden sich auf dem Areal an der Königstraße.
Der Friedhof ist die älteste jüdische Grabstätte in der Hansestadt. Er wurde
1611 eröffnet und 1869 wieder geschlossen. Den Nationalsozialismus überdauerte
er, weil einzelne Bürger sich dafür einsetzten, ihn für die "Rassenforschung" zu
erhalten.
Die Grabstätte besteht zum einen aus einem sephardischen Teil, einem Areal, auf
dem aus Portugal eingewanderte Juden begraben wurden. Zum anderen wurde eine
aschkenasische Fläche für deutsche und osteuropäische Juden angelegt. Eine
Besonderheit liegt darin, dass diese beiden Teile nicht akribisch voneinander
getrennt liegen, sondern im Laufe der Jahrhunderte zu einem Grabfeld
zusammengewachsen sind. Die sephardischen Grabsteine aus dem 17. und 18.
Jahrhundert sind in Norddeutschland einzigartig.
Brocke hält den Friedhof an der Königstraße für "ein der Aufnahme als
Unesco-Welterbe würdiges Denkmal". Zunächst müsse er aber erschlossen werden, um
"mehr als eine Grabstätte zu sein". Sein Forschungs- und Restaurationsprojekt
finanziert zu einem Teil die Stadt, zum anderen hiesige Stiftungen.
Der Rabbiner Dov-Levy Barsilay von der Jüdischen Gemeinde Hamburg zeigte sich
gestern "dankbar dafür, dass der Friedhof wieder zugänglich werden soll". Auf
Hebräisch trage er die Namen "Haus der Ewigkeit" und "Haus des Lebens". Und er
solle, so Barsilay, auf ewig "für die Lebenden ein Zeugnis dessen sein, was hier
einmal gewesen ist". taz
28.9.2000 ELKE SPANNER
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haGalil onLine 20-10-2000 |